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FRAUEN/463: Städte - Mehr Sicherheit für Frauen und Mädchen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2013

Städte: Mehr Sicherheit für Frauen und Mädchen

Von Michelle Bachelet (*)


Bild: © UN Foto/Jean-Marc Ferré

Michelle Bachelet
Bild: © UN Foto/Jean-Marc Ferré

Dublin, 20. Februar (IPS) - Es gibt keine Städte und Länder, in denen Frauen und Mädchen ohne Angst vor Gewalt leben können. Und auch kein Regierungs- oder Staatschef könnte behaupten: "In meinem Land gibt es das nicht."

2012 haben zwei Vorfälle Empörung ausgelöst - zunächst in den Ländern selbst und dann weltweit: die Schüsse auf die pakistanische Schülerin und Bildungsaktivistin Malala und die Gruppenvergewaltigung einer 23-jährigen Studentin in einem Bus in Neu-Delhi, die für das Opfer tödlich ausging. Überall auf der Welt kommt es zu solchen Verbrechen, ohne dass sie es auf die Titelseiten der großen Zeitungen bringen.

Ob sie die Straßen der Städte entlanglaufen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen, zur Schule gehen oder als Händlerinnen ihre Waren auf Märkten anbieten - Frauen und Mädchen sind ständig der Gefahr sexueller Belästigung und Gewalt ausgesetzt. Diese Alltagsrealität wirkt sich einschränkend auf die Rechte von Frauen auf Bildung, Arbeit, politische Teilhabe und auch auf Freizeitvergnügungen in der eigenen Nachbarschaft aus.

Obwohl Frauen Gewalt und Belästigung im öffentlichen Raum ausgesetzt sind, wird das Thema vernachlässigt. So gibt es kaum Gesetze oder politische Maßnahmen, die dieses Problem angehen.

In dieser Woche nehmen 600 Delegierte - von Bürgermeistern über Privatunternehmer bis hin zu Vertretern der Zivilgesellschaft - am Achten Forum der Weltallianz der Städte gegen Armut (20. Bis 21. Februar) teil. Sie sind aus allen Teilen der Welt angereist, um innovative Maßnahmen zu diskutieren, die die Städte smarter, sicherer und nachhaltiger machen sollen.

Dazu gehört auch die Globale Initiative für sichere Städte. Diese Partnerschaft aus Stadtregierungen, lokalen Gemeinschaften und Organisationen sowie den Vereinten Nationen arbeitet daran, das städtische Umfeld für Frauen und Mädchen sicherer zu machen.

Ursprünglich von der Weltfrauenorganisation 'UN Women' und dem UN-Siedlungsprogramm Habitat mit den fünf Städten Kairo (Ägypten), Kigali (Ruanda), Neu-Delhi (Indien), Quito (Ecuador) und Port Moresby (Papua- Neuguinea) gestartet, hat sich die Initiative inzwischen auf mehr als 20 Städte ausgeweitet.


Partizipation der Betroffenen unerlässlich

Eine der wichtigsten Lektionen, die wir aus der Erfahrung gelernt haben, ist: Jede Stadt ist einzigartig und verlangt deshalb nach lokalen Lösungen, die mittels Studien und der Partizipation der jeweiligen Stadtbewohnerinnen gefunden werden müssen. Städte sind aktiv geworden und haben dafür gesorgt, die Beleuchtung und das Design der Straßen zu verbessern, die Polizeikräfte zu schulen und mehr Polizistinnen einzustellen. Diese praktischen Lösungsansätze haben bereits Wirkung erzielt.

Eine in Neu-Delhi durchgeführte wissenschaftliche Studie hat gezeigt, dass es eine verbreitete Strategie ist, Mädchen und Frauen aus Sicherheitsgründen im Haus zu behalten. So erklärte ein Mädchen: "Würden wir unseren Eltern erzählen, dass wir von Jungs belästigt werden, würden sie uns die Schuld dafür geben... Sie würden uns möglicherweise nicht mehr aus dem Haus lassen."

Doch eine solche Maßnahme ist keine Lösung. Es gibt inzwischen Stadtbewohnerinnen, die sich zu Kollektiven zusammengeschlossen haben, um ein Bewusstsein für die Bedrohungen zu schaffen, die Verbrechen zu dokumentieren und anzuzeigen und um in Zusammenarbeit mit den Behörden die öffentliche Sicherheit und Justiz zu verbessern.

In Quito wurden Frauen ermutigt, in 'Briefen' an die Stadtregierung ihr Schweigen über erlittene Übergriffe zu brechen. Zudem wurde eine Untersuchung durchgeführt. Auch hat die Stadtregierung einen Erlass für die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen um den Aspekt der Gewalt im öffentlichen Raum erweitert. Bei den Behörden in Quito sind etwa 10.000 Briefe von Frauen eingegangen.

Seitdem 55 Prozent der Marktverkäuferinnen in Port Moresby Gewalterfahrungen angeprangert haben, arbeiten die Lokalbehörden mit der Vereinigung der Händlerinnen an Gegenmaßnahmen. In Kairo haben die Behörden mit Frauen die Sicherheit in deren Umfeld überprüft. Deren Verbesserungsvorschläge sollen in der städtischen Planung berücksichtigt werden.


Hilfe durch die neuen Technologien

In Rio de Janeiro ermittelten Slumbewohnerinnen die Sicherheitslücken in den zehn Hochrisiko-Favelas. Entsprechend geschulte Frauen und Mädchen dokumentierten mit Hilfe von Smartphones Infrastruktur- und Dienstleistungsmängel, dunkle Straßenabschnitte und eine mangelhafte Beleuchtung. Die Aufnahmen dienen den Behörden als Ausgangspunkte für die Entwicklung geeigneter Lösungsvorschläge.

UN Women arbeitet derzeit mit 'Microsoft' zusammen, um Möglichkeiten zu finden, die mobile Technologie als Waffe gegen sexuelle Belästigung und Gewalt an öffentlichen Plätzen einzusetzen.

Weitere Erfolge sollen aus der Partnerschaft zwischen UN Women und den Vereinigten Städten und Lokalregierungen erwachsen. Die Anstrengungen konzentrieren sich vor allem auf die Sammlung von Informationen über die politische Partizipation von Frauen und den Erfolg der Aktivitäten zugunsten sicherer Städte.

Hier in Dublin freue ich mich über die Nachricht, dass Bürgermeister Naoise Ó Muirí Interesse an einer Partnerschaft mit der Initiative für sichere Städte bekundet hat. Damit wäre Dublin die erste westeuropäische Stadt, die sich uns anschließen würde.

Da immer mehr Frauen, Männer und junge Leute ihre Stimmen erheben und in Lokalregierungen aktiv werden und zudem lokale Führer sich für die Sicherheit von Frauen und Mädchen engagieren, ist ein Wandel machbar.

Das Treffen in dieser Woche trägt der Erkenntnis Rechnung, dass im Sinne smarter, sicherer und nachhaltigerer Städte die Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen Einwohnern, Privatsektor und Zivilgesellschaft unerlässlich sind. Indem die Frauen in die Entscheidungsfindung eingebunden werden, sind die Stadtregierungen in einer besseren Ausgangslage, um ihrer Verantwortung nachzukommen, die Sicherheit der Stadtbevölkerung und insbesondere der Frauen und Mädchen zu verbessern. (Ende/IPS/kb/2013)

(*) Michelle Bachelet ist Exekutivdirektorin der UN-Frauenorganisation 'UN Women' und Ex-Präsidentin Chiles.


Links:
http://www.dublin2013.ie/
http://www.ipsnews.net/2013/02/op-ed-making-cities-safe-for-women-and-girls/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2013