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FRAUEN/555: Sri Lanka - Auf den Teeplantagen müssen Frauen Knochenarbeit leisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. September 2014

Sri Lanka: Auf den Teeplantagen müssen Frauen Knochenarbeit leisten - Doch Gesundheit von Müttern und Kindern mangelhaft

von Kanya D'Almeida


Bild: © Amantha Perera/IPS

Eine Schwangere (Bildmitte), die darauf wartet, medizinisch untersucht zu werden
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 25. September (IPS) - Der schlammige Weg führt auf einen Hügel, der den Blick auf ein unendliches Meer immergrüner Teepflanzen freigibt. Hier, in Sri Lankas Zentralprovinz, werden die Reihen der Teesträucher hin und wieder von Ansammlungen kleiner Hütten unterbrochen, vor denen zerlumpte Kinder spielen.

Ihre Mütter sehen aus, als seien sie viel zu jung oder aber viel zu alt für ihren Nachwuchs. Manche, wie die 65-jährige Rani, die eigentlich anders heißt, arbeiten seit Jahrzehnten auf den riesigen Teeplantagen des südasiatischen Landes. Ihr ergrautes Haar, ihr krummer Rücken und die ausgefallenen Frontzähne machen die Teepflückerin 15 Jahre älter.

Wie sie IPS erzählt, ist sie nach einem achtstündigen Arbeitstag unter der heißen Sonne vollständig erschöpft. Rücken und Knochen schmerzen. Dennoch will die sechsfache Mutter weitermachen, um das Schulgeld für die Kinder aufbringen zu können, die noch bei ihr leben. "Ich arbeite auf den Plantagen, damit sie es einmal besser haben", sagt sie mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

In Sri Lankas riesigem Teesektor mit etwa 450 landesweit verstreuten Teeplantagen ist Ranis Geschichte nur eine von vielen. Frauen stellen mehr als 60 Prozent der 250.000 Beschäftigten. Sie alle sind Nachfahren von Indern, die von den Briten vor mehr als einem Jahrhundert nach Sri Lanka verbracht wurden, wo sie die lukrativen Teeblätter in Schuldknechtschaft pflückten.

Sri Lankas Tee, der nach Angaben des Ministeriums für Plantagenindustrien 2012 Exporteinnahmen von rund 1,4 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet hat, erfüllt höchste Qualitätsstandards. Das lässt sich von der Gesundheitsversorgung der Pflücker, in der Mehrheit Frauen, nicht sagen.

Priyanka Jayawardena vom Srilankischen Institut für strategische Studien mit Sitz in der Landeshauptstadt Colombo führt die vergleichsweise schlechten Gesundheitsindikatoren bei Frauen und Kindern auf den srilankischen Teeplantagen auf "tief verwurzelte soziowirtschaftliche Faktoren" zurück.


Teepflücker - Die Ärmsten der Armen

Landesweit sind 15 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter unterernährt, auf den Plantagen sind es 33 Prozent. 16 Prozent aller srilankischen Säuglinge sind untergewichtig, auf den Teeplantagen ist jedes dritte Neugeborene betroffen.

Ein entscheidender Faktor für das deutlich schlechtere Abschneiden der Plantagenfrauen und -kinder ist die hohe Armut. So gehören 61 Prozent der Teepflückerfamilien der niedrigsten sozioökonomischen Gruppe an, während dies nur bei acht respektive 20 Prozent der normalen Stadt- und Landbevölkerung der Fall ist.

Auch kulturelle Faktoren spielen eine Rolle, zumal die Plantagenarbeiter vom Rest der Bevölkerung weitgehend isoliert leben. "Viele Frauen sind ungebildet und machen sich über ihre Gesundheit und die ihrer Kinder keine Gedanken", meint eine Mitarbeiterin des Zentrums für Sozialbelange (CSC), einer Nichtregierungsorganisation, im zentralen Bezirk Nuwara Eliya im Gespräch mit IPS. "Sie haben einen sehr anstrengenden Job und weder Zeit noch Muße, groß über Ernährungsfragen nachzudenken."

