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FRAUEN/323: Nach der WM im südlichen Afrika - Eine Zeit der Ernüchterung (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 116, 2/11

Nach der WM im südlichen Afrika
Eine Zeit der Ernüchterung

Von Rita Schäfer


Die Feierlaune während der WM 2010 in Südafrika ist der Ernüchterung eines von Gewalt und Armut geprägten Alltags gewichen. Zwar hat die Afrikanische Union ein Jahrzehnt zur Frauenförderung ausgerufen und die Wirtschaftsgemeinschaft im südlichen Afrika (SADC) die Einführung einer Frauenquote von 50% für politische Ämter verabschiedet, doch die Lebensrealität der meisten Frauen ist weit von Geschlechtergerechtigkeit entfernt.


Wirtschaftliche Probleme

Schon vor der WM warnten kritische Gender-Expertinnen, dass die Staatsausgaben für den Stadienbau später den Sozialprogrammen fehlen würden. Zudem stärkte die Fixierung auf die erfolgreiche Durchführung der Fußball-Weltmeisterschaft den Nationalstolz, umso schwieriger ist nun die Kritik. Dies betrifft das Lieblingskind der Regierung, nämlich die Wirtschaftsförderung. Das reformierte Arbeitsrecht und spezielle Förderprogramme sollten vor allem schwarze Arbeitskräfte stärken. Faktisch haben diese Programme schwarzen Frauen aber nicht geholfen. Ein im März 2011 veröffentlichter Bericht über Frauen in Führungspositionen dokumentiert, dass der Anteil schwarzer Geschäftsfrauen und Unternehmerinnen sogar gesunken ist. Die südafrikanische Gender-Kommission kritisiert, dass schwarze Frauen auch in der Leitung staatlicher Unternehmen und in Behörden nach wie vor unterrepräsentiert sind. Besonders problematisch ist die Situation von Hausangestellten. Über 880.000 schwarze Frauen arbeiteten laut der offiziellen Arbeitsstatistik 2010 als Haushaltshilfen. Mehrheitlich haben sie keine Ausbildung und sind von ihren Arbeitgeberinnen in jeder Hinsicht abhängig. Während der bis 1994 dauernden Apartheid wurde ihnen die Schulbildung verwehrt und der Zugang zur Berufswelt verweigert. Auch heute noch hat ein Großteil schwarzer Mädchen keinen Schulabschluss. So sind zwei Drittel der arbeitslosen Jugendlichen Mädchen. Gründe dafür sind das nach wie vor marode staatliche Schulsystem, sexuelle Übergriffe durch Mitschüler und Lehrer oder Teenagerschwangerschaften. Hinzu kommt die Übernahme familiärer Pflichten, wenn Mütter und andere weibliche Verwandte mit dem schwierigen Einkommenserwerb und der Pflege von AIDS-Kranken überlastet sind.

Zwar hat die Hausangestelltengewerkschaft nach langem Ringen mit der Regierung Mindestlöhne durchgesetzt, doch viele Hausherrinnen zahlen ihren Haushaltshilfen nach wie vor nur einen jämmerlichen Stundenlohn. Das betrifft zumeist weiße Frauen, aber auch Vertreterinnen der kleinen, neuen schwarzen Elite. In einer besonders prekären Situation sind Flüchtlinge aus dem von politischer Gewalt erschütterten Nachbarland Simbabwe. Sie werden von der südafrikanischen Regierung als illegale Einwanderinnen angefeindet und in der Öffentlichkeit für die hohe Arbeitslosigkeit in Südafrika verantwortlich gemacht. Die südafrikanische Hausangestelltengewerkschaft fordert nun von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) klare Rechtsgrundlagen, die weltweit gelten und das Auseinanderdividieren der Hausangestellten unterschiedlicher Herkunft verhindern sollen.


Farmarbeiterinnen und Kleinhändlerinnen

Auch Farmarbeiterinnen aus Simbabwe, die nach den Farmenteignungen ab dem Jahr 2000 nach Südafrika geflohen sind, werden auf den dortigen Farmen ausgebeutet. Ihre bevorzugte Beschäftigung gegenüber den südafrikanischen Farmarbeitern schürt xenophobe Gewalt, die oft sexualisierte Formen annimmt. Seit der WM 2010 bezeichnet die südafrikanische Regierung Gewalt gegen AfrikanerInnen aus den Nachbarländern nur noch als Machwerk von Kriminellen und nicht mehr als xenophob, um dem eigenen internationalen Ansehen nicht zu schaden.

