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ARMUT/211: Das Armutsrisiko im Alter steigt regional unterschiedlich (idw)


Bertelsmann Stiftung - 12.10.2015

Das Armutsrisiko im Alter steigt regional unterschiedlich

In welchen Bundesländern ältere Menschen besonders armutsgefährdet sind zeigt eine Studie. Sie benennt zudem soziale Gruppen, denen im Alter am ehesten Armut droht. Die Kommunen können dieser Entwicklung entgegentreten und dazu beitragen, Altersarmut zu verringern.


Gütersloh, 12. Oktober 2015. Der Anteil der über 65-Jährigen, die im Alter armutsgefährdet sind, nimmt in Deutschland zu. Während 2006 jeder zehnte Ältere von Altersarmut bedroht war, galt das 2013 schon für jeden siebten. Besonders häufig betroffen sind Frauen, Alleinstehende, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Als armutsgefährdet gelten Menschen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median) aller Haushalte beträgt.


Im Bundesdurchschnitt stieg der Anteil armutsgefährdeter Menschen bei den über 65-Jährigen von 10,4 Prozent (2006) auf 14,3 Prozent (2013). Besonders niedrig war er im Jahr 2013 in Berlin (11,0 Prozent), Sachsen (11,5 Prozent) und Hamburg (11,7 Prozent). Im Saarland (19,2 Prozent), in Rheinland-Pfalz (17,8 Prozent) und in Bayern (17,0 Prozent) war die Quote am höchsten. Die hohe Armutsgefährdung Älterer in diesen drei Bundesländern steht im Zusammenhang mit einer niedrigen Frauenbeschäftigtenquote und niedrigen Einkommen in der Vergangenheit.


Die Armutsgefährdung im Alter wird in den ostdeutschen Bundesländern zunehmen

Insgesamt waren im Jahr 2013 ältere Menschen in Westdeutschland (14,8 Prozent) häufiger armutsgefährdet als in Ostdeutschland (12,5 Prozent). Dieser Trend dürfte sich aber innerhalb der nächsten 10 Jahre umkehren, denn im Osten ist das Armutsrisiko bei den 50- bis 64-Jährigen heute deutlich höher (19,5 Prozent) als im Westen (11,2 Prozent). Wenn diese Altersgruppe das Renteneintrittsalter erreicht, wird die Armutsgefährdung im Alter in allen ostdeutschen Bundesländern (inklusive Berlin) voraussichtlich deutlich zunehmen. Im Westen wird sie in den meisten Bundesländern auf gleichem Niveau weiterbestehen. In Hamburg und Bremen ist tendenziell mit einer Zunahme, in Bayern und Rheinland-Pfalz mit einer Abnahme zu rechnen.


Frauen, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund sind, stark gefährdet

Die Studie ermittelt, welche Gruppen der ab 65-Jährigen besonders armutsgefährdet sind: Frauen (16,2 Prozent) sind deutlich häufiger von Armut bedroht als Männer (12 Prozent). Für Frauen, die in Einpersonenhaushalten leben, ist das Risiko doppelt so hoch wie für Männer. Auch Geringqualifizierte (24,9 Prozent), Menschen mit Migrationshintergrund (32 Prozent) oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit (39 Prozent) weisen im Alter ein besonders hohes Armutsrisiko auf. Unterbrochene Erwerbsbiographien, hohe Teilzeitarbeitsquoten und niedrige Löhne führen bei diesen Gruppen zu niedrigen Renten und damit zu Armut im Alter.

Die Zunahme des Armutsrisikos und die vielfältigen Benachteiligungen armer Menschen stellen die Politik von Bund, Ländern und Kommunen vor große Herausforderungen. Der Bund ist gefragt, Altersarmut langfristig zu reduzieren - zum Beispiel durch Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im System der Rentenversicherung.

Die Studie sieht auch die Kommunen in einer wichtigen Rolle: Sie können einerseits einen Beitrag zur Prävention von Altersarmut leisten, indem sie beispielsweise durch den Ausbau der Kindertagesbetreuung die Erwerbsbeteiligung von Müttern ermöglichen. Andererseits können Kommunen die Folgen von Altersarmut abmildern, indem sie intensive soziale Betreuungs- und Unterstützungsangebote für ältere Menschen vor Ort bereitstellen.

Brigitte Mohn, Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung: "Ältere Menschen, die von Armut betroffen oder bedroht sind, benötigen darüber hinaus eine gute gesundheitliche Versorgung und Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe, die vor Ort bedarfsgerecht gestaltet werden müssen." Dazu sei eine Städtebaupolitik nötig, die soziale Segregation vermeidet und für seniorengerechten und bezahlbaren Wohnraum sorgt.


Zusatzinformationen
Die Studie "Altersarmut in Deutschland - Regionale Verteilung und Erklärungsansätze" wurde von der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit IT.NRW durchgeführt. Autoren sind Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler, Dr. habil. Wolfgang Seifert und Holger Mann. Die Auswertung basiert auf den Daten des "Wegweiser Kommune" und des Mikrozensus 2013. Der Wegweiser Kommune stellt für alle Kommunen in Deutschland mit mehr als 5.000 Einwohnern Daten, Bevölkerungsvorausberechnungen, Handlungskonzepte und Praxisbeispiele für kommunale Akteure zur Verfügung. Zum Thema Altersarmut finden sich unter www.wegweiser-kommune.de konkrete Handlungsempfehlungen für Kommunen (Autor: Prof. Dr. Gerd Naegele, TU Dortmund).

In den Industrienationen wird Armut in der Regel als relative Armut gemessen. Relativ, da sie sich am Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft bemisst. Als arm gelten laut EU demnach "Einzelpersonen, Familien oder Personengruppen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist."

Als armutsgefährdet gelten gemäß der Definition der EU Menschen, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens (Median) der Bevölkerung in Privathaushalten auskommen müssen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus galten im Jahr 2013 beispielsweise Einpersonenhaushalte mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 892 Euro als armutsgefährdet. Vermögen und Vorteile aus selbst genutztem Wohneigentum sind in dem Indikator nicht berücksichtigt.

Weitere Informationen unter:
http://www.bertelsmann-stiftung.de
http://www.wegweiser-kommune.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution605

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bertelsmann Stiftung, Maria Droop, 12.10.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2015

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