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FRAUEN/318: Nicaragua - Gewalt gegen Frauen, Staat bleibt untätig (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. August 2011

Nicaragua: Gewalt gegen Frauen - Staat bleibt untätig

Von José Adán Silva


Managua, 2. August (IPS) - 'Amnesty International' (AI) hat der Regierung Nicaraguas Versagen bei der Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen vorgeworfen. Auch die Bemühungen um eine Anerkennung der Rechte politischer und ziviler Organisationen seien bislang "begrenzt und unzureichend".

Eine Delegation der Menschenrechtsorganisation hielt sich kürzlich eine Woche lang in dem zentralamerikanischen Land auf, um mit Regierungsbeamten, Kandidaten für die allgemeinen Wahlen im November und Vertretern der Zivilgesellschaft zu sprechen.

Auf einer Veranstaltung in der Hauptstadt Managua bezeichnete Amnesty die Übergriffe auf Mädchen und Frauen als ein "sehr ernstes Problem". Der Direktor der Spanien-Sektion von Amnesty, Esteban Beltrán, äußerte sich pessimistisch: "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das alarmierende Ausmaß der sexuellen Gewalt verringern wird."

Nach offiziellen Angaben wurden im vergangenen Jahr in Nicaragua rund 3.770 Sexualdelikte angezeigt. 39 Frauen und Mädchen wurden in diesem Zeitraum ermordet. Wie aus einem im letzten Jahr veröffentlichten Bericht der Organisation hervorgeht, verzeichneten die nicaraguanischen Behörden zwischen 1998 und 2008 14.377 Vergewaltigungs- und Missbrauchsfälle. Etwa 9.700 Übergriffe richteten sich gegen Minderjährige unter 17 Jahren.


Kritik an ausnahmslosem Abtreibungsverbot

Neben einem Ende der Straffreiheit für Sexualtäter forderten die Aktivisten von der Regierung von Staatspräsident Daniel Ortega, medizinisch notwendige Schwangerschaftsabbrüche wieder zuzulassen. Therapeutisch indizierte Abtreibungen waren in Nicaragua seit 1893 gesetzlich erlaubt, wurden jedoch während des Wahlkampfes 2007 auf Betreiben der linken Sandinisten-Partei Ortegas und der rechten Liberalen Konstitutionalistenpartei des ehemaligen Präsidenten Arnoldo Alemán verboten.

Nicaraguanische Frauenverbände werfen Ortega vor, das Abtreibungsverbot aus politischem Kalkül vorangetrieben zu haben. Der damalige Präsidentschaftskandidat habe sich damit die Unterstützung durch die katholische Kirche und andere christliche Glaubensgemeinschaften und damit den Wahlsieg gesichert. Dieser war nicht bereit, die Amnesty-Delegation zu empfangen.

Beltrán zufolge hat Amnesty in 115 Ländern rund 210.000 Unterschriften gesammelt, um den nicaraguanischen Staatschef zum Handeln gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bewegen.

Während des Aufenthalts der Amnesty-Delegation protestierten Mitglieder nicaraguanischer Menschenrechtsorganisationen und Frauenverbände gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Managua, das einen überführten Vergewaltiger auf freien Fuß setzte. "Wir reisen nicht ruhigen Mutes ab", kommentierte Beltrán den Richterspruch. "Die Menschenrechtslage in dem Land ist weiterhin sehr ernst."


Katholische Kirche und Justiz protestieren gegen AI-Besuch

Gegen den Besuch von Amnesty hatte sich in Nicaragua Widerstand von Seiten der katholischen Kirche und der Justiz formiert. Gerardo Rodríguez, Richter an der Berufungskammer des Obersten Gerichts, warf der Organisation eine einseitige Einschätzung der nicaraguanischen Gerichtsbarkeit vor.

Kirchenvertreter wie Monsignore Eddy Montenegro und der Pfarrer an der Kathedrale von Managua, Bismarck Conde, bezichtigten die Aktivisten, sich ungebührlich in die Belange Nicaraguas einzumischen. "Die Kirche wird Abtreibungen immer ablehnen und Ja zum Leben sagen", betonte Conde. "Von dieser Linie wird sie um nichts in der Welt abweichen." (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.amnesty.de/jahresbericht/2011/nicaragua?destination=node%2F2988
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=98760

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2011