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LEISTUNGEN/448: Zur Ableitung der Kinderregelleistungen in der Grundsicherung (BMAS)


Bundesministerium für Arbeit und Soziales - 28. Juni 2007

Ableitung der Kinderregelleistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist plausibel und sachgerecht

Zur am heutigen Dienstag in Karlsruhe stattfindenden mündlichen Verhandlung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Kinderregelsätze in der Grundsicherung für Arbeitsuchende erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales:


Grundlage der Bestimmung der Regelsätze in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist der Gleichklang von Transferleistungen in diesem System mit den im unteren Einkommensbereich zur Verfügung stehenden Mitteln. Leistungsberechtigte im SGB II werden durch die Regelsatzbemessung so gestellt wie Personen im Niedrigeinkommensbereich, also wie etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung in Deutschland.

Bei