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BERICHT/347: Trumps Amerika - Angriffsspitze der Demokraten ... (SB)


Seit Anfang 2019 ist das Rennen um die Nominierung zum offiziellen Kandidaten der Demokraten bei der nächsten Präsidentenwahl im November 2020 voll im Gange, obwohl die Vorwahlen erst im kommenden Februar stattfinden. Im Raum steht die Frage, ob die Demokraten aus dem Fiasko von 2016 gelernt haben, als die Parteiführung auf Hillary Clinton als demokratische Kandidatin trotz ihrer großen Unbeliebtheit bei weiten Teilen der Bevölkerung beharrte und somit dafür sorgte, daß der republikanische Außenseiter Donald Trump mittels billigstem Populismus zum Nachfolger Barack Obamas wurde. Um diese Frage eindeutig beantworten zu können, ist es noch zu früh. Gleichwohl sind die Anzeichen alles andere als ermutigend.

Die Niederlage Clintons, das Scheitern ihres sichergeglaubten Traums vom historischen Einzug als erste Präsidentin ins Weiße Haus, kam für die ehemalige First Lady derart überraschend, daß sie nach Bekanntwerden des Wahlausgangs in der Nacht vom 6. auf den 7. November 2016 keine Gratulations-, sondern lediglich eine Siegesrede parat hatte. Völlig ungewöhnlich und absolut stillos verweigerte Bill Clintons Gattin in der Wahlnacht eine öffentliche Stellungnahme und trat statt dessen erst am darauffolgenden Nachmittag vor die Presse, erkannte trotzig-übellaunig den Sieg Trumps an und rief gleichzeitig dessen zahlreiche Gegner zum "Widerstand" gegen das neue Regime in Washington auf.


Gabbard vor großer US-Nationalflagge - Foto: © 2019 by Schattenblick

Tulsi Gabbard (Screenshot ihres eigenen Wahlkampfvideos)
Foto: © 2019 by Schattenblick

Das war wahrlich keine Sternstunde der Demokratie, wie sich die Ex-Senatorin von New York am Ende der Präsidentenwahl als ganz schlechte Verlierer aufführte. Vielmehr war es das I-Tüpfelchen einer mißratenen Kampagne, die von langer Hand als feierliche Inthronisierung Clintons als erste US-Präsidentin der Geschichte konzipiert und von der kein Abweichen vorgesehen war, selbst als sich die Katastrophe abzeichnete. Verfolgt von Vorwürfen bezüglich der illegalen Nutzung eines privaten und damit geheimdienstlich ungeschützten E-Mail-Kontos während ihrer Zeit als Obamas Außenministerin geriet Clinton im Juli 2016 vollends in Mißkredit, als Wikileaks Dokumente der demokratischen Partei veröffentlichte, aus denen klar hervorging, daß das Democratic National Committee (DNC) die Vorwahlen zuungunsten des zweitplazierten Senators Bernie Sanders aus Vermont manipuliert hatte. Wegen des spektakulären Skandals mußte die Clinton-Vertraute Debbie Wasserman Schultz noch während des Parteitags der Demokraten in Philadelphia als DNC-Vorsitzende zurücktreten.

Nicht wenige namhafte Demoskopen in den USA glauben, daß Sanders 2016 in der direkten Auseinandersetzung Trump geschlagen hätte, weil der demokratische Sozialist viele Wähler an sich hätte binden können, welche die jahrelange Vernachlässigung der Nöte und Sorgen der Mittel- und Arbeiterschicht durch die Washingtoner Politelite bei gleichzeitigem Dauerkrieg im Ausland sowie angesichts einer beispiellosen und extrem teueren Rettung vermeintlich "systemrelevanter" Bankhäuser nach der Finanzkrise 2008 beklagten und deshalb beim eigentlichen Urnengang eher aus Protest dem Prahlhans aus der New Yorker Immobilienbranche ihre Stimmen gaben. Auch diesmal ist Sanders, inzwischen 77 Jahre alt, wieder dabei und gilt als einer der aussichtsreichsten Bewerber auf die Nominierung zum offiziellen Kandidaten der Demokraten. Der Leitwolf des linken Flügels tritt für eine kostengünstige Krankenversicherung für alle, kostenlosen Universitätsbesuch bei Streichung der Ausbildungsschulden abertausender bisheriger Hochschulabsolventen sowie einen Green New Deal ein, um die Gesellschaft und Wirtschaft auf die Erfordernisse der Bekämpfung bzw. Linderung des Klimawandels einzustellen. Im Wahlkampf wird Sanders demonstrativ von Alexandria Ocasio-Cortez, dem neuen jungen Shooting Star der Demokraten im Repräsentantenhaus, unterstützt.


