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USA/1400: Militaristen in Washington treiben Trump vor sich her (SB)


Militaristen in Washington treiben Trump vor sich her

Rettet ein Krieg The Donald vor dem Amtsenthebungsverfahren?


In den USA schwillt der Chor der Stimmen unaufhörlich an, die Donald Trumps Eignung für das Präsidentenamt grundsätzlich in Zweifel ziehen und deshalb ein Amtsenthebungsverfahren seitens des Kongresses fordern, um den New Yorker Immobilienmagnaten so rasch wie möglich aus dem Weißen Haus zu entfernen. Stein des Anstoßes ist weder Trumps Reform des Gesundheitssystems, die Millionen armer Menschen frühzeitig ins Grab befördern wird, noch sind es die neuen drakonischen Einwanderungsregeln, seine Aussetzung diverser Umweltauflagen oder die vom neuen Justizminister, dem rassistischen Südstaatler Jeff Sessions, verkündete Rücknahme der unter Barack Obama erfolgten Lockerung der Drogengesetze, um mehr schwarze junge Männer wegen des Konsums von Rauschmitteln hinter Gitter bringen zu können. Nein, als Vorwand soll "Russiagate" herhalten, jene Kontroverse, derzufolge der republikanische Politneuling Trump letztes Jahr nur mit heimlicher Hilfe Wladimir Putins die demokratische Berufspolitikerin Hillary Clinton besiegen konnte. Diejenigen Kräfte in Politik und Medien, welche diese Argumentationslinie vertreten, behaupten, die amerikanische Demokratie vor einem Trumpschen Bonapartismus retten zu wollen. Tatsächlich sind sie jedoch deren Totengräber.

Entgegen des Eindrucks, der von der New York Times und anderen "liberalen" Medien seit Monaten erzeugt wird, hat es bis heute keinen einzigen ernstzunehmenden Beweis dafür gegeben, daß die Russen die US-Präsidentenwahl 2016 manipuliert haben oder Trump eine "Marionette" des Kremls ist. Für den unvoreingenommenen Betrachter ist die Dürftigkeit jenes Berichts der US-Geheimdienste, der mit großem Tamtam am 6. Januar Obama vorgelegt wurde, nicht zu übersehen. Dort wurde als Beispiel der angeblich perfiden Einmischung Moskaus in den Wahlkampf die Tatsache angeführt, daß der russische Nachrichtensender RT die beiden Kandidaten der kleinen grünen und libertären Parteien Amerikas, Jill Stein respektive Gary Johnson, welche die großen US-Sender willkürlich aus den drei Fernsehdebatten zwischen Clinton und Trump ausgeschlossen hatten, gegeneinander auftreten ließ. Ebenso absurd ist der im Bericht enthaltene Vorwurf gegen den Bankier Carter Page, der vorübergehend Mitglied des Trump-Wahlkampfteams war, anti-amerikanisch, sprich pro-russisch eingestellt zu sein, nur weil dieser irgendwann bei einer Rede in Moskau für bessere Ost-West-Beziehungen plädiert hatte.

Der offensichtliche Mangel an ernstzunehmendem Beweismaterial hat die Betreiber der Hetzkampagne gegen Trump, dessen Eintreten für einen Neuanfang in den amerikanisch-russischen Beziehungen ihren Plänen für ein "Regimewechsel" in Syrien und eine Fortsetzung der Konfrontation NATO gegen Rußland in der Ukraine und im Baltikum zuwiderläuft, nicht daran gehindert, noch im Februar den damals neuen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn nach nur wenigen Tage aus dem Amt zu jagen. General a. D. Flynn, der einst als Leiter der pentagoneigenen Defense Intelligence Agency (DIA) Kritiker der Zusammenarbeit zwischen der CIA und sunnitischen Dschihadisten in Syrien gewesen ist, wurde wegen des lächerlichen Vorwurfs, Mitte Dezember per Telefon dem russischen Botschafter in Washington, Sergej Kisljak, eine Lockerung der gegen Rußland wegen der Einverleibung der Krim 2014 verhängten Sanktionen in Aussicht gestellt zu haben, zu Fall gebracht. Der Inhalt des Gesprächs war deshalb bekannt geworden, weil der elektronische Überwachungsdienst NSA das Telefonat aufgenommen hatte. Im großen Tohuwabohu hatte damals auch niemand gefragt, wer diese Information an die Öffentlichkeit durchsickern ließ, um der Regierung des frischgewählten Staatsoberhaupts zu schaden.