Gewalterfahrungen beeinträchtigen auch Kleinhändlerinnen, die grenzübergreifend im südlichen Afrika tätig sind. Ein zum Weltfrauentag 2011 veröffentlichter Bericht, der auf Interviews mit über 200 Händlerinnen basiert, dokumentiert ihre Problemlage: Obwohl sie über 40% des transnationalen Handels leisten und mit ihren Zollgebühren und Steuern die Staatskassen auffüllen, werden sie von den Regierungen nicht geschützt. Erpressung und sexuelle Belästigung sind an der Tagesordnung. Etliche Händlerinnen werden bei Vergewaltigungen mit HIV infiziert; sie haben aber Angst vor den Schikanen der oft sexistischen und xenophoben Polizei und melden die Übergriffe nicht. Selbst Frauen mit einem Schulabschluss nehmen diese Demütigungen auf sich, weil sie in ihren heruntergewirtschafteten Herkunftsländern und wegen der Diskriminierung im formellen Sektor keinen Job finden. Oft müssen sie zahlreiche Verwandte und Kinder versorgen, vor allem wenn die Männer schon an AIDS erkrankt oder verstorben sind. In Simbabwe wurden sozial marginalisierte Frauen nicht an der von der Regierung angepriesenen Landverteilung der enteigneten weißen Großfarmen beteiligt. Davon profitierten nur loyale männliche Staatsdiener und einflussreiche Militärs, Geheimdienstmitarbeiter und Politiker. Zahllose Farmarbeiterinnen wurden während der gewaltsamen Landenteignungen vergewaltigt und ihrer Existenz beraubt. Wenn couragierte Frauen gegen die Repression und Gewalt demonstrieren, müssen sie mit Verhaftungen und Folterungen rechnen. Auch auf politischer Ebene zählt Simbabwe zu den Schlusslichtern im südlichen Afrika, nur 15% aller Parlamentarier sind Frauen, die mehrheitlich nicht die Interessen ihrer Geschlechtsgenossinnen vertreten, sondern sich dem Parteigehorsam unterordnen.


Mangelhafte Frauenpolitik

Dass Frauenquoten keine Garantie für Frauen- oder Gender-Politik sind, zeigt sich in Malawi. Dort hatte Staatspräsident Bingu wa Mutharika im Jahr 2009 Joyce Banda zur Stellvertreterin ernannt; nun entließ er sie und schloss sie aus der Regierungspartei aus. Während ihrer gesamten Amtszeit wurde sie systematisch an ihrer Arbeit gehindert, sie verfügte nur über einen minimalen Etat, und die Medien schnitten sie. Währenddessen zweifelten Vertreter aus Partei und Regierung immer wieder öffentlich ihre Kompetenzen an. Parlamentarierinnen, die sich mit Banda solidarisieren, werden angefeindet. Deshalb schweigt die Mehrheit der weiblichen Parlamentsmitglieder, die 22% der Sitze innehaben.

Auch in Südafrika hält sich die Kooperation zwischen Parlamentarierinnen in Grenzen. Den Ton gibt die Frauenministerin Noluthando Mayende-Sibiya an, die als loyale Parteigenossin gilt und nichts gegen die Beschränkungen der Gender-Politik unter dem seit 2009 amtierenden Präsidenten Jacob Zuma unternahm. Sie kritisierte weder die sexistischen Äußerungen von Parteifunktionären noch öffentliche Anfeindungen von Lesben durch die Kulturministerin. Und das, obwohl während der letzten Jahre dreißig Lesben wegen ihrer sexuellen Orientierung umgebracht wurden - zuvor waren sie brutal vergewaltigt worden. Zu den Opfern zählte Eudy Simelane, Spielerin in der Frauenfußball-Nationalmannschaft und lesbische Aktivistin. Dass Profifußballerinnen selbst beim Training mit sexuellen Übergriffen konfrontiert sind, beweist die Absetzung des Trainers Augustine Makalakalane im Januar 2011, der mehrere Spielerinnen belästigte. Sexismus begegnet der Frauennationalmannschaft Banyana Banyana sowohl im südafrikanischen Fußballverband als auch in den Medien. Über ihre Siege gegen andere afrikanische Teams wird kaum berichtet, inwieweit sich das bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland ändert, ist fraglich.


Zur Autorin:
Rita Schäfer ist freiberufliche Ethnologin und Buchautorin: "Frauen und Kriege in Afrika" (2008) und "Im Schatten der Apartheid" (2. aktualisierte Auflage 2008).


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 116, 2/2011, S. 8-9
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2011