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FRAUEN/333: Widerständig im feministischen Kollektiv für Veränderungen in Honduras (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 116, 2/11

Keine Macht den Putschisten!
Widerständig im feministischen Kollektiv für Veränderungen in Honduras

Von Kathrin Pelzer


Nach dem gewaltsamen Putsch in Honduras im Juni 2009 formierte sich ein breites Bündnis an Frauenorganisationen, die "Feministas en Resistencia". Das gemeinsame Ziel ist der Kampf gegen die durch den Putsch bedingte steigende Gewalt an Frauen. Die Bewegung wendet sich gegen budgetäre Kürzungen der staatlichen Gleichstellungsagenda und mobilisiert gegen arbeitsrechtliche Diskriminierung von Frauen.
(1)


Die Juristin Maria Elena Sabillón und ihre Mitarbeiterinnen des "Centro de Derechos de Mujeres" in San Pedro Sula im Norden von Honduras sehen den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November als Möglichkeit, ihren Widerstand gegen die derzeitige Regierung zum Ausdruck zu bringen. Das Zentrum für Frauenrechte ist nur eine der zahlreichen Frauenorganisationen, die unter den "Feministas en Resistencia" subsumiert sind und eine gut vernetzte und aktive Opposition gegenüber der illegitimen Regierung darstellen. Mit Hilfe lokaler Radioprogramme, die vorübergehend von der Regierung Lobos(2) verboten wurden, und mit regelmäßig stattfindenden Demonstrationen verteidigen sie vormals bestehende Errungenschaften wie den Zugang zur "Pille danach" und bekämpfen die von der Regierung Lobos geplante Beschneidung des Budgets, das für die Umsetzung dringend notwendiger Schritte im Rahmen des nationalen Geschlechter- und Gleichstellungsplans benötigt wird. Alle Frauenorganisationen, die innerhalb der "Feministas en Resistencia" organisiert sind, eint das Anliegen, die seit dem Putsch dramatisch ansteigende Gewalt an Frauen national wie auch international publik zu machen. Mit dem Ziel, (inter)nationale Unterstützung gegen diese Menschenrechtsverletzung einzufordern.

Bereits in den ersten Tagen nach dem Putsch war ein drastischer Anstieg von Gewalt gegen Frauen zu verzeichnen. Die Anzahl an Frauenmorden (Femizide) stieg um 60%, mittlerweile wird jeden Tag eine Frau umgebracht(3). Honduras wird bereits mit Ciudad Juárez in Mexiko verglichen, das die weltweit höchste Anzahl an Femiziden zu verzeichnen hat. Die permanente Vernachlässigung dieser dramatischen Entwicklung durch die Regierung veranlasst Frauen vermehrt, internationale Allianzen zu schmieden und Organisationen anzuregen, um auf diesem Wege nationale Maßnahmen zu erzwingen.


Bekämpfung der Flexibilisierungsprozesse

"Feministas en Resistencia" bekämpfen nationale wirtschaftliche Deregulierungs- und Flexibilisierungsprozesse, die von der neuen Regierung in Gang gesetzt wurden. "Seit dem Putsch haben die Unternehmen viel an Macht gewonnen. Der Putsch war von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Der ehemalige Präsident Zelaya wollte die Arbeitswelt verbessern, so beispielsweise den Mindestlohn erheblich anheben, das haben die Wirtschaftstreibenden mit dem Putsch verhindert", erklärt Yadira Minero. Sie arbeitet für EMIH (Equipo Monitoreo Independiente de Honduras), eine Organisation, die ArbeitnehmerInnen in Zulieferbetrieben transnationaler Konzerne im Kampf um Arbeitsrechte unterstützt.

Mit Bestürzung und großer Sorge beobachten die verschiedenen Frauenorganisationen das neue Gesetz zur Flexibilisierung der Arbeit. Durch die "Neuerungen" wird den Arbeiterinnen der Anspruch auf Sozialleistungen, Mutterschutz und Urlaubsansprüche vorenthalten. Gewerkschaftliche Selbstorganisation wird durch temporäre Arbeitsverhältnisse nahezu unmöglich gemacht. Bereits jetzt ist ein Anstieg an prekären Arbeitsplätzen zu beobachten, dennoch sind in den offiziellen Statistiken nur wenige Beschwerden gegen die Unterwanderung des geltenden Arbeitsrechts zu finden. Yadira Minero führt das auf die Verunsicherung der Bevölkerung zurück, die aufgrund der instabilen politischen Situation zusehends Schwierigkeiten hat, ihre Rechte in diesem politischen System geltend zu machen.

Für die verschiedenen Frauenorganisationen innerhalb der "Feministas en Resistencia" ist diese Entwicklung aus zwei Gründen alarmierend. Zum einen wird die Regierung die Armutsgefährdung und das Abgleiten von Frauen in die Armut durch instabile, prekäre und temporäre Arbeitsplätze weiter vorantreiben. Bereits jetzt sind Frauen in Honduras vielfachen Diskriminierungen innerhalb der Arbeitswelt ausgesetzt. Exemplarisch hierfür steht die Maquila-Industrie (4), in der überwiegend Frauen tätig sind, um Waren der Textil-, Spielzeug- und Elektroindustrie für den Weltmarkt zu produzieren. Geprägt sind diese Arbeitsplätze durch die Unterwanderung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, die Verletzung einer Vielzahl an Frauenrechten und durch sexuelle Übergriffe. Die Löhne liegen, trotz immenser Überstunden, mit etwa 114,- weit unter dem existenzsichernden honduranischen Mindesteinkommen von 226,-(5). Die Maquila-Industrie zeigt deutlich, wie Frauen bereits in der Vergangenheit durch Handels- und Marktliberalisierung in Verbindung mit der Schaffung von Freihandeiszonen in schlecht bezahlte Arbeitsplätze mit geringen Aufstiegschancen gedrängt wurden.

Die aktuelle Regierung verschreibt sich in ihrer Politik ganz offensichtlich neoliberalen Wirtschaftsinteressen. Dies zeigt die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union, in dem der Ausbau der Freihandelszonen vorgesehen ist. Das Gesetz zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist ebenfalls ein Schritt in Richtung neoliberaler Wirtschaftspolitik. Die Diskriminierung von Frauen wird somit strukturell und langfristig im Land verankert.


Im feministischen Kollektiv für eine neue Ordnung

In Anbetracht des gewaltsam herbeigeführten Machtwechsels und der Missachtung von Menschenrechten seitens der jetzigen Regierung beteiligen sich die "Feministas en Resistencia" an dem Projekt, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Die geplanten budgetären Einschnitte im nationalen Gleichstellungsplan verhindern die Umsetzung wesentlicher Maßnahmen im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Die Weiterführung neoliberaler Wirtschaft verhindert eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und ignoriert die Leistung, welche Frauen durch ihre reproduktive Arbeit erbringen. Die "Feministas en Resistencia" fordern unter anderem Geschlechtergerechtigkeit, Respekt für die kulturelle Diversitäat des Landes, die Schaffung einer gewaltlosen Kultur und die Einhaltung der Menschenrechte. Diese Forderungen bringen sie in nationalen und internationalen Organisationen ein und artikulieren sie in mannigfaltigen Formen des Protests.

Wesentlich für ihren Erfolg ist es, für ihre Forderungen außerhalb Honduras Verbündete zu finden, die sich aktiv solidarisch erklären, wie es Yadira Minero treffend formuliert: "Der Putsch ist vorbei, aber wir geben nicht auf und benötigen internationale Unterstützung, weil unser Staat versagt."


Anmerkungen:

(1) Der Artikel beruht auf Interviews mit Vertreterinnen von Frauenorganisationen in Honduras, die im Rahmen einer Recherchereise der Frauensolidarität im November 2010 durchgeführt wurden.

(2) Porfirio Lobo ist seit 27. Jänner 2010, nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl, Präsident von Honduras.

(3)www.feminicidio.cl/prensa/pre.php?m=09&a=2009 oder
www.derechosdelamujer.org

(4) Fertigungsstätten in Zentralamerika werden "Maquilas" genannt. In diesen wird eine Teilfertigung von importierten Einzelteilen oder halbfertigen Produkten durchgeführt, die dann für den Export auf den Weltmarkt bestimmt sind.

(5) Dieses Einkommen würde laut honduranischem Statistikamt den Ausgaben für den monatlichen nationalen Warenkorb entsprechen.


Hörtipp:

Globale Dialoge: Women on Air. Livesendung mit Vertreterinnen der honduranischen Arbeitsrechtsorganisation EMIH:
http://noso.at/?m=201005


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 116, 2/2011, S. 30-31
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2011