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ARMUT/126: Krise verschärft Armut (welt der frau)


welt der frau 5/2009 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Krise verschärft Armut

Von Eleonore Bayer


Eine breite, internationale Plattform der Zivilgesellschaft protestiert gegen eine Politik zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsgruppen und fordert eine demokratische und solidarische Gesellschaft.


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Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise wird die Kluft zwischen Arm und Reich vertiefen und vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen doppelt treffen. Denn diese können nicht nur Arbeit und Lohn verlieren, sondern können auch Opfer von Sparpaketen der Regierung bei Gesundheit, Bildung und Sozialem werden. In Österreich, aber auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern formiert sich deshalb seit Jahresbeginn eine Protestbewegung gegen diese Entwicklung. Sie lehnt eine Politik, die die Kosten der Krise auf die ärmeren Bevölkerungsgruppen abwälzen will, entschieden ab und tritt für einen wirtschaftlichen Systemwechsel ein.

VertreterInnen von Gewerkschaften, Glaubensgemeinschaften, entwicklungspolitischen Organisationen und sozialen Netzwerken, von KleinbäuerInnen, MigrantInnen, StudentInnen, aus der Frauen-, der Jugend- und Umweltbewegung sowie KritikerInnen der Globalisierung aus ganz Europa forderten bei einem ersten Treffen im Jänner 2009 in Paris eine deutliche Abkehr vom gegenwärtigen Wirtschaftsmodell. Sie kritisierten scharf, dass die Regierungen "mit Hunderten Milliarden aus den Staatskassen" ein System stützen, das in diese schwere Krise führte. Eine Vernetzung gleichgesinnter Bewegungen und Organisationen sollte die Schaffung eines demokratischen, sozialen und ökologischen Europas vorantreiben, das auf den Prinzipien der Gemeinwohlorientierung, auf globaler Fairness und Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und demokratischer Kontrolle aufbaut. Beim Weltsozialforum Ende Jänner in Brasilien wurden diese Anliegen aufgegriffen und weltweites Agieren in diesem Sinne proklamiert.

Am 28. März 2009, wenige Tage vor dem G20-Treffen in London, einer Konferenz der zwanzig mächtigsten Staaten der Welt, rief dieses Netzwerk der Zivilgesellschaft zum europaweiten Aktionstag auf. Hunderttausende Menschen beteiligten sich an Protestkundgebungen in verschiedenen europäischen Städten.


Krise verschärft Frauenarmut

Unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise!" protestierten auch in Wien an diesem Tag Tausende SystemkritikerInnen. Unter der Federführung von Attac Österreich, der internationalen Bewegung für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft, hatten 265 Organisationen, Initiativen und Gruppen - darunter zahlreiche autonome Fraueninitiativen, aber auch die Katholische Frauenbewegung, die Evangelische Frauenarbeit und die KPÖ-Frauen - zu dieser Kundgebung aufgerufen.

Dr.in Michaela Moser, Mitarbeiterin der "Armutskonferenz", eines Netzwerks von Organisationen und Gruppen in Österreich zur Bekämpfung der Armut, hält die Auseinandersetzung der Frauen mit dieser Thematik für sehr wichtig, denn in der derzeitigen Krise werde Armut auch zunehmend viele treffen, die nie damit gerechnet hätten. "Heute muss jede siebte Frau - insgesamt 587.000 - in Österreich mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze auskommen. 234.000 Frauen sind von akuter Armut und damit von Einschränkungen in wesentlichen Lebensbereichen betroffen. Im Zuge der Krise ist mit einer weiteren Verschärfung der Situation zu rechnen", stellt Moser fest.

"Verschrottungsprämien für alte Autos werden der Situation genauso wenig gerecht wie milliardenschwere Rettungspakete für Banken." Um Ungleichheiten zu beseitigen und Krisen wie die derzeitige zu vermeiden, sollten nach Ansicht der Expertin für Frauenarmut alle bestehenden und zukünftigen politischen Maßnahmen deshalb auf ihre Sozial- und Frauenverträglichkeit geprüft werden.

Dr.in Michaela Moser fordert weiters Investitionen in soziale Infrastruktur und ökologische Nachhaltigkeit sowie die Einführung einer Grundsicherung, die wirklich zum Leben reicht. Für die faire Verteilung von Arbeit und Einkommen seien der Ausbau qualitätvoller öffentlicher Kinderbetreuung und eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung außerdem unverzichtbar.


Mehr Mitsprache für Frauen

Auch die Katholische Sozialakademie Österreichs unterstützt diese Protestbewegung. KSÖ-Direktor Dr. Markus Schlagnitweit tritt für mehr Mitsprache der betroffenen schwachen Gesellschaftsgruppen, vor allem aber der Frauen in wirtschaftlichen Belangen ein. "Für die Neuordnung der Finanz- und Weltwirtschaft ist die paritätische Einbindung aller, besonders der sozial und wirtschaftlich schwächsten Staaten- und Gesellschaftsgruppen zu fordern. Denn sie sind es, die - obwohl für die gegenwärtige Systemkrise am wenigsten verantwortlich - deren Folgen am stärksten zu spüren bekommen. Hier sind insbesondere auch die Frauen zu nennen, die durch ihre - bezahlte und unbezahlte - Arbeit schon bisher das Rückgrat der globalen Wirtschaft gebildet haben. Gerade aber den Frauen mit ihren spezifischen Kompetenzen und Interessenlagen wurde die notwendige Mitsprache im Wirtschaftsgeschehen bisher weitgehend versagt."

Alexandra Strickner, Obfrau von Attac Österreich, ist davon überzeugt, dass der Protest gegen ein verfehltes Krisenmanagement weiterwachsen wird.

(Infos: www.28maerz.at, www.attac.at, www.frauenarmut.at


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Für eine demokratische und solidarische Gesellschaft

• demokratische Kontrolle der Finanzmärkte;
• Sozial- statt Bankenpaket;
• Verursacher und Profiteure müssen zahlen;
• ökologischer und sozialer Umbau der Wirtschaft;
• Systemwechsel - für eine solidarische Gesellschaft und Ökonomie.

Wir fordern eine alternative Form des Wirtschaftens, die auf den Säulen demokratischer Mitbestimmung, sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und globaler Solidarität aufbaut. Entschuldung, gerechter Handel, regionaleres Wirtschaften, kooperative Betriebe, öffentliche Güter und die gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern müssen Elemente dieser Alternative sein.

(Aus dem Forderungskatalog der Kampagne "Wir zahlen nicht für eure Krise!")


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 5/2009, Seite 30-31
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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Die "welt der frau" erscheint monatlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2009