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KRIMINALITÄT/060: Karibik - Hohe Kriminalität durch soziale Ungleichheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Februar 2012

Karibik: Hohe Kriminalität durch soziale Ungleichheit - UNDP legt Regionalbericht vor

von Peter Richards


Port-of-Spain, 10. Februar (IPS) - Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) hat erstmals einen Bericht über die menschliche Entwicklung in der Karibik vorgelegt. Das Fazit: Die fortgesetzte Gewalt und hohe Jugendkriminalität in der Region sind vor allem die Folge einer großen sozialen Ungleichheit, die es dringend zu bekämpfen gilt.

Wie aus dem Report 'Human Development and the Shift to Better Citizen Security 2012' hervorgeht, ist die Zahl der Morde einschließlich der Gewalt zwischen Banden in allen karibischen Staaten mit Ausnahme von Barbados und Surinam im Verlauf der vergangenen zwölf Jahre erheblich angestiegen.

Mit etwa 60 Morden pro 100.000 Einwohner nahm Jamaika inzwischen den dritten Platz der gewalttätigsten Länder weltweit ein. Übertroffen wird der Inselstaat nur noch von den beiden zentralamerikanischen Ländern Honduras und El Salvador mit jeweils 82 und 66 Morden pro 100.000, heißt es in der Untersuchung, die sich auf Datenmaterial des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung stützt. In Trinidad und Tobago hat sich die Mordrate demnach innerhalb eines Jahrzehnts auf rund 40 pro 100.000 verfünffacht, bevor sie 2010 auf 36 pro 100.000 absank.


"Teufelskreis aus Unterentwicklung und Unsicherheit"

Die anhaltende Gewalt in den Karibikstaaten hat nicht nur einen hohen menschlichen Preis, sondern gefährdet auch die sozioökonomische Entwicklung der Region, warnte Neuseelands frühere Ministerpräsidentin Helen Clark. "Sie schafft einen Teufelskreis aus Unterentwicklung und Unsicherheit."

Clark ist die erste Frau an der Spitze des UNDP, das in seinem Bericht über die menschliche Entwicklung in der Karibik die Lage in der Region sowie die bereits ergriffenen Strategien zur Verbrechensbekämpfung in Antigua und Barbuda, Barbados, Guyana, Jamaika, St. Lucia, Surinam sowie Trinidad und Tobago vorstellt.

Schätzungen der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) zufolge hat die Bandenkriminalität das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Mitglieder des Staatenbundes um 2,8 bis vier Prozent geschmälert. Allein in Jamaika führt die Gewaltkriminalität zu Verlusten von jährlich rund 530 Millionen US-Dollar.

Zur Vorbereitung des Berichts führte ein Team aus Wissenschaftlern unter Leitung von Anthony Harriott, Direktor des Instituts für Strafjustiz an der 'University of the West Indies' (UWI) in Jamaika, Umfragen unter 11.555 Personen in sieben Ländern durch. Außerdem wurden 450 Experten zu Rate gezogen und offizielle Statistiken berücksichtigt.

Die erhöhten Verbrechensraten in der Karibik wiesen auf die große soziale Ungleichheit in der Gesellschaft hin. Große Teile der Bevölkerung hätten nur eingeschränkte Optionen, geht aus der Untersuchung hervor. "Kriminalität kann daher zu Recht als tiefgreifendes Entwicklungsproblem betrachtet werden." Dagegen müssten Maßnahmen ergriffen werden, die den Zusammenhang zwischen menschlicher Entwicklung, Menschenrechten und Bürgersicherheit berücksichtigten.


Verbrechen vorbeugen, Institutionen stärken

Die Experten gehen trotz der hohen Mordraten davon aus, dass die Regierungen das Ruder doch noch herumreißen könnten, wenn sie die staatlichen Institutionen zur Verbrechens- und Gewaltbekämpfung stärken und Gewalt vorbeugende Maßnahmen ergreifen würden. Der UNDP-Bericht empfiehlt zudem, der Bildung von Straßenbanden und organisierter Kriminalität präventiv entgegenzuwirken, die Gangs stärker zu kontrollieren sowie das Polizei- und Justizsystem zu reformieren.

Der kürzlich ernannte UNDP-Direktor für Lateinamerika und die Karibik, Heraldo Muñoz, wies darauf hin, dass in der gesamten Region nur 8,5 Prozent der Weltbevölkerung leben, aber etwa 27 Prozent aller Morde begangen werden.

"Die Menschen verlieren ihr Leben und ihr Einkommen. Produktivität, Investitionen und Konsum verschlechtern sich und das soziale Kapital schwindet", erklärte Muñoz. Auch das Überleben der Demokratie sei unter diesen Umständen gefährdet. "Lateinamerika und die Karibik sind die Region mit der weltweit höchsten Gewaltrate", resümierte er.

Die Regierungschefin von Trinidad und Tobago, Kamla Persad Bissessar, sieht in der regionalen Ausrichtung des Reports eine "einmalige und wesentliche Chance" für die CARICOM-Staaten, gemeinsam auf eine Lösung des Problems hinzuarbeiten. Man müsse eine neue Sicherheitsstrategie entwerfen, die den Bürger in den Mittelpunkt stelle. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.beta.undp.org/content/undp/en/home/librarypage/hdr/caribbean-human-development-report-2012-l.html
http://www.caricom.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106697

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Februar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2012