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FAMILIE/233: Väter in der Zerreißprobe (DJI)


DJI Bulletin 4/2009, Heft 88
Deutsches Jugendinstitut e.V.

Väter in der Zerreißprobe

Von Claudia Zerle und Isabelle Krok


Moderne Männer wollen Erfolg im Beruf und Erfüllung in der Familie. Doch beides lässt sich in der heutigen Arbeitswelt nur schwer umsetzen. Solange das stärkere Engagement für das Kind ein finanzielles Risiko bleibt, wird sich am traditionellen Rollenverständnis des Familienernährers wenig ändern.


Knapp 18 Prozent der bis Mitte 2009 beendeten Elterngeldbezüge wurden laut dem Statistischen Bundesamt von Vätern in Anspruch genommen. Vor der Einführung der neuen Elterngeldregelung waren es gerade einmal 3,5 Prozent. Diese familienpolitische Maßnahme zeigt also Wirkung - und das nachhaltig: Väter, die Elternzeit genommen haben, verbringen mehr Zeit mit den Kindern, haben eine intensivere Bindung zu ihnen und betreuen sie auch nach der Elternzeit mehr, wie eine aktuelle Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt (RWI 2009).

Diese Entwicklung ist auch Ausdruck eines veränderten Bewusstseins: Der Wunsch nach gleichberechtigten Rollenmodellen ist gestiegen, die Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern wird Normalität. Junge Väter möchten heute einerseits für die finanzielle Grundlage sorgen, andererseits ihre Kinder auch betreuen und sich Zeit für sie nehmen - also eine modernisierte Variante des Modells vom männlichen Familienernährer leben (Zerle/Krok 2008).

Trotz des gestiegenen Engagements der Väter und der erhöhten Erwerbsbeteiligung von Müttern zeigt sich allerdings kein Umschwung zu einer ausgeglichenen Aufteilung der Familienarbeit: Der Großteil der Väter (73 Prozent) übernimmt mit lediglich zwei Partnermonaten den deutlich kürzeren Teil der insgesamt 14-monatigen Elternzeit (Statistisches Bundesamt 2009). An der gesamten Betreuungszeit beteiligen sich die Väter im ersten Lebensjahr des Kindes im Schnitt mit 11 Prozent, im zweiten Lebensjahr mit 16 Prozent (RWI 2009). In jeder zweiten Familie hingegen übernimmt die Mutter im ersten Jahr mehr als 95 Prozent der Betreuung, im zweiten Lebensjahr sind es nur ein paar Prozentpunkte weniger. Zu konstatieren ist: Trotz geänderter Einstellungen und dem Wunsch nach einer ausgeglichenen Aufgabenteilung besteht weiterhin ein starkes Ungleichgewicht zwischen dem Einsatz von Männern und Frauen. Woran mag das liegen?


Neue Facetten von Vaterschaft

Zunächst ist zu betonen, dass Vaterschaft heute - neben den gesellschaftlich geforderten »neuen Vätern« - in vielen Facetten und Formen gelebt wird. Jeannette Abel etwa ermittelte in ihrer qualitativen Studie drei Typen von Vätern, in deren Leben Vaterschaft eine je eigene Rolle spielt (Abel 2009). Der oberflächlich engagierte Vater zieht demzufolge »Bereicherungen eher aus dem Beruf oder anderen Aktivitäten«. Grund für sein geringes väterliches Engagement sind stark traditionelle Männlichkeitsvorstellungen. Der unsicher ambivalente Vater sieht sich wenig verbindlichen Rollenerwartungen gegenüber. Er betont seine Verantwortung für das Familieneinkommen; für die Kinderbetreuung hat er weniger Zeit, als er gerne investieren würde. Die Gründe dafür sieht er »in äußeren Gegebenheiten« wie etwa der beruflichen Situation und darin, dass die Mutter diesen Aufgaben von Natur aus besser gewachsen sei. Der aktiv involvierte Vater entspricht am ehesten dem Typus der »neuen Väter«, denn er versucht sich im Alltag partnerschaftlich in die Betreuung des Kindes einzubringen. Das gelingt ihm dann, wenn er unterstützende berufliche Bedingungen vorfindet, eine Partnerin hat, die das Kind nicht allein versorgen will und wenn genügend finanzielle Ressourcen vorhanden sind.


Widersprüchliche Signale der Gesellschaft

Die drei Typen zeigen idealtypisch die Schwierigkeiten auf, denen sich junge Väter heute bei dem Versuch, »moderne Vaterschaft« zu leben, stellen müssen: Erstens machen es nach wie vor existierende traditionelle Männlichkeitsvorstellungen den Männern schwer, sich allzu weit von der Rolle des Familienernährers zu entfernen. Verantwortung zu übernehmen und die Familie finanziell abzusichern, sehen die jungen Männer nach wie vor als ihre Hauptaufgabe an - auch wenn die Erwerbstätigkeit von Müttern heute überwiegend akzeptiert ist (Zerle/Krok 2008).

