Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REPORT


INTERVIEW/432: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - Zielgruppenvielfalt international vernetzen ...    Raffael Schöberl im Gespräch (SB)


Interview am 13. Januar 2019 in Berlin

Raffael Schöberl ist Bundesvorsitzender der Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ). Am Ziel der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration in Berlin, der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, beantwortete Schöberl, der mit einer Delegation der KJÖ an der Demonstration teilgenommen hatte, dem Schattenblick einige Fragen zu der unabhängigen Jugendorganisation.


Im Gespräch an der Gedenkstätte der Sozialisten - Foto: © 2019 by Schattenblick

Raffael Schöberl
Foto: © 2019 by Schattenblick

SB: Österreich ist mit einer ÖVP/FPÖ-Regierung geschlagen. Wie erleben Sie die politischen Entwicklungen seit Beginn ihrer Amtszeit im Dezember 2017?

Raffael Schöberl (RS): Die Widersprüche spitzen sich in Österreich gerade massiv zu. Unter anderem wird jetzt mit dem Gesetz des 12-Stunden-Arbeitstages ermöglicht, daß man bis zu 12 Stunden täglich arbeitet, ferner werden die Sozialversicherungen zerschlagen, und auch der staatliche Repressionsapparat wird massiv ausgebaut. Diese Entwicklung ist neu für uns, aber wir wollen dagegen um so mehr Widerstand leisten.

SB: Österreich hat eine lange linke Tradition. Das Rote Wien ist ein feststehender Begriff. Wie ist es im Augenblick um die Linke in Österreich bestellt?

RS: Die österreichische Linke ist in den letzten Jahren sehr klein geworden, aber es gibt auch Positives zu berichten. In nahezu allen Bundesländern existieren mittlerweile KJÖ-Gruppen und gemeinsam mit der Partei der Arbeit (PdA) arbeiten wir am Aufbau einer bundesweiten marxistisch-leninistischen Partei. Lediglich in der Steiermark arbeiten wir mit der dortigen KPÖ zusammen. Denn im Gegensatz zur Bundes-KPÖ verfolgt sie ein marxistisch-leninistisches Programm. Sie sitzt in Graz auch mit über 20 Prozent im Gemeinderat.

SB: Wie ist die Position der KJÖ zur Situation flüchtender Menschen in Österreich?

RS: Was unser Bundeskanzler jetzt auf europäischer Ebene macht, also die Europäische Union immer mehr abzuschotten, ist eine Katastrophe. Die Österreichische Regierung ist ja vorne mit dabei, wenn es darum geht, die EU-Außengrenzen noch tödlicher und mörderischer zu machen. Wir wollen dagegen gemeinsam mit geflüchteten Menschen Widerstand organisieren und hatten uns bereits 2015 in die Solidaritätsbewegung eingebracht, wo wir uns für Verbesserungen beispielsweise in der Unterbringung von Geflüchteten eingesetzt haben.

SB: Österreich ist kein Mitglied der NATO. Welche Politik verfolgt die ÖVP/FPÖ-Regierung in bezug auf das Militärbündnis?

RS: Nach außen hin ist das jetzt weniger Thema, aber natürlich will sich Österreich immer mehr einbringen und auch global eine stärkere Rolle spielen. So vertritt Österreich ganz klare Interessen im Balkan und ist auch bei der weiteren Militarisierung der EU vorne mit dabei.

SB: In der postmodernen Linken werden neben dem Kampf zwischen Arbeit und Kapital weitere Widersprüche etwa sozialökologischer und geschlechtsidentischer Art immer wichtiger. Wie positioniert sich Ihre Jugendorganisation dazu?

RS: Wir engagieren uns in unterschiedlichsten Bereichen. Mit Umweltthemen setzen wir uns in der Organisation gerade jetzt im besonderen auseinander, aber auch die Frage der Frauen ist uns wichtig, wie wir uns dort besser und stärker positionieren können. Zu alledem führen wir in unserem Verband viele breitangelegte Diskussionen.

SB: In Wien werden allwöchentliche Demonstrationen gegen die Regierung organisiert. Sind Sie in diese Proteste involviert?

RS: Es gibt in vielen Städten Österreichs wöchentliche Donnerstagsdemonstrationen. In manchen Städten beteiligen wir uns auch daran. Das Problem ist, daß diese Demonstrationen sehr unpolitisch sind, ja ganz bewußt versucht wird, diesen Protesten den politischen Charakter zu nehmen. Wir aber sagen, wir müssen den Widerstand gegen Schwarzblau noch weiter in die Offensive treiben, und da sind diese Demonstrationen leider sehr hinderlich. Aber wir haben uns natürlich an der großen Demonstration gegen den 12-Stunden-Arbeitstag, wo über hunderttausend Menschen aus ganz Österreich auf die Straße gingen, beteiligt. Wir kämpfen auch in den Gewerkschaften für eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik und versuchen in den Strukturen, wo es uns möglich ist, unsere Positionen einzubringen.

SB: Das Verhältnis zu Deutschland ist sicherlich ein besonderes, zum einen, weil Österreich zu den wenigen deutschsprachigen Ländern in Europa gehört, zum anderen wegen der Besetzung Österreichs durch das NS-Regime 1938. Wie sehen Sie das Verhältnis zur Bundesrepublik heute?

RS: Gerade zu unserer Schwesterorganisation der SDAJ haben wir ein sehr enges und gutes Verhältnis und versuchen, auf verschiedensten Ebenen zusammenzuarbeiten, uns auszutauschen und auch unsere Kämpfe zu verknüpfen. Egal, ob wir in Österreich, in Deutschland oder in allen anderen Ländern Europas sind, die Fragen ähneln sich ja. Wir arbeiten natürlich auch daran, den Widerstand weiter international zu vernetzen. Das ist indessen eine sehr schwierige Frage, die Zeit und auch Ressourcen kostet, die uns oftmals fehlen.

SB: Herr Schöberl, vielen Dank für das Gespräch.


Berichte und Interviews zur Rosa-Luxemburg-Konferenz, Liebknecht-Luxemburg-Demo und zum Jahresauftakt Der Linken im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT

BERICHT/328: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - zögerliche Ernte ... (SB)
BERICHT/329: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - vorbildlich inszeniert ... (SB)
BERICHT/330: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - der Stab wird weitergereicht ... (SB)
BERICHT/333: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - von den Künstlern erläutert (SB)
INTERVIEW/428: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - vernichtende Aussichten ...    Vladimiro Giacché im Gespräch (SB)
INTERVIEW/429: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - Kernfunktionen des Staates ...    Michael Hudson im Gespräch (SB)
INTERVIEW/430: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - von hinten nach vorne ...    Otto Köhler im Gespräch (SB)

5. März 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang