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FRAUEN/515: Lateinamerika - Konsens von Montevideo drängt Staaten zur Reform ihrer Abtreibungsgesetze (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. August 2013

Lateinamerika: Konsens von Montevideo drängt Staaten zur Reform ihrer Abtreibungsgesetze

von Raúl Pierri



Montevideo, 19. August (IPS) - Vertreter aus 38 lateinamerikanischen und karibischen Ländern haben die Staaten der Region aufgefordert, die mehrheitlich rigiden Abtreibungsgesetze zu reformieren.

Wie aus dem Konsens von Montevideo, der Abschlusserklärung der Ersten Sitzung der Regionalkonferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik vom 12. bis 15. August in Uruguay hervorgeht, sollen die Staaten ihre auf Schwangerschaftsabbrüche bezogenen Gesetze, Bestimmungen und Strategien überarbeiten, um das Leben und die Gesundheit von Frauen und Teenagern zu schützen, deren Lebensqualität zu verbessern und die Zahl der Abtreibungen zu verringern.

Wie die Mexikanerin Daptnhe Cueva vom Lateinamerikanischen und Karibischen Netzwerk für Frauengesundheit erklärte, hat das Abschlussdokument bei den Mitgliedsorganisationen "Jubel" ausgelöst. "Wir Frauenaktivistinnen sind mit klar formulierten Vorschlägen hierher gekommen, die zur Gänze von den Regierungen angenommen wurden. Für die Welt lautet die Botschaft, dass in Lateinamerika Frauenrechte auf dem Vormarsch sind."


Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken

Der Konsens von Montevideo fordert die Regierungen auf, Frauen, die keine Schwangerschaft wünschen, die Voraussetzungen für sichere Abtreibungen zu schaffen.

Innerhalb der Region sind Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft lediglich in Kuba, Mexiko-Stadt und Uruguay möglich, in den anderen Ländern nur in besonderen Fällen zulässig: wenn die Geburt eines Kindes das Leben der werdenden Mutter bedroht oder eine Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung zustande kam. In Chile, der Dominikanischen Republik, El Salvador und Nicaragua sind sie gänzlich verboten.

An dem Treffen, das die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) und die uruguayische Regierung mit Unterstützung der UN-Bevölkerungskonferenz UNFPA organisiert hatte, nahmen auch die Vertreter von 24 regionalen und internationalen Agenturen und 260 Nichtregierungsorganisationen teil. Die CEPAL wies die rund 800 Teilnehmer darauf hin, dass die Veranstaltung zu den größten zwischenstaatlichen Konferenzen der letzten Jahre zähle.

Die Abschlusserklärung listet über 120 Maßnahmen für acht Schlüsselbereiche in Übereinstimmung mit dem Aktionsprogramm der Internationalen Bevölkerungskonferenz in Kairo 1994 auf. Sie sind als regionaler Input für die Konferenzen der UN-Bevölkerungskommission und der UN-Vollversammlung gedacht, die im April und im September 2014 in New York stattfinden.

Cuevas zufolge sind sämtliche Forderungen der Frauenbewegung auf Widerhall gestoßen. Das Abschlussdokument hat erneut bestätigt, dass "ein säkularer Staat Grundvoraussetzung ist, damit Frauen ihre Rechte überhaupt wahrnehmen können".

"Ein weltlicher Staat gehört zu den wesentlichen Elementen für die Inanspruchnahme von Menschenrechten, die Stärkung der Demokratie und die Beseitigung aller Formen von Diskriminierung."

Zum Abschluss der Konferenz erklärte der uruguayische Gesundheitsvizeminister Leonel Briozzo, dass das Abkommen ein Beweis dafür sei, dass Kairo vorankomme. "Wir haben das, was in Kairo begonnen wurde, weitergeführt. Der Vielfalt der Standpunkte wurde vollständig Rechnung getragen. Als Region, die mit einer großen Ungleichheit in Verbindung gebracht wird. haben wir eine beispiellose Fähigkeit zur Demokratie gezeigt."

"Es ist uns gelungen, ein Abkommen zustande zu bringen, das niemanden zur Seite gedrängt oder ignoriert hat. Wir alle haben dieses Übereinkommen, das Übereinstimmung in mehr als 130 Punkten zeigt, gemeinschaftlich zustande gebracht."

Die Länder kamen ferner überein, in Bevölkerungs- und Entwicklungsfragen die Menschenrechts-, Frauen- und interkulturelle Perspektive zu berücksichtigen. Sie erklärten sich ferner zu Investitionen in die Jugend und insbesondere in die Sexualaufklärung und die Umsetzung von umfassenden Programmen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit bereit.


Präventivmaßnahmen gegen Teenagerschwangerschaften

Besonderes Augenmerk soll auf die Prävention von Teenagerschwangerschaften gelegt werden. Ebenso sind Maßnahmen vorgesehen, die die Lebensqualität älterer Menschen verbessern sollen.

Cuevas würdigte auch die explizite Unterscheidung zwischen sexuellen und reproduktiven Rechten. "Was wir vor 20 Jahren in Kairo erzielt hatten, bezog sich nicht auf die sexuellen, sondern nur auf die reproduktiven Rechte", sagte sie.

"Der nächste Schritt muss sein, dafür zu sorgen, dass das Abschlusspapier in nationales Recht überführt wird", meinte Teresa Lanza von den Katholikinnen für das Recht auf Selbstbestimmung/Bolivien. Es gelte sicherzustellen, dass dafür ausreichend Mittel bereitgestellt würden.

Die Aktivistinnen führen die in Montevideo erzielten Fortschritte auf den Einsatz der uruguayischen Regierung zurück. "Bei den Vereinten Nationen ist es üblich, dass die dort beschlossenen Grundsatzpapiere niemandem weh tun", meinte Cuevas. "Uruguay hat die Latte hoch gehängt und jede ideologische Grundsatzdiskussion von vornherein verhindert."

Die Erklärung ruft die lateinamerikanischen und karibischen Länder ferner dazu auf, die Territorialrechte der indigenen und in Abgeschiedenheit lebenden Völker vor allem mit Blick auf Bergbau- und Industrieprojekte zu respektieren. Chile hatte zunächst Bedenken gegen diese Forderung geäußert.

Die Quechua-Aktivistin Tania Pariona vom Peruanischen Netzwerk der indigenen Jugendorganisationen würdigte die Offenheit der Regierungen gegenüber der Zivilgesellschaft und die vorgebrachten Zukunftsvisionen. "Das Treffen war auf jeden Fall ein Schritt nach vorne." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.unfpa.org/webdav/site/global/shared/documents/news/2013/Montevideo%20Consensus-15Aug2013.pdf
http://www.reddesalud.org/index.php
http://www.catolicasbolivia.org/
http://www.ipsnews.net/2013/08/montevideo-consensus-urges-states-to-change-abortion-laws/
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/consenso-de-montevideo-sugiere-cambiar-leyes-sobre-aborto/

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IPS-Tagesdienst vom 19. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2013