Jayawardena weist darauf hin, dass auf den Plantagen lediglich 15 Prozent der unter Fünfjährigen auf einer täglichen Basis tierisches Eiweiß zu sich nehmen. In den Städten und ländlichen Gebieten Sri Lankas sind es hingegen 40 bis 50 Prozent. Auch was den täglichen Verzehr von Gemüse, Obst und Getreide angeht, schneiden die Plantagenkleinkinder mit 40 Prozent schlechter ab als die anderen Altersgenossen mit 60 Prozent.

Zudem stillen die Teepflückerinnen ihre Säuglinge weniger lang als die anderen Srilankerinnen. 63 Prozent ihrer Babys werden höchstens vier Monate ausschließlich mit Muttermilch ernährt. 77 Prozent sind es hingegen in den städtischen und 86 Prozent in anderen ländlichen Gebieten Sri Lankas, wie das Institut für strategische Studien herausgefunden hat.

Da viele Teepflückerinnen als Tagelöhnerinnen beschäftigt werden, die knapp über fünf Dollar pro Tag verdienen, können sich nur die wenigsten einen regulären Mutterschaftsurlaub leisten. Doch selbst dann, wenn das Plantagenmanagement den Müttern hier entgegenkommt, fehlt es Experten zufolge an dem Bewusstsein, den Nachwuchs gesund und ausgewogen zu ernähren.

Bild: © Anja Leidel/CC-BY-SA-2.0

Viele Teepflückerinnen sind Tagelöhnerinnen
Bild: © Anja Leidel/CC-BY-SA-2.0

Jayawardena weist ferner darauf hin, dass nahezu die Hälfe der Mädchen, die auf den Plantagen groß werden, vorzeitig die Grundschule verlassen. Die landesweite Schulabbrecherquote liegt bei 15 Prozent. Da viele Pflückerinnen Analphabetinnen sind, werden sie von den Aufklärungskampagnen nur selten erreicht.


Ewiger Kreislauf

"Die Teepflückerinnen sehen für sich keine andere Möglichkeit, als auf den Plantagen zu arbeiten", meint die CSC-Mitarbeiterin. "Die meisten sind bitterarm und das schon von Kindesbeinen an. Es gibt auf den Plantagen weder Spieleinrichtungen für die Kinder noch Büchereien. Soziale Aktivitäten finden nicht statt. Meist heiraten die Frauen jung und gebären früh. Während der nationale Anteil von Teenagerschwangerschaften bei 6,4 Prozent liegt, beträgt er auf den Plantagen zehn Prozent."

"Die Gesundheit der Teepflückerinnen, die mit ihrer Hände Arbeit ihre Familien in einem Sektor ernähren, der die srilankische Wirtschaft antreibt, sollte höchste Priorität haben", meint Mythri Jegathesan, Assistenzprofessorin an der Anthropologischen Fakultät der Santa-Clara-Universität in Kalifornien. "Ihre Tätigkeit ist anstrengend, und viele der srilankischen Teepflückerinnen arbeiten bis zum siebten oder achten Schwangerschaftsmonat. Ihre Arbeit muss anerkannt und ihrem Wohlbefinden größere Aufmerksamkeit geschenkt werden."

Etliche zivilgesellschaftliche und Nichtregierungsorganisationen versuchen zusammen mit der Regierung und dem Privatsektor die Gesundheit dieser Frauen zu verbessern. 'Care International' setzt auf Gemeinschaftsentwicklungsforen (CDFs), um die Lebensbedingungen der Pflückerinnen und ihrer Familien zu verbessern. Die CDFs schaffen Raum und Möglichkeiten einer inklusiven Entwicklung und zielen auf die Verbesserung der Gesundheit und die Integration der Plantagenbevölkerung in die srilankische Gesellschaft. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/09/on-sri-lankas-tea-estates-maternal-health-leaves-a-lot-to-be-desired/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2014