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INTERNATIONAL/193: Afrika - Zahl der Slumbewohner nimmt weiter zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Mai 2015

Afrika: Zahl der Slumbewohner nimmt weiter zu

von Jeffrey Moyo


Bild: © Colin Crowley/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Ein Slum in Kenia
Bild: © Colin Crowley/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

HARARE (IPS) - Jedes Mal, wenn Nompumelelo Tshabalala über die Schwelle ihrer Wellblechbehausung im Township Diepkloof im südafrikanischen Johannesburg tritt, muss sie den Kopf einziehen, um sich nicht am Türrahmen zu stoßen. "Seit 16 Jahren lebe ich hier", berichtet die Witwe, die mit ihren vier Kindern auf engsten Raum zusammenlebt.

Das Wort 'Township' ist ein Euphemismus für 'Slum'. In Südafrika leben nach Angaben des UN-Programms für menschliches Siedlungswesen (UN-Habitat) 15 Millionen der 52 Millionen Einwohner zählenden Bevölkerung in solchen Armensiedlungen. Im benachbarten Simbabwe sind es 835.000 Menschen, wie 'Homeless International', eine auf städtische Armut fokussierte Hilfsorganisation, berichtet.

"Hier in Afrika ist das Wohnen in Slums eine Normalität, mit der man leben muss", meint Gilbert Nyaningwe, ein unabhängiger Entwicklungsexperte aus Simbabwe. Zahlreiche Faktoren wie Korruption und wirtschaftliche Ungleichheit im Zuge der sich spreizenden Schere zwischen Arm und Reich sorgten dafür, dass sich daran auch nichts ändern werde.

Laut UN-Habitat leben 570 Millionen der 1,1 Milliarden Afrikaner in Armensiedlungen, darunter 61,7 Prozent der städtischen Bevölkerung. Weltweit gibt es 863 Millionen Slumbewohner. Aufgrund der zunehmenden Verstädterung wird die Zahl weiter steigen. Bis 2020 wird mit 889 Millionen gerechnet.

Ein Unterziel der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) zur Armutsbekämpfung sieht vor, das Leben von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern bis 2020 signifikant zu verbessern. In Ägypten, Libyen und Marokko konnte es bereits vor Ablauf der Frist erreicht werden. In den drei Ländern konnte die Gesamtzahl der städtischen Slumbewohner fast halbiert, in einem weiteren Land, in Tunesien, sogar auf null zurückgefahren werden. Ghana, der Senegal und Uganda können ebenso Erfolge vorweisen. Sie verringerten die Zahl der Slumbevölkerung um bis zu 20 Prozent.


Die meisten Slumbewohner südlich der Sahara

Die geringsten Erfolge sind Subsahara-Afrika beschieden, das von allen größeren Weltregionen die höchste Zahl von Slumbewohnern verzeichnet. Dort leben Millionen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Neben der viel zu hohen Bevölkerungsdichte leiden die Menschen unter den Folgen des eingeschränkten oder gar nicht vorhandenen Zugangs zu Wasser und Sanitärversorgung.

Hector Mutharika, ein ehemaliger Wirtschaftsberater des verstorbenen malawischen Präsidenten Kamuzu Banda, macht für die wachsende Zahl von Slumbewohnern vor allem die Behörden verantwortlich. Anstatt die öffentlichen Mittel in den Aufbau der entsprechenden Strukturen zu investieren, wirtschafteten die zuständigen Behördenvertreter häufig in die eigenen Taschen, erklärte er gegenüber IPS.

Nach Ansicht des ruandischen Sozialaktivisten Otapiya Gundurama geht das Slumproblem auf die Kolonialzeit zurück, die einzig das Wohlergehen einer kleinen Minderheit im Blick gehabt habe. Oppositionsführer der Region wiederum geben den Regierungen die Schuld an den ausufernden Armenvierteln. "Die ständige Ausweitung der Slumgebiete in Afrika bezeugen das fortgesetzte Versäumnis der Regierungen, in städtische und ländliche Strukturen zu investieren", meint etwa Gilbert Dzikiti, Vorsitzender der simbabwischen Oppositionspartei DARE ('Democratic Assembly for Restoration and Empowerment').

Für Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft ist die Arbeitslosigkeit das größte Hindernis, um die Zahl der Slumbewohner zu senken. "Ob in den Städten oder ländlichen Gebieten - sie verhindert, dass Menschen die Mittel haben, um ihr Umfeld zu verbessern", meint Precious Shumba, Leiter des 'Harare Residents Trust' in Simbabwe.

Der Trend der 'Verslummung' könne nur durch die Bereitstellung von Arbeitsplätzen in Städten und Dörfern aufgehalten werden. Gerade Jobs in den ländlichen Gebieten seien wichtig, um die Landflucht und somit den Zuzug von ländlichen Armen in die städtischen Slums zu verhindern, betont Shumba.

Die Slumbewohnerin Tshabalala hält das Problem für politisch gewollt. "Slums sorgen für den Nachschub an billigen Arbeitskräften, der die Räder der Industrie am Laufen hält", sagt sie. "Da die Behörden an den Unternehmen verdienen, die uns ausbeuten, scheren sie sich nicht darum, wie es uns geht."


Elend in den Slums strahlt auf MDGs aus

Die zunehmende Zahl der Slumbewohner hat auch negative Folgen für das Bildungs-MDG, allen Kindern bis Ende 2015 eine Grundschulbildung zu ermöglichen. In vielen Armenvierteln fehlt es an Schulen, berichtet ein simbabwischer Bildungsbeamter, der sich Anonymität ausbat.

Slums sind zudem Infektionsherde. "Es fehlt oft an sauberem Wasser, was den Ausbruch von Krankheiten begünstigt", meint Owen Dliwayo vom 'Youth Dialogue Action Network', einer Jugendorganisation. Und dann fehle es an Krankenhäusern, um etwa HIV/Aids-Infizierten die Hilfe und Informationen zukommen zu lassen, die sie benötigten, um zu überleben und andere vor einer Ansteckung zu schützen. (Ende/IPS/kb/29.05.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/05/slum-dwelling-still-a-continental-trend-in-africa/

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IPS-Tagesdienst vom 29. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2015

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