Gabbard legt als erste Hindu im Kongreß ihren zeremoniellen Amtseid auf die Bhagavad Gita ab - Foto: © 2019 by Schattenblick

John Boehner, damals Sprecher des Repräsentantenhauses, schwört Gabbard 2013 als Kongreßabgeordnete ein (Screenshot des Wahlkampfvideos)
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Die beiden Hauptkontrahenten von Sanders sind Joe Biden und Elizabeth Warren. Die 70jährige Senatorin aus Massachusetts hat sich als ehemalige Juraprofessorin mit Spezialgebiet Konkursrecht als kenntnisreiche Kritikerin der Bankenrettung im besonderen und des neoliberalen Wirtschaftsdogmas im allgemeinen, das seit den 70er Jahren für eine klaffende Schere zwischen Arm und Reich sorgt, hervorgetan. Warrens energische Gegenwehr gegen die Dauerattacken Trumps, der sie wegen ihrer angeblichen Abstammung aus einer First Nation als "Pocahontas" verhöhnt, hat sie in den Augen vieler US-Bürger, denen der verächtliche Ton des Präsidenten gegenüber Frauen sowie Menschen mit einer anderen Hautfarbe als der weißen und einer anderen Religion als die christliche zuwider ist, zur Ikone gemacht. Wegen der Ähnlichkeit der Positionen von Sanders und Warren wird schon jetzt über ein gemeinsames "Ticket" der beiden im November 2020 mit ihm als Präsidentschaftkandidaten und ihr als Vizepräsidentschaftskandidatin - oder umgekehrt - spekuliert.

Um einen Durchmarsch des linken "Dream Team" zu verhindern, setzt die demokratische Parteiführung zunächst auf Joe Biden. Der langjährige Senator aus Delaware, der von 2009 bis 2017 Obamas Vizepräsident war, präsentiert sich als Kandidat der Mitte, der mit seiner Netter-Onkel-Art als Präsident zwischen linken Radikalinskis der Demokraten und republikanischen Tea-Party-Ideologen im Kongreß vermitteln könnte. Doch Bidens nackter Opportunismus, seine Bereitschaft, jedem nach dem Mund zu reden, lassen seine Erfolgsaussichten gering erscheinen. Erschwerend deutet sich in den letzten Monaten bei dem 76jährigen Berufspolitiker eine leichte geistige Debilität an, die zunehmend Zweifel an seiner Eignung für das höchste Amt im Staat aufkommen läßt.


Gabbard stehend vor einer größeren Gruppe sitzender Zuhörer - Foto: © 2019 by Schattenblick

Gabbard spricht vor Angehörigen der First Nations und Umweltaktivisten bei Protesten gegen die Dakota Access Pipeline (Screenshot des Wahlkampfvideos)
Foto: © 2019 by Schattenblick

Deswegen wird Kamala Harris, die 54jährige Senatorin aus Kalifornien, als heimliche Favoritin des großen Geldes bei den Demokraten gehandelt, das sich bisher mit wenigen Ausnahmen - die Aufstellung des Vietnamkriegsgegners George McGovern gegen Richard Nixon 1972 sticht hervor - stets gegen die Parteibasis durchsetzen konnte. Harris ist nicht nur weiblich, sondern auch farbig; ihre Mutter ist Tamilin aus Indien, der Vater stammt aus Jamaika. Dadurch ist sie für zwei der wichtigsten demokratischen Zielgruppen eine äußerst attraktive Kandidatin, deren Vergangenheit als Generalstaatsanwältin zuerst von San Francisco und später von ganz Kalifornien, die eine recht harte Law-and-Order-Linie verfochten hat, konservative Wähler sowie die Besitzer großer Vermögen begeistern dürfte.

Vom sonstigen Kandidatenfeld bei den Demokraten mit mehr als 20 Bewerbern ist nicht viel zu berichten, wäre da nicht Tulsi Gabbard. Die 38jährige Kongreßabgeordnete aus Hawaii, die 2013 als erste Hindu ins Repräsentantenhaus einzog und zuvor als Nationalgardistin im Irak und in Kuwait gedient hatte, bezeichnet sich selbst als "Kriegsveteranin, progressive Feministin, Umweltschützerin, Vertreterin der Humanität und Surferin". 2016 ist die frühere Kampfkünstlerin als eine der wenigen Vertreter des Kongresses nach North Dakota gereist, um sich demonstrativ auf die Seite der Lakota zu stellen und deren große Protestaktion gegen den Bau der Dakota Access Pipeline von der Bakken-Schieferformation nach Illinois zu unterstützen. Unmittelbar nach den beiden bisherigen Fernsehdebatten war Gabbards Name der meisteingegebene Begriff bei Google. In der ersten Debatte hatte sich Gabbard als einzige Kandidatin klar für den Abzug aller US-Streitkräfte aus Afghanistan ausgesprochen und die Durchwurschtelkonzepte der Konkurrenz als unqualifizierten Nonsens abgetan. In der zweiten Debatte hat sich die junge Hawaiianerin Kamala Harris vorgeknüpft und deren Festhalten am Antidrogenkrieg sowie ihre einseitig drakonische Anwendung des Gesetzes gegenüber ärmeren Teilen der Bevölkerung als Staatsanwältin verurteilt.


