Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


USA/1421: Washington - alte Feindbilder neu belebt ... (SB)


Washington - alte Feindbilder neu belebt ...


Bereits im März 2016 hat Steve Bannon in einem Podcast der von ihm mitgegründeten rechtsreaktionären US-Zeitschrift Breitbart erklärt, es werde zum Krieg zwischen den USA und China "innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre" kommen. "Daran besteht kein Zweifel", so der Mann, der im November desselben Jahres als Politgenie durch den von ihm mit herbeigeführten überraschenden Sieg des Außenseiters Donald Trump über die von den liberalen Medien favorisierte ehemalige First Lady und Außenministerin Hillary Clinton bei der Präsidentenwahl weltberühmt wurde. Fünf Jahre nach der denkwürdigen Aussage Bannons steuern Peking und Washington auf einem regelrechten Kollisionskurs. Der große Knall scheint unvermeidbar, vor allem seit die politische Kaste der USA für das eigene Versagen in der Corona-Krise China verantwortlich zu machen sucht.

An dieser Entwicklung war der bei den US-Republikanern einflußreiche Ex-Marineoffizier nicht unwesentlich beteiligt. Als Präsidentenberater hat Bannon 2017 Trump in seinem Drang bestärkt, unbedingt einen ruinösen Handelskrieg mit China vom Zaun zu brechen, und dies ideologisch begründet. Nach dem Verlassen des Weißen Hauses 2018 ist der Möchtegern-Spengler seiner idée fixe eines unvermeidlichen "Kampfs der Kulturen" zwischen Orient und Okzident treu geblieben. Vor dem Hintergrund der letztjährigen Proteste der "Demokratiebewegung" Hongkongs gegen die chinesische Zentralregierung, hat Bannon einem "Regimewechsel" in Peking - notfalls auch von außen gesteuert - das Wort geredet.

Im Januar hat Bannon seine Internet-Radiosendung namens "War Room: Impeachment", mit der er Trump in der zweiten Hälfte 2019 gegen das Amtsenthebungsverfahren der Demokraten in Repräsentantenhaus und Senat wegen der Ukrainegate-Affäre eifrig verteidigte, in "War Room: Pandemic" umbenannt. Seitdem bauscht er die Covid-19-Seuche zum hinterhältigen Angriff der chinesischen Kommunisten auf die "freie Welt" auf, der strengstens geahndet werden müsse. Bannon regt unter anderem einen "Kriegsverbrecherprozeß" in Wuhan gegen diejenigen chinesischen Politiker an, die den absichtlichen oder versehentlichen Ausbruch von Covid-19 entweder aus einem Labor oder auf einem Wildtiermarkt verschuldet haben. Es versteht sich von selbst, daß sich ein solches Tribunal nur einrichten ließe, nachdem die komplette Führung Chinas gegen westliche Marionetten ausgetauscht worden wäre - ein Unterfangen, das man schwerlich ohne Waffengewalt und großes Blutvergießen durchführen könnte.

In der Trump-Administration sind es vor allem Außenminister Mike Pompeo, Verteidigungsminister Mark Esper, der Handelsbeauftragte Peter Navarro und der Stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Matthew Pottinger, die in den letzten Wochen die Anti-China-Trommel kräftig rühren. Pompeo zum Beispiel hat Ende März eine gemeinsame Stellungnahme der G7-Gruppe zur Pandemie blockiert, weil sich die Amtskollegen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada aus Rücksicht auf die Volksrepublik China und eingedenk des ausdrücklichen Rats der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Forderung des US-Chefdiplomaten, in der Abschlußerklärung für den Krankheitserreger den Begriff "Wuhan-Virus" zu verwenden, nicht anschließen wollten. Inzwischen hat Trump die Beteiligung der USA an der Finanzierung der WHO gekappt, weil die UN-Unterorganisation angeblich zu "China-zentriert" sei und Peking im Januar beim Herunterspielen der Pandemiegefahr geholfen habe.

Die wahren Scharfmacher in Sachen China sind momentan aber nicht in der Regierung, sondern vor allem im Kongreß der USA zu finden. Dort posaunt der republikanische Senator aus Arkansas, Tom Cotton, bei jeder Gelegenheit seine Überzeugung heraus, das Corona-Virus sei ein Produkt der chinesischen Militärforschung, das auf bislang unbekannten Wegen aus den Labors des nationalen Instituts für Virologie in Wuhan in die freie Wildbahn gelangt sei. Josh Hawley, Republikaner aus Missouri, hat im Senat einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine finanzielle Entschädigung aller gesundheitlichen und wirtschaftlichen Covid-19-Opfer durch die Volksrepublik China vorschreibt. Marsha Blackburn, eine Republikanerin aus Tennessee, hat im Senat einen eigenen, noch drastischeren Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der die Nicht-Auszahlung aller bei der chinesischen Zentralbank liegenden US-Staatsanleihen im geschätzten Wert von 1,2 Billionen Dollar vorsieht, sollte Peking keine "Transparenz" in der Frage des Ursprungs des neuartigen Corona-Virus herstellen. Unterstützt wird die Blackburn-Initiative unter anderem von Lindsey Graham, dem einflußreichen langjährigen Senator aus South Carolina, der über enge Verbindungen zur US-Rüstungsindustrie und zu Präsident Trump verfügt.

Aus Angst, selbst als zu China-freundlich gebrandmarkt zu werden, mischt inzwischen Joe Biden, nach dem Ausstieg von Bernie Sanders inoffiziell der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, bei der Beschwörung der "gelben Gefahr" kräftig mit. Am 17. April veröffentlichte Bidens Wahlkampfteam einen Fernsehwerbespot, der in den kommenden Tagen und Wochen in mehreren Bundesstaaten geschaltet werden soll. Darin verurteilt der ehemalige Senator von Delaware und spätere Vizepräsident Barack Obamas Trump wegen seiner angeblichen Nähe zur chinesischen Führung. Aus Rücksicht auf die Volksrepublik habe Trump im Januar und Februar die von Covid-19 ausgehenden Gefahren heruntergespielt und damit die größte Gesundheitskrise in den USA seit Menschengedenken verursacht, so die Botschaft Bidens. Die Bilder des Videos, darunter marschierende Soldaten der Volksarmee in Paradeuniform, dienen, wenngleich neueren Datums, gezielt dazu, die im Westen gängigen, zutiefst rassistischen Klischees von China als autoritärer Ameisenstaat zu festigen. Am 19. April veröffentlichte die New York Times einen längeren Artikel darüber, wie zwischen Demokraten und Republikanern im Vorfeld der Wahlen im November nicht nur für das Amt des Präsidenten, sondern auch für diverse Sitze im Repräsentantenhaus und Senat längst ein Wettbewerb um die aggressivste Anti-China-Position ausgebrochen ist. Von dieser traurigen Entwicklung sind nur negative Impulse für das Verhältnis zwischen den USA und der Volksrepublik zu erwarten.

22. April 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang