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FRAUEN/284: Gespräch mit Stephanie Klee zur sozialen Gleichstellung von Huren (pro familia)


pro familia magazin 4/2008
Deutsche Gesellschaft für Familienplanung,
Sexualpädagogik + Sexualberatung e.V.

"Ich bin immer gern mit meinen Kunden zusammen"
Gespräch mit Stephanie Klee zur sozialen Gleichstellung von Huren


"Im Puff sind alle gleich, spätestens wenn man sich nackt auf dem Bett begegnete. Gesellschaftliche Rollen, Macht und Status verblassten vor der lebensnotwendigen Bedeutung der Sexualität oder der Berührung und dem gegenseitigen Respekt. Wenn da nicht die Moral gewesen wäre. Sie klopfte ständig an, verlangte Gehör und ließ mich immer wieder meine Erfahrungen in Frage stellen. Sie wollte mir partout einreden, dass Prostitution etwas ganz Schlechtes sei, dass ich die Prostitution verlassen müsse... " - so Stephanie Klee in einem Kommentar für das Gesellschafter-Tagebuch der Aktion Mensch. Ihr Verhältnis zur Prostitution erläutert sie im Gespräch mit dem pro familia magazin.

pro familia magazin: Sie geben als Beruf "Huren-Coach" an und lehren Prostituierte Umgang mit Freiern und Liebestechniken - warum ist das Coachen wichtig?

Stephanie Klee: Prostitution ist kein anerkannter Beruf. Es gibt keine Ausbildung und keine Stelle, wo man über die Erfordernisse dieses Berufes informiert wird.

Doch der praktische Umgang mit den verschiedenen Kunden und die vielen Tipps und Tricks in der weiten Welt der Erotik und Sexualität wollen erlernt sein. Natürlich kann eine Sexarbeiterin sich das nach der Methode "Learning by doing" und durch den Austausch mit den Kolleginnen im Bordell aneignen. Sie kann es aber auch allein bei mir machen - in einem geschützten und neutralen Rahmen. Eine Neueinsteigerin solle auf keinen Fall denken, dass sie für die Ausübung dieses Berufes nichts mitbringen muss; er erfordert mehr als nur die "Beine breit machen". Und jedes Lernen bietet ihr die Chance, den Job gut und möglichst wenig Fehler zu machen und vor allen Dingen gesund zu bleiben.

pro familia magazin: Sehen Sie Ihren Beruf als Prostituierte als normale Dienstleistung an?

Stephanie Klee: Für mich beschränkt sich Prostitution auf die Arbeit mit dem Kunden und das ist eine ganz normale sexuelle Dienstleistung. Normal im Vergleich zu anderen Branchen ist allerdings nicht unsere rechtliche und gesellschaftliche Stellung, die wiederum Einfluss auf unsere Arbeitsbedingungen hat.

pro familia magazin: Sie haben in Berlin monatelang gegen die geplante Schließung von Wohnungsbordellen gekämpft. Welche Haltung gegenüber Prostituierten ist Ihnen in diesem Zusammenhang begegnet?

Stephanie Klee: Immer wenn sich Prostiruierte, aber auch BordellbetreiberInnen oder auch Kunden an die Öffentlichkeit wagen, begegnen sie der gesamten Palette der möglichen Reaktionen: Häufig sind die Menschen erst mal interessiert und nutzen die Gelegenheit, endlich mal mit einer "echten" Hure zu sprechen und sie mit ihren Klischees zu konfrontieren. Dann kommt meist schnell die Moral gepaart mit der eigenen, oft unbewussten Haltung zur Sexualität. Es fällt den meisten Menschen schwer, zwischen unseren Rechten und ihrer Haltung zur Prostitution zu differenzieren. Zuletzt wollen uns einige "bekehren" oder uns zumindest als Opfer sehen. Diejenigen, die sich mit uns solidarisieren, machen auf jeden Fall die gleiche Erfahrung: es ist so gut wie unmöglich, sich für die Rechte von Prostituierten erfolgreich einzusetzen. Das erfordert nicht nur Mut und Standing, sondern einen langen Atem.

pro familia magazin: Prostitution ist für Sie nichts Schlechtes - haben Sie überhaupt mal ans Aussteigen gedacht?

Stephanie Klee: Ich denke ständig ans Umsteigen und an meine Weiterentwicklung und an die Abwechslung, die ich persönlich in meinem Leben so reizvoll finde. Ich bin allerdings immer gern mit meinen Kunden zusammen und in der sexuellen Dienstleistung. Jeder, fast jeder Kontakt mit einem Mann ist ein guter Kontakt und eine gute Arbeit. Dem Kunden geht es besser nach dem Besuch, denn er wurde in vielerlei Hinsicht berührt: geistig, seelisch und körperlich. Für mich stellt allerdings die Sexualität auch ein menschliches Grundbedürfnis da, das ebenso wichtig ist wie Arbeit, Essen und Trinken, und ein Dach über dem Kopf haben.

pro familia magazin: Hat das seit sechs Jahren geltende Prostitutionsgesetz den Prostituierten etwas auf dem Weg zur sozialen Gleichstellung gebracht oder zumindest die Stimmung im Gewerbe verändert?

Stephanie Klee: Das Prostitutionsgesetz beziehungsweise seine fehlende Umsetzung in die Praxis und die Untätigkeit in der Politik hat zu fehlender Rechtssicherheit und wilden Abschottungsaktionen der Behörden geführt. Aber selbst die kleinen Rechte, die uns das Prostitutionsgesetz eingeräumt hat, haben viel für unser Selbstbewusstsein und Empowerment getan, denn wir beginnen, uns auf allen Ebenen zu wehren.

pro familia magazin: Kann man sagen, dass Prostitution als Gewerbe auf dem Weg in die Normalität ist?

Stephanie Klee: Der Weg in die Normalität wird sicher erst beschritten, wenn wir zum Beispiel im Gewerberecht und im Baurecht Rechte erhalten im Gegensatz zur jetzigen Duldung, wo jeder uns jederzeit je nach politischem Gusto alles wieder streitig machen kann. Ein Beispiel: erst wenn bordellartige Betriebe über ordentliche Konzessionen abgesichert sind, werden die BetreiberInnen und die Kolleginnen über Dinge wie Arbeitsschutz oder Arbeitsverträge nachdenken. Vorher macht es keinen Sinn. Das Bordell könnte ja morgen schon geschlossen werden und dann ist auch der Arbeitsplatz futsch.

pro familia magazin: Prostituierte können laut Gesetz ihren Lohn einklagen. Hat das eine praktische Bedeutung?

Stephanie Klee: Ja. Praktisch kassieren wir wie bisher unseren Lohn vorher, denn wir wissen den Namen des Kunden ja in der Regel nicht, den man bräuchte, um ihn verklagen zu können. Aber den Gedanke an den Rechtsweg wollen wir auch nicht immer im Kopf haben. Doch die Tatsache, dass wir ein Recht auf unseren Lohn haben, und das auch einklagen könnten, gibt uns Kraft, Stärke und Selbstbewusstsein gegenüber den Kunden. Halten die sich nicht an Absprachen, haben wir es heute leichter ihnen zu begegnen - zum Beispiel, wenn es um die Einhaltung der vereinbarten Zeit, die vereinbarte Leistung oder die Benutzung eines Kondoms geht.

pro familia magazin: Die Gewerkschaft Ver.di arbeitet zusammen mit verschiedenen Hurenorganisationen an einem Formularvertrag - wie weit ist es denn damit?

Stephanie Klee: Ver.di hat schon vor Jahren einen Musterarbeitsvertrag entwickelt und auch mit uns diskutiert. Er wurde auch entsprechend publiziert. Wegen der beschriebenen unsicheren Rechtsverhältnisse kommt es jedoch kaum zu Arbeitsverträgen. Außerdem ist die Arbeit auch eher so angelegt, dass sie von Selbstständigen erledigt wird, das entspricht auch mehr unserem Selbstverständnis. Wir wollen in der Arbeit mit jedem Kunden frei sein und uns sehr mobil bewegen - heute hier und morgen da.


Stephanie Klee ist gelernte Diplom-Verwaltungswirtin und Sozialarbeiterin. Sie wuchs in einer konservativen Familie auf und hat sich nach dem Studium bewusst für die Prostitution entschieden.
Stephanie Klee engagiert sich im Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD e. V., www.busd.de/) für die Rechte von Prostituierten und bietet auf ihrer Homepage u. a. Beratung für Prostituierte an (www.highLights-berlin.de).

Das Gespräch führte Gundel Köbke


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Quelle:
pro familia magazin Nr. 04/2008, Seite 9 - 10
Herausgeber und Redaktion:
pro familia Deutsche Gesellschaft für Familienplanung,
Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V., Bundesverband
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2009