Eine lächelnde Gabbard im weißen Hosenanzug - Foto: © 2019 by Schattenblick

Unter Applaus betritt die Kandidatin die Bühne
Foto: © 2019 by Schattenblick

Weil Gabbard 2017 bei einer Informationsreise nach Syrien den dortigen "Machthaber" Präsident Bashar Al Assad getroffen und mit ihm über Wege zur Beendigung des Krieges gesprochen hat, wird sie von den großen Medien als "umstrittene" Persönlichkeit geführt. Die Botschaft ist eindeutig: Wer die herrschende Meinung der außenpolitischen Elite in Washington, daß eine von den USA durchgesetzte unipolare Ordnung wünschenswert sei, in Frage stellt wird bestraft und als "unseriös" abgestempelt. Die Bereitschaft Gabbards anzuecken dürfte auch der Grund gewesen sein, warum in den ersten Stunden nach der zweiten Fernsehdebatte bei den Demokraten Google plötzlich ihren Youtube-Kanal gesperrt hatte. Das IT-Unternehmen begründete den Schritt mit dem ungewöhnlich hohen Verkehr auf dem Kanal, der eine unzulässige Einmischung eines ausländischen Geheimdiensts vermuten lasse. Gabbard sieht in der Maßnahme eine gezielte, illegale Benachteiligung und hat den übermächtigen Suchmaschinenbetreiber wegen unzulässigen Eingriffs in den demokratischen Prozeß auf 50 Millionen Dollar verklagt. Gabbard ist bereits 2016 aus Protest gegen die Machenschaften des DNC gegen Bernie Sanders aus dem Parteivorstand zurückgetreten. Dies erklärt zum Teil, warum sie nicht zur Teilnahme an der dritten Fernsehdebatte am 12. September eingeladen wurde.

Bei einem sehr kurzfristig anberaumten Wahlkampfauftritt in den Räumen des Startup-Incubators Alley im New Yorker Hipster-Viertel Chelsea begeisterte Gabbard eine Gruppe von mehr als 200 Anhängern, die, wie es dem Schattenblick erschien, aus Vertretern aller ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen der USA bestand. Die mehrfach ausgezeichnete Majorin appellierte an den Patriotismus ihrer Anhänger, als sie die dringende Notwendigkeit eines umfassenden Kurswechsels in der Innen- und Außenpolitik beschwor. Gabbard sprach von der großen Gefahr, die in Form der grenzenlosen Aufrüstung über die Menschheit schwebt, und kritisierte in dem Zusammenhang die Konzernmedien dafür, daß sie dem skandalösen Auslaufen des INF-Vertrags zwischen den USA und Rußland drei Tage zuvor nicht mehr Bedeutung beigemessen und größeren Raum in der Berichterstattung eingeräumt hatten. Mit ihrem stupiden Streben nach Profiten setzten die Rüstungskonzerne das Leben der ganzen Menschheit aufs Spiel, so Gabbard. Dem sinnlosen Wettrüsten müsse genauso wie den kontraproduktiven Regimewechselkriegen der USA im Ausland, die nur Leid und Zerstörung über die betroffenen Länder brächten, endlich Einhalt geboten werden.


Gabbard redet mit Nachdruck und Überzeugung auf die Zuhörer ein - Foto: © 2019 by Schattenblick

Die linke Demokratin wirbt für den großen Kurswechsel
Foto: © 2019 by Schattenblick

