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ARBEIT/547: Äthiopien - 120.000 Arbeitsmigranten aus Saudi-Arabien ausgewiesen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2014

Äthiopien: 120.000 Arbeitsmigranten aus Saudi-Arabien ausgewiesen - Doch Jobs in der Heimat sind rar

von Ed McKenna


Bild: © Isaiah Isipisu/IPS

Die meisten Äthiopier sind Kleinbauern ohne ausreichenden Zugang zu Land
Bild: © Isaiah Isipisu/IPS

Addis Abeba, 2. Januar (IPS) - In Äthiopien schürt die Rückkehr von etwa 120.000 jungen, aus Saudi-Arabien ausgewiesenen Migranten die Sorge vor einer Zunahme der ohnehin schon hohen Jugendarbeitslosigkeit. Ebenso wird befürchtet, dass die jungen Menschen in dem ostafrikanischen Land ihren Forderungen nach mehr Land mit Protesten Nachdruck verleihen werden.

Seitdem Addis Abeba arbeitsuchenden Äthiopiern im November die Reise in nahöstliche Länder verboten hat, weichen diese zunehmend in den Sudan aus. Auch Esther Negash will dorthin. Die 28-jährige, die bisher mit acht Verwandten auf einer vier Hektar großen Maisfarm in Tigray im Norden Äthiopiens lebt, ist seit ihrem Schulabschluss vor zehn Jahren ohne Arbeit. Mit ihren Ersparnissen will die Familie Esther nun ermöglichen, nach Khartum zu reisen, um sich dort Arbeit zu suchen.

"Seit zwei Monaten kommen viele Landsleute aus Saudi-Arabien zurück. Für diejenigen von uns, die in Äthiopien keine Stelle finden, wird dadurch alles nur noch schwerer", erläutert Negash. "In diesem Jahr hat es nicht lange geregnet, deshalb sind die Ernten mager ausgefallen. Meine Familie ist groß, die Lage schwierig. Dann hörten wir, dass es im Sudan Arbeit gibt und sahen eine Chance."

Reiche Staaten in Nahost waren bisher die bevorzugten Ziele zahlreicher Äthiopier. Doch seit dem 3. November, dem Ablauf einer siebenmonatigen Amnestie für Ausländer ohne Papiere, wurden rund 120.000 Äthiopier in ihr Heimatland abgeschoben. Zuvor waren sie unter unsäglichen Bedingungen wochenlang in Lagern interniert.


Schwere Zeiten in Saudi-Arabien

Das Leben in Saudi-Arabien war für viele Migranten von Anfang an ein Martyrium. Rückkehrer berichten von Menschenrechtsverstößen ihrer Arbeitgeber sowie von Übergriffen der Sicherheitskräfte in den Lagern.

Eine 23-jährige Frau, die zwei Jahre lang in Riad als Hausangestellte gearbeitet hatte, wurde nach eigenen Angaben von ihrem Arbeitgeber vergewaltigt und geschlagen. "Man zwang mich, sieben Tage pro Woche 20 Stunden täglich zu arbeiten", berichtet die Äthiopierin, die ihren Namen nicht nennen will. "Das Haus durfte ich nie verlassen." Das Leben in Saudi-Arabien sei die Hölle gewesen. "Ein Jahr lang habe ich kein Geld bekommen, obwohl ich auch an die Verwandten meines Arbeitgebers verliehen wurde. Ich bin müde und traurig, aber gleichzeitig freue ich mich, wieder in Äthiopien zu sein."

Doch die schlechte Wirtschaftslage zwingt viele Äthiopier dazu, weiterhin im Ausland nach Jobs zu suchen. Häufig wenden sich die Betroffenen an illegale Schleuser. "Meist haben sie völlig falsche Vorstellungen von dem Land, von dem sie sich so viel erhoffen", warnte George Okutho, der für Äthiopien und Somalia zuständige Vertreter der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Da viele Äthiopier nicht gut ausgebildet seien, müssten sie unter schwierigen Bedingungen arbeiten und liefen Gefahr, gnadenlos ausgebeutet zu werden, erklärte Okutho. "Deshalb verdienen sie im Nahen Osten oder im Sudan kaum mehr als zu Hause und kennen obendrein ihre Rechte nicht."

Mit der steigenden Zahl der Rückkehrer ist die äthiopische Regierung völlig überfordert. Statt der zunächst erwarteten 23.000 sind in nur einem Monat etwa 120.000 Äthiopier wieder in der Heimat angekommen. "Wir sind in Kontakt mit der saudischen Regierung und arbeiten mit Hochdruck darauf hin, die in Saudi-Arabien gestrandeten Äthiopier zurückzuholen und in die Gesellschaft wiedereinzugliedern", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Dina Mufti.


Bauern ohne ausreichenden Zugang zu Land

In Äthiopien, wo 80 Prozent der Einwohner von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft leben, ist der mangelnde Zugang zu Agrar- und Weideland jedoch ein großes Problem. In der Bergregion Tigray verfügt jede Familie über durchschnittlich 3,5 Hektar Land.

Landesweit fehlt es jungen Äthiopiern an Jobmöglichkeiten. Armut und Hunger sind verbreitet. Im vergangenen Jahr gingen junge Leute in den großen Städten in Scharen auf die Straße, um gegen die Missstände zu protestieren.

Die Mehrheit der rund 91 Millionen Äthiopier verdient weniger als umgerechnet zwei US-Dollar am Tag. Zu den Armen zählt auch die 18-jährige Hewete Haile, die am Rande der Kleinstadt Sero Tabia wohnt. In den etwa 2.200 Haushalten leben ungefähr 560 junge Menschen im Alter zwischen 17 und 35 Jahren, die weder eine Beschäftigung noch Zugang zu Land haben.

Haile steht vor der Botschaft Sudans in Addis Abeba mit hunderten jungen Frauen in einer Schlange, um ein Arbeitsvisum für Khartum zu beantragen. Dort hoffte sie als Haushaltshilfe acht Dollar am Tag zu verdienen. In Addis Abeba erhält sie für diese Arbeit die Hälfte. "Wenn es im Sudan nicht klappen sollte, reise ich halt weiter in den Nahen Osten, auch wenn ich weiß, was in Saudi-Arabien passiert ist." (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2013/12/ethiopia-swamped-tidal-wave-returned-migrants/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2014