Zweitens sind die Anforderungen an die Väter widersprüchlich: Einerseits erwartet die Gesellschaft verstärkt ihr Engagement, denn durch gesetzliche Neuerungen wie das neue Unterhaltsrecht müssen Frauen auch als Mütter im Beruf aktiv bleiben und lange Auszeiten vermeiden. Dass Väter sie bei der Familienarbeit unterstützen, wird damit schlichtweg notwendig. Andererseits scheint die Gesellschaft aber noch nicht für die »modernen Väter« bereit zu sein, wie sich an den mangelnden Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf zeigt. Bei 68 Prozent der jungen Väter, die die Elternmonate nicht nutzen konnten, war »die Reduktion der Arbeitszeit nicht möglich« (Deutscher Bundestag 2008). Und jene, die Elternzeit in Anspruch nehmen, geraten allzu schnell in »Die Väter-Falle«, wie das Magazin »Stern« im August 2009 titelte. Sie wünschen sich beruflichen Erfolg, wollen aber auch den Anforderungen engagierter Vaterschaft genügen. Um aus dieser Falle zu entkommen, gestalten Väter ihre Rolle nicht völlig um, sondern erweitern sie vielmehr: Sie erbringen weitaus mehr Engagement für die Kinder, stellen ihre berufliche Identität dabei jedoch nicht in Frage (Jurczyk/Thiessen 2008). Frauen hingegen schränken ihre Erwerbsarbeit für die Kinder weiterhin ein.



VÄTER IN ELTERNZEIT 
 Die Anteile der Männer, die in Deutschland ihre kleinen Kinder betreuen

1. Lebensjahr     
2. Lebensjahr     
insgesamt
11          
16          
ohne Elterngeld
8          
12          
mit Elterngeld
23          
31          

Quelle: RWI 2009



Die Grenzen der Gleichberechtigung

Um moderne Vaterschaft heute lebbar zu machen, bedarf es eines väterfreundlichen Umfelds mit beruflichen Bedingungen, die eine Vereinbarkeit erleichtern - und das auch in Bereichen und auf Positionen, in denen die vermeintliche Unabkömmlichkeit der Männer bisher noch allgemein akzeptiert wird. Dabei müssen auch unterschiedliche Bedürfnisse von Eltern berücksichtigt werden. Schließlich soll es nicht das Ziel sein, aus jedem Vater einen modernen und aus jeder Partnerschaft eine egalitäre zu machen. Die Bedürfnisse und Möglichkeiten von Vätern und Müttern unterscheiden sich nach sozialer und regionaler Herkunft, nach der Bildung und nach den beruflichen wie auch persönlichen Wünschen und Perspektiven. Für alle muss eine echte Wahlfreiheit etabliert werden.

Ob ein Vater seine beruflichen Verpflichtungen letztlich zugunsten der Familie einschränkt, ist jedoch auch das Ergebnis einer finanziellen Bilanz, die die Paare ziehen. Die Gehälterkluft zwischen den Geschlechtern und die mangelnde Möglichkeit, zwei Vollzeit-Berufe mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren, sind nach wie vor hauptverantwortlich dafür, dass die Rechnung häufig zugunsten eines traditionellen Rollenmodells ausfällt - trotz Elterngeldregelung. Norwegen, das einen hundertprozentigen Lohnausgleich für 46 Wochen gewährt und eine »Väter-Quote« von zehn Wochen eingerichtet hat, geht da mit gutem Beispiel voran: 90 Prozent der norwegischen Väter gehen in Elternzeit. Moderne Elternschaft muss also auch finanzierbar sein. Nur so können moderne Ernährer zu modernen Vätern werden.


Claudia Zerle und Isabelle Krok sind wissenschaftliche Referentinnen am Deutschen Jugendinstitut (DJI). Sie erforschten im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung Vaterschaftskonzepte junger Männer.

Kontakt:
zerle@dji.de
krok@dji.de


Literatur:

Abel, Falk / Abel, Jeannette (2009): Zwischen neuem Vaterbild und Wirklichkeit. Die Ausgestaltung der Vaterschaft bei jungen Vätern. Ergebnisse einer qualitativen Studie. In: Jurczyk, Karin / Lange, Andreas (Hrsg.): Vaterwerden und Vatersein heute. Neue Wege - neue Chancen! Herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh, S. 231-249

Deutscher Bundestag (2008): Regierungsbericht zum Elterngeld, Drucksache 16/10770

Jurczyk, Karin / Thiessen, Barbara (2008): Väterbilder - Mütterbilder: Die Kluft zwischen Leitbildern und Alltag. In: Väter. DJI-Bulletin 83/84. München

Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) (2009): Evaluation des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit - Studie zu den Auswirkungen des BEEG auf die Erwerbstätigkeit und die Vereinbarkeitsplanung. Endbericht. Essen

Statistisches Bundesamt (2009): Öffentliche Sozialleistungen. Statistik zum Elterngeld. Gemeldete beendete Leistungsbezüge. 2. Vierteljahr 2009. Wiesbaden

Zerle, Claudia / Krok, Isabelle (2008): Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft. Herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh


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Quelle:
DJI-Bulletin Heft 4/2009, Heft 88, S. 14-15
Herausgeber:
Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2010