Gabbard entfaltete die Vision eines anderen Amerika, das die staatlichen Steuereinnahmen, statt sie für Prestigeprojekte des Pentagons zu verpulvern, in die Infrastruktur, in Schulen, Krankenhäuser und neue Formen der regenerativen Energie investiert. Sie versprach, als Präsidentin den Antidrogenkrieg zu beenden und für eine entsprechende Strafrechtsreform zu sorgen. Sie trat nicht nur für einen Mindestlohn von 15 Dollar ein, sondern meinte, die Wirtschaft müsse so umgestaltet werden, daß jede Person von einem Job leben könne und keine zwei oder drei haben müsse. Sie schlug eine Zerschlagung der Großbanken an der Wall Street und eine Zurückdrängung des großen Geldes in der Politik durch eine Revidierung des kontroversen Citizens-United-Urteils des Obersten Gerichtshofs vor, das 2010 Wahlkampfspenden seitens Unternehmen und Milliardären in beliebiger Höhe zur "freien Meinungsäußerung" deklariert hatte. Zudem bekannte sich Gabbard zur Ehe für alle und regte eine gesellschaftliche Debatte in der Frage der Massentierhaltung an. Was den Tierschutz betrifft, meinte die langjährige Veganerin, daß man mit Überzeugungarbeit mehr Menschen als mit Verboten oder Vorschriften erreichen könne.


Die Kandidatin von Mikrofonen und Kameras umgeben - Foto: © 2019 by Schattenblick

Gabbard geht auf die Frage des Schattenblicks ein
Foto: © 2019 by Schattenblick

Nach einer fulminanten und mitreißenden Rede von fast einer Stunde nahm Gabbard Fragen aus dem Publikum an. Dabei brachte sie tiefes Bedauern angesichts der Anschläge der vorangegangenen Tage in Gilroy, Kalifornien, El Paso, Texas, und Dayton, Ohio, zum Ausdruck und warf Präsident Trump vor, er trage durch das bewußte Schüren fremdenfeindlicher Ressentiments eine nicht geringe Mitverantwortung an der Zunahme von Gewaltausbrüchen. Gleichzeitig betonte Gabbard nachdrücklich, es könne nicht das alleinige Ziel der Demokraten sein, die Wiederwahl Trumps im kommenden Jahr zu verhindern. Vielmehr müsse die neue Präsidentin oder der neue Präsident das Land in eine ganz andere Richtung führen. Die USA müßten auf die selbstzugedachte Rolle als Weltpolizist verzichten und statt dessen mittels Diplomatie und einer humaneren Gesellschaftspolitik eine Vorbildfunktion übernehmen. Nur so könnten die Amerikaner ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden, sagte sie. Auf die Frage, ob sie als Frau die nötigen Feuerkraft habe, um den Machomann Trump bei einem Fernsehduell einzupacken, antwortete Gabbard selbstbewußt mit einem eindeutigen Ja und erinnerte lächelnd an die Art und Weise, wie sie wenige Tage zuvor Kamala Harris in aller Öffentlichkeit abgefertigt hatte.

Nach Ende des Austausches mit dem Publikum gab es eine Gelegenheit für die versammelten Medienvertreter, im kleinen Kreis eigene Fragen an die Kandidatin zu richten. Als der Schattenblick an der Reihe war, wollte der Redakteur von Gabbard wissen, wo für sie die Grenze zwischen Regimewechselkriegen und überflüssigen Antiterroreinsätzen verlaufe, wobei er darauf verwies, daß die Anzahl der in Afrika aktiven "Terrorgruppen" von einer auf 50 drastisch zugenommen habe, seit 2008 das US-Regionalkommando AFRICOM dort seine Tätigkeit aufgenommen hat. Gabbard erklärte, als Oberkommandierende der Streitkräfte würde sie bei der Frage des Auslandseinsatzes amerikanischer Streitkräfte stets als Kriterium die potentiellen Auswirkungen auf die nationale Sicherheit der USA vor Augen haben. Truppen irgendwohin zu entsenden, um "Präsenz" zu zeigen oder Geschäftsinteressen irgendwelcher US-Konzerne zu schützen sei ein krasser Mißbrauch von Amerikas Soldatinnen und Soldaten, die sich dazu verpflichtet hätten, das Land notfalls mit ihrem Leben zu schützen. Seit langem beklagten ehemalige und noch im Dienst stehende Militärs die vielen Auslandsinterventionen, die mit Landesverteidigung im eigentlichen Sinne nichts zu tun hätten; diese Klagen müßten endlich Gehör finden; als Präsidentin werde sie dafür sorgen, so Gabbard.


Gabbard schreibt für ein junges Mädchen ein Autogramm - Foto: © 2019 by Schattenblick

Auch für die jüngsten Fans ist Zeit
Foto: © 2019 by Schattenblick


Bisherige Beiträge zur Serie "Trumps Amerika" im Schattenblick unter:
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BERICHT/346: Trumps Amerika - Liegenschaftskriege ... (SB)
INTERVIEW/445: Trumps Amerika - The Squad, Rebellion im Kongreß ...    Eric Josephson im Gespräch (SB)


3. September 2019


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