Im April hat Trump seine Gegner zu einer vorübergehenden Pause ihrer Dauerattacken gegen seine Person veranlassen können. Als Mittel dienten die erstmalige Direktintervention der US-Streitkräfte in den Syrienkrieg in Form eines großangelegten Raketenangriffs auf einen Stützpunkt der syrischen Luftwaffe, der Abwurf einer der größten konventionellen Bomben im Arsenal des Pentagons auf ein unterirdisches Versteck der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) in der afghanischen Provinz Nangahar und die Entsendung einer gigantischen Seestreitmacht in den Nordwestpazifik, um das kommunistische Nordkorea einzuschüchtern. Damals erklärte der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina, der wie sein Kollege John McCain stets ein energisches Auftreten der US-Militärs überall auf der Welt einfordert, er sei "der glücklichste Kerl Amerikas", weil in Washington endlich ein Präsident residiere, der im Vergleich zum Zauderer Obama wisse, wie man sich auf der internationalen Bühne Respekt verschaffe. Graham stand mit seiner Lobhudelei nicht allein da. Kommentatoren, die bis dahin kein gutes Haar an Trump gelassen hatten, meinten angesichts der imponierenden Waffenschau plötzlich, der New Yorker Reality-TV-Star habe "präsidiales" Format bewiesen.

Das Intermezzo fand ein jähes Ende, als Trump am 9. Mai völlig überraschend FBI-Chef James Comey entließ. Der Leiter der US-Bundespolizei war im letzten Juli in den Präsidentenwahlkampf geraten, als er erklärte, es gebe keinen Anlaß zur Anklage gegen Clinton wegen der Affäre um ihre illegale Nutzung eines privaten Email-Servers als Außenministerin Obamas zwischen 2009 und 2013. Ende Oktober korrigierte er sich wegen angeblich neuer Befunde, um nur wenige Tage später unmittelbar vor der Wahl erneut Entwarnung zu geben. Unbestreitbar hat die Verwirrung um die E-Mail-Affäre einschließlich Comeys ungeschickter Handhabung einen nicht geringen Beitrag zur Niederlage Clintons und zum Sieg Trumps am 8. November geleistet. Nach der Entlassung Comeys hieß es zunächst aus dem Weißen Haus, der Präsident habe den FBI-Direktor wegen mangelnden politischen Fingerspitzengefühls in die Wüste geschickt. Später gab Trump selbst zu, er habe Comey gefeuert, weil dieser weiterhin in der Angelegenheit "Russiagate" ermittelte, die der Präsident mehrfach als ein Täuschungsmanöver seiner politischen Gegner bezeichnet hatte.

Nun steht der Vorwurf einer Behinderung der Justiz im Raum. Trump wird mit Richard Nixon verglichen, der 1973 auf dem Höhepunkt des Watergate-Skandals Justizminister Eliot Richardson und den Stellvertretenden Justizminister William Ruckelshaus wegen deren Weigerung, den Chefermittler Archibald Cox zu entlassen, ihres Amtes enthob. In den amerikanischen Leitmedien malen hysterische Kommentatoren die Gefahr einer Präsidialdiktatur, gar die Rückentwicklung der USA zur Bananenrepublik an die Wand. Im US-Fernsehen erklärte am 14. Mai James Clapper, zuletzt unter Obama Leiter aller 17 US-Geheimdienste (Director of National Intelligence - DNI), in den USA stünden die "Institutionen unter Beschuß" - von außen durch die "russische Einmischung" in das Wahlsystem und "intern" durch die Trump-Regierung. Die Entlassung Comeys erklärte Clapper zu einem "Sieg" Moskaus.

Ungeachtet der medialen Verbreitung geben die Aussagen Clappers nicht viel her. Bekanntlich hat derselbe Mann 2013 unter Eid vor dem Kongreß gelogen, als er auf direkte Nachfrage des demokratischen Senators Ron Wyden behauptete, die NSA würden die elektronischen Daten von Millionen unbescholtener US-Bürger nicht abgreifen - was ein Jahr später durch die Enthüllungen Edward Snowdens als unwahr entlarvt wurde. Interessanterweise hat sich Clapper bei seinen Fernsehauftritten selbst widersprochen, als er eine Frage in bezug auf eine Einmischung Moskaus bei der letztjährigen Präsidentenwahl wie folgt beantwortete: "Ich weiß nicht, ob es eine Verwicklung gab ... Ich kenne keine Beweise dafür, also kann ich ihre Existenz weder bestreiten noch bestätigen."

Für die Putin-Hasser in Washington war es ein besonderer Affront, als Trump gleich am Tag nach der Entlassung Comeys den russischen Außenminister Sergej Lawrow und Botschafter Kisljak im Oval Office empfing und sich mit ihnen vom Fotografen der Nachrichtenagentur Tass händeschüttelnd und lächelnd ablichten ließ. Daraufhin wurde am selben Abend in der Onlineversion der Washington Post wild spekuliert, ob nicht irgendeiner der Russen den Besuch als Gelegenheit genutzt haben könnte, eine Wanze im Weißen Haus zu verstecken. Am 15. Mai wartete die Washington Post, deren Besitzer Jeff Bezos über sein Unternehmen Amazon das Cloud-Computing für die CIA abwickelt, mit dem nächsten großen "Coup" auf. Trump habe im Gespräch mit Lawrow und Kisljak Erkenntnisse eines Washington freundlichen Geheimdienstes über einen eventuell bevorstehenden Bombenanschlag auf eine Passagiermaschine weitergegeben und damit das Leben der Quelle der Information, bei dem es sich um einen Maulwurf in einer Stadt in der noch vom IS gehaltenen Region Nordostsyrien/Nordwestirak handeln soll, in Gefahr gebracht. Trump habe auf eklatante Weise gegen die Sicherheitsbestimmungen der USA verstoßen und sei deshalb weder fähig für das Präsidentenamt noch dessen würdig, so die Post.

Dies ist natürlich Humbug. Die USA und Rußland befinden sich - noch - nicht im Krieg, sondern sind Verbündete im Kampf gegen die Plage des "internationalen Terrorismus". In diesem Zusammenhang steht es im Ermessen jedes US-Präsidenten, welche Geheimdiensterkenntnisse er an ausländische Staatsmänner weiterleiten will oder nicht. Sowieso hat kurz nach der Veröffentlichung des fraglichen Artikels Michael Flynns Nachfolger als Nationaler Sicherheitsberater, Generalleutnant Herbert McMaster, der am gesamten Treffen mit Lawrow und Kisljak teilgenommen hat, die Angaben der Post bestritten. Trump sei im Gespräch mit dem russischen Diplomatenduo nicht auf die Einzelheiten des "Terrorkomplotts" eingegangen, so McMaster.

In einem aufschlußreichen Artikel, der am 16. Mai bei The Unz Review unter der Überschrift "Are They Really Out to Get Trump?" erschienen ist, hat der ehemalige, langjährige CIA-Mitarbeiter Philip Giraldi vor einem "sanften Putsch" des nationalen Sicherheitsapparats gewarnt, den er zu Recht als eine "größere Gefahr" für die US-Demokratie "als alles, was Donald Trump tun könnte", bezeichnete. Eine weitere Gefahr besteht darin, daß Trump sich wieder zu militärischen Maßnahmen im Ausland veranlaßt sehen könnte, um sich innenpolitisch die Meute vom Hals zu schaffen. Als potentielles Ziel fällt einem der Iran ein, dessen Hauptgegner Saudi-Arabien Trump am 19. Mai mit einer Delegation besucht, wobei die USA König Salman unter anderem Rüstungsgüter im Wert von 100 Milliarden Dollar andrehen wollen. Danach reist Trump nach Israel, dessen Premierminister Benjamin Netanjahu bekanntlich seit Jahren das "Mullah-Regime" in Teheran zu einer "existentiellen Bedrohung" des jüdischen Staats aufbauscht.

16. Mai 2017


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