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KIND/218: Studie über Kinderarbeit in Brasilien - Fast ein Fünftel der Kinder erwerbstätig (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Brasilien

Studie über Kinderarbeit - Fast ein Fünftel der Kinder erwerbstätig



Ein mit einem großen Plastiksack schwerbeladener Junge stapft über ein matschiges Gelänge - Bild: Marcello Casal Jr./Agência Brasil, CC BY 2.5 BR, https://creativecommons.org/licenses/by/2.5/br/deed.en, via Wikimedia Commons

Bild: Marcello Casal Jr./Agência Brasil, CC BY 2.5 BR
https://creativecommons.org/licenses/by/2.5/br/deed.en, via Wikimedia Commons

Über 5,6 Millionen Kinder in Brasilien arbeiten, so eine neue Untersuchung - fast 700.000 von ihnen im Kakaoanbau.

(Montevideo, 13. April 2022, la diaria/poonal) - Laut einer gemeinsamen Untersuchung der Universitäten von Zürich und Pennsylvania ist der Anteil an erwerbstätigen Kindern in Brasilien deutlich höher als bisher angenommen. Die Zahl der arbeitenden Kinder zwischen sieben und 14 Jahren sei etwa sieben Mal höher als offizielle Statistiken angegeben hatten.

Offizielle Daten des World Development Indicators (WDI), einer Datenbank der Weltbank, zeigten noch im Jahr 2015, dass 2,5 Prozent der brasilianischen Kinder erwerbstätig seien, dies entspreche etwa 738.600 Kindern. Die nun von den Professoren Lichand und Wolf durchgeführte Studie zeigt, dass diese Zahl deutlich höher ist: 5.650.000 Kinder und demnach ein Anteil von 19,15 Prozent sei erwerbstätig, wie die Tageszeitung Folha de São Paulo die Studie zitiert.


Eltern machen häufig falsche Angaben

Der Grund für den großen Unterschied in den Statistiken: Die Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) basieren auf Umfragen, die in zahlreichen Ländern durchgeführt werden. "Diese Umfragen folgen einer Methodik, bei der zuerst die Eltern gefragt werden, ob ihre Kinder arbeiten. Wenn die Eltern lügen - etwa aus Angst vor einer Strafe, aus Scham oder aus anderen Motiven - zeigen die Statistiken am Ende eine deutlich kleinere Zahl", so der brasilianische Wissenschaftler Guilherme Lichand, der an der Universität Zürich forscht.

Die Parameter, die die Forschenden nutzen, um Kinderarbeit zu definieren, folgen den Richtlinien internationaler Organisationen wie UNICEF und wurden gemeinsam mit Schulkindern entwickelt. "Wenn ein Kind jünger als 12 Jahre alt ist, arbeitet - egal wie viele Stunden - und dafür eine Entschädigung bekommt, dann sprechen wir bereits von Kinderarbeit. Wenn das Kind zwischen 12 und 14 Jahren alt ist, spricht man ab 14 Wochenstunden von Kinderarbeit, wenn es sich nicht um gefährliche Beschäftigungen handelt. Ab 15 Jahren gilt die Schwelle von 41 Wochenstunden", erklärte die Wissenschaftlerin Sharon Wolf von der Universität Pennsylvania.


Viele Kinder im Kakaoanbau tätig

Laut der Studie führt die Tatsache, dass Kinder direkt nach ihrer Erwerbstätigkeit gefragt werden, zu einer deutlich genaueren Quote, als wenn den Eltern die gleiche Frage gestellt wird. Dieser Unterschied wurde auch in der Befragung von Kindern und Eltern deutlich, die im Kakaoanbau im ländlichen Gebiet der Costa de Marfil tätig sind. Eine Nichtregierungsorganisation hatte dort Untersuchungen durchgeführt.

"Es geht hier nicht darum, den Eltern ab und zu im Haushalt zu helfen. Es geht um bezahlte Kinderarbeit. Wenn Präsident Jair Bolsonaro zum Beispiel sagt, es sei gut, dass die Kinder arbeiten: Von welcher Arbeit spricht er da? Seine Definition ist unklar, das bremst die Debatte aus", so die Forscherin Wolf.

Der Bereich des Kakaoanbaus wurde in Brasilien zur weiteren Untersuchung und Datensammlung ausgewählt, weil es dort historisch einen hohen Anteil von Kinderarbeit gibt. Die ILO hatte im Jahr 2018 deshalb die Organisation Papel Social beauftragt, die Aktivitäten im Inneren des Landes zu untersuchen. "Etwa 700.000 Kinder und Jugendliche arbeiten in der Produktionskette von Kakao, vor allem in den Bundesstaaten Bahía und Pará. Es ist das gleiche Phänomen wie beim Palmöl, bei Tabak oder bei Gips", erklärte Marques Casara, Geschäftsführer von Papel Social.


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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 21. Mai 2022

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