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INTERNATIONAL/022: USA - Armut durch Ölpest, Kritik an BP-Entschädigungszahlungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. April 2011

Umwelt: Armut durch Ölpest - Kritik an BP-Entschädigungszahlungen

Von Dahr Jamail


New Orleans, Louisiana, 27. April (IPS) - Das Erdölunternehmen BP hat den Rechtsanwalt Kenneth Feinberg mit der Verwaltung des Entschädigungsfonds für die Opfer der Ölpest im Golf von Mexiko betraut. Zwar stehen 20 Milliarden US-Dollar bereit, doch bei der Auszahlung kommt es zu zahlreichen Hindernissen, die die Zielgruppen schier verzweifeln lassen.

Cherri Foytlin, Mitbegründerin der Gemeindeorganisation 'Gulf Change' in Louisiana, kennt viele Betroffenen, die durch die Ölkatastrophe alles verloren haben. "Mir sind so viele Menschen begegnet, die an Weihnachten nichts als rote Bohnen und Reis zu essen hatten, während die Kanzlei dieses Mannes jeden Monat 850.000 Dollar einstreicht. Ich sah, wie Menschen Feinberg auf Knien um Hilfe anflehten. Ich habe keine Ahnung, wie er nachts ruhig schlafen kann."

Feinbergs Firma erhält von BP pro Monat knapp eine Million Dollar, um den Entschädigungsfonds des Unternehmens zu verwalten. Laut BP sollen die Fondsgelder dazu verwendet werden, "die Dinge für die Menschen wieder in Ordnung zu bringen", die durch das Monate lange Desaster ihre Existenzgrundlage verloren haben. Ausgelöst worden war die Katastrophe durch eine Explosion, die die BP-Bohrinsel 'Deepwater Horizon' am 20. April 2010 zum Sinken brachte.

Rudy Toler aus Gulfport, Mississippi, ist Fischer in der vierten Generation und hatte bei der von Feinberg verwalteten 'Gulf Coast Claims Facility' (GCCF) Belegmaterial über 62 Seiten eingereicht. Seine Forderung wurde am 4. Dezember abgelehnt, "genauso wie die von 100.000 weiteren Personen", wie er kritisierte.

GCCF, das auch die Kosten für Aufräum- und Sanierungsarbeiten tragen soll, hat fast eine halbe Million Forderungen erhalten und etwa 3,6 Milliarden Dollar an rund 175.000 Geschädigte ausgezahlt. Das entspricht circa einem Drittel der Personen, die im letzten halben Jahr Ansprüche geltend machten.


Abfindungen bescheiden

Beim Großteil der erfüllten Forderungen handelt es sich um zeitlich befristete Nothilfezahlungen. Der durchschnittliche Betrag liegt bei etwa 16.000 Dollar pro Antragssteller. Das US-Gesundheitsministerium gibt die Armutsgrenze für eine dreiköpfige Familie hingegen mit 18.310 Dollar im Jahr an.

Angesichts der wachsenden Probleme durch eine um sich greifende Gesundheitskrise sowie der Einbrüche in der Fischerei- und Tourismusbranche halten viele die Beträge für unzureichend.

Feinberg räumte inzwischen zwar Fehler bei der Bearbeitung der Anträge ein, begründete die vielen Absagen jedoch mit dem Fehlen von Belegen. "Ich bin bemüht, das Richtige zu tun", sagte Feinberg. "Dies ist ein gewaltiger Job von beispielloser Tragweite. Bei uns gehen abertausende von Anträgen ein, doch wir arbeiten uns durch, und das Geld wird ausgezahlt."

Zu einem früheren Zeitpunkt des Jahres hatte Feinberg bei einem Besuch am Golf von Mexiko erklärt: "Ich werde alles tun, damit die Entschädigungen ausgezahlt werden." Doch viele Anwohner und Fischer sehen das völlig anders.


Interessenkonflikt?

Nach Ansicht von Brian Donovan, ein Anwalt der 'Donovan Law Group' aus Tampa in Florida, tut Feinberg genau das, wofür ihn BP bezahlt. "Feinberg ist Jurist, der die Interessen von BP wahrnimmt. Es wäre naiv, etwas anderes anzunehmen. Als Verteidiger macht er für BP einen großartigen Job. Der Standpunkt des Konzerns ist 'Finden Sie sich ab oder verklagen Sie uns'."

Wie Donovan unterstreicht, geht es GCCF und Feinberg darum, die Belastung für BP durch eine systematische Verzögerung, Kürzung oder Ablehnung von Forderungen zu begrenzen. "Den Opfern der Ölpest muss klar sein, dass der so genannte Verwalter Feinberg nichts anderes ist als ein Anwalt, der darauf bedacht ist, im Interesse seines Klienten zu handeln."

Bei einer Versammlung am 10. Januar in Grand Isle, Louisiana, überreichte die Anwohnerin Karen Hopkins Feinberg eine Petition, in der sie seinen Rücktritt forderte. Hopkins ist der Meinung, dass der BP-Anwalt die Menschen dazu drängt, die kleineren Sofortzahlungen anzunehmen, anstatt einen Prozess anzustreben, um sich eine angemessene Entschädigung zu erkämpfen.


Auch die Kläger fahren auf

Der Anwalt Stuart Smith aus New Orleans hat mit Anwälten aus Texas, Louisiana, Mississippi, Alabama, Florida und Pennsylvania eine Arbeitsgruppe gebildet, um die Forderungen derer einzuklagen, die von dem BP-Unglück betroffen sind. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen 'Sacks and Westin' ist es seiner Firma 'Smith Stag LLC' gelungen, etliche größere Ölfirmen in die Knie zu zwingen. Im Auftrag seiner zahlreichen Klienten hat Smiths Team ebenso wie die 'Donovan Law Group' Klage gegen BP erhoben.

Auch die ebenfalls an der Golfküste beheimatete Anwaltskanzlei 'Brent Coon and Associates' (BCA) befindet sich mitten im Prozess gegen BP. Nach einer Explosion in der BP-Raffinerie in der Stadt Texas im Jahre 2005, bei der 15 Menschen ums Leben kamen, hatte BCA einen erfolgreichen Prozess gegen BP an. Seitdem gilt die Kanzlei als eine der weltweit führenden Experten für BP.

Da bei der Explosion der Bohranlage 'Deepwater Horizon' elf Arbeiter starben, wird BP auch der fahrlässigen Tötung beschuldigt und sieht sich mit einer weiteren Prozesslawine konfrontiert. (Ende/IPS/jb/2011)


Links:
http://www.gulfcoastclaimsfacility.com/
http://www.ipsnews.net/print.asp?idnews=55287

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. April 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2011