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FRAUEN/383: Haiti - Hilfe für Frauen in den Flüchtlingslagern, Opfer engagieren sich für Opfer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. März 2012

Haiti: Hilfe für Frauen in den Flüchtlingslagern - Opfer engagieren sich für Opfer

von Rousbeh Legatis

Eramithe Delva - Bild: © KOFAVIV

Eramithe Delva
Bild: © KOFAVIV
New York, 14. März (IPS) - In den haitianischen Flüchtlingscamps leben Frauen und Mädchen schutzlos unter Plastik- oder Stoffplanen. Häufig sind sie Belästigungen und Übergriffen ausgesetzt, manche werden vergewaltigt. Opfer sexueller Gewalt haben sich zu einer Hilfsorganisation zusammengeschlossen, um den Lagerinsassinnen zu helfen.

"Frauen leben in den Camps unter schwierigen und entwürdigenden Bedingungen", berichtet Eramithe Delva, ein Gründungsmitglied der Frauenkommission Opfer für Opfer (KOFAVIV). Sanitäre Infrastrukturdefizite zwingen Frauen dazu, lange Strecken bis zu den Toiletten oder Baderäumen zurückzulegen, was vor allem nach Sonnenuntergang ein gefährliches Unterfangen ist. "Frauen haben Angst, sich im Dunkeln durch die unbeleuchteten Lager zu bewegen", sagt Delva. "Sie haben Angst davor, dass jemand in ihr Zelt eindringt, sie ausraubt oder verletzt."

Delva wirft der Regierung das Fehlen konkreter Maßnahmen vor, die sexuelle Gewalt in den Camps zu bekämpfen. "Als Graswurzelorganisation, die in den Lagern Hilfe leistet, können wir keinen Wandel erkennen. Die meisten Menschen, die durch das Erdbeben vom 12. Januar 2010 obdachlos wurden, leben noch immer unter grauenhaften Bedingungen", sagt sie.

Wohl aber konnte KOFAVIV mit Hilfe der Anwaltsvereinigung 'Bureau des Avocats Internationaux' (BAI) einige Täter zur Rechenschaft ziehen. Wurden zwischen 2004, dem Gründungsjahr ihrer Organisation, und 2010 gerade einmal zehn Vergewaltigungsfälle vor Gericht verhandelt, waren es in den darauf folgenden Jahren 200 Fälle.


Vergewaltigungsopfer wehren sich

Auch wenn die Mehrheit der Täter noch immer ungestraft davonkommt, sind die Frauen von KOFAVIV stolz auf das, was sie erreicht haben. "Durch unsere Präsenz in den Lagern und den Gemeinden wissen die Überlebenden einer Vergewaltigung, dass es uns gibt und wir für sie da sind", sagt Eramithe Delva. Dass sie über ihre traumatischen Erfahrungen berichteten, sei an sich schon ein großer Erfolg.

Denn aus Scham schweigen viele Mädchen und Frauen über die sexuelle Gewalt, die ihnen angetan wird. Doch gibt es immer mehr, die sich KOFAVIV anvertrauen und Rechtsmittel einlegen. Auch stehen für sie Schutzhäuser bereit. "Hier sind sie sicher und können die Hilfsangebote von KOFAVIV in Anspruch nehmen", so Delva.

Die Organisation unterstützt auch diejenigen Frauen, die sich aus Not prostituieren. Delva hat ein Buch über das Phänomen 'Überlebenssex' geschrieben - die Bereitstellung sexueller Dienste gegen Nahrung und Geld zum Überleben. "Die meisten wenn nicht gar alle Frauen und Mädchen würden den Überlebenssex sofort aufgeben, böte sich ihnen eine Alternative", versichert die Aktivistin. KOFAVIV bietet den Frauen und Müttern, die Überlebenssex praktizieren oder praktizierten, eine sichere Unterkunft.

Doch Delva zufolge muss weit mehr für diese Frauen getan werden. Um ihnen den Weg aus der Not zu weisen, müssten sie Bildungsangebote erhalten. Sie weiß von Mädchen, die sich prostituieren, um ihre Schulgebühren bezahlen zu können. "Sie müssen aus den Lagern raus und in sicheren Häusern untergebracht werden", fordert sie. "Sie müssen beraten und medizinisch versorgt werden. Und sie müssen einen Beruf erlernen, der sie wirtschaftlich unabhängig macht." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://kofaviv.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107024

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2012