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INTERNATIONAL/144: Bedroht und ausgenutzt - philippinische Arbeitsmigranten in den USA wehren sich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. März 2013

USA: Bedroht, eingeschüchtert, ausgenutzt - Philippinische Arbeitsmigranten wehren sich

von George Gao und Joe Hitchon



New York/Washington, 22. März (IPS) - Eine Flut von Rechtsstreitigkeiten im US-Bundesstaat Louisiana hat ein Schlaglicht auf unfaire Einstellungs- und Arbeitspraktiken in mehreren US-Firmen geworfen, die philippinische Gastarbeiter beschäftigen.

Am 18. März sprach ein Bundesrichter 347 Filipinos insgesamt fast 4,5 Millionen US-Dollar zu, nachdem festgestellt worden war, dass ein Unternehmen in Los Angeles sie unter sklavenähnlichen Bedingungen als Lehrer an staatliche Schulen in Louisiana geschickt hatte.

Etwa zur gleichen Zeit berichteten mehr als 100 Philippiner, die in einer Werft in New Orleans beschäftigt waren, über Diskriminierung, Drohungen und Übergriffe durch ihre Arbeitsvermittler und Arbeitgeber. Sie haben sich inzwischen einer Sammelklage angeschlossen.

'Grand Isle Shipyard' (GIS) setzte die Gastarbeiter auf einer Erdölplattform des US-Unternehmens 'Black Elk Energy' ein. Überprüfungen durch die Bundesbehörden ergaben mehr als 300 "Vorfälle aufgrund nicht eingehaltener Sicherheitsvorschriften" auf dem Meer seit 2010.

Die Probleme des Betriebs nahmen zu, nachdem es im November zu einer Explosion auf einer Bohrplattform im Golf von Mexiko gekommen war, bei der drei Philippiner starben und drei weitere schwer verletzt wurden. Dieser Unfall rückte das Vorgehen von US-Firmen bei der Anwerbung von Gastarbeitern für gefährliche Jobs und die damit verbundene Ausbeutung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Nach Angaben von 'Bayan USA', einem Bündnis aus in den USA ansässigen philippinischen Organisationen, binden die US-Gastarbeiterprogramme Beschäftigte an einen einzigen Arbeitgeber und liefern sie damit der Ausbeutung aus. Die Beschwerden gegen Grand Isle Shipyard reichen von Lohndiebstahl, unrechtmäßigen Abzügen und Entziehung von Steuerrückzahlungen bis hin zu Missbrauch von Arbeitskräften, Diskriminierung und unsicheren Arbeitsbedingungen.


70-Stunden-Woche

"Die größte Gefahr besteht darin, dass die Arbeiter zu wenig schlafen", sagte Josef Calugay von der Organisation 'Katarungan'. Das extrem hohe Arbeitspensum werde US-Bürgern nicht zugemutet. "Manchmal müssen Gastarbeiter zwei Wochen lang 70 Stunden pro Woche arbeiten".

Wie Bayan erklärt, werden philippinische Schweißer, Rohrleger und Gerüstbauer unter "betrügerischen" Vertragsbedingungen vermittelt. Den Männern verspreche man eine gute Bezahlung und sichere Arbeitsbedingungen. Doch dann mussten viele auf Ölplattformen gefährliche Arbeiten verrichten.

Bereits vor der Explosion hatten sich frühere GIS-Arbeiter auf ein Gerichtsverfahren vorbereitet. "Und dann ging auf einmal alles sehr schnell", sagte Calugay. "Auch andere ehemalige Kollegen fassten den Mut, gegen die Firma auszusagen."

Die Medien recherchierten die Arbeitsbedingungen auf den Ölplattformen. Ein lokaler Fernsehreporter interviewte Zeugen, die über die Ausbeutung der Beschäftigten sprachen und ein komplexes Netzwerk von privaten Vertragspartnern von GIS offenlegten.

Kritik üben die Philippiner aber auch an der eigenen Regierung. Den offiziellen Angaben zufolge werden täglich 4.500 Staatsbürger zum Arbeiten ins Ausland geschickt. Ihre Geldüberweisungen stützen die Wirtschaft des südostasiatischen Landes.

"Die Regierung scheint die Arbeiter ohne Schutzmaßnahmen ins Ausland zu schicken", meinte Calugay. "Dabei ist der Export von Arbeitskräften nach wie vor einer der Pfeiler der philippinischen Entwicklung." Wie er monierte, werden Menschen in andere Länder verschoben, anstatt dass die Armut oder der Mangel an Arbeitsplätzen im Inland behoben wird.


Zusammenarbeit mit korrupten philippinischen Behörden

Jackelyn Mariano, die stellvertretende Generalsekretärin von Bayan USA, sieht die Notlage der Arbeiter als Teil eines größeren Problems. "Das ausbeuterische Einwanderungssystem der USA arbeitet Hand in Hand mit den korrupten Behörden auf den Philippinen, um einen ständigen Zustrom von billigen Gastarbeitern auf Zeit zu garantieren", erklärte sie.

Die Einstellung von ausländischen Arbeitskräften ist in den USA kaum reglementiert. Viele Arbeiter haben sich erheblich verschulden müssen, um die angebotenen Jobs annehmen zu können. Aufgrund der Bestimmungen in den USA dürfen sie nur für denjenigen Arbeitgeber tätig sein, der für ihre Visa bezahlt hat.

"Sie haben kaum eine andere Wahl, als bei diesen Firmen zu bleiben, auch wenn sie nicht gut entlohnt werden oder unter riskanten Bedingungen arbeiten müssen", sagte Jim Knoepp vom 'Immigrant Justice Project' im 'Southern Poverty Law Centre' in Montgomery, Louisiana.

Anfang Februar wurden mehrere ehemalige Gastarbeiter bei GIS als Opfer von Menschenhandel anerkannt und erhielten ein so genanntes 'T-Visum', ein Visum für Opfer des Menschenhandels, mit dem sie legal bis zu vier Jahre in den USA bleiben dürfen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://bayanusa.org/
http://www.wwltv.com/pipeline-to-the-platform/Eyewitness-Investigates-Pipeline-to-the-Platform.html
http://www.splcenter.org/
http://www.ipsnews.net/2013/03/filipino-workers-urge-overhaul-of-u-s-guest-worker-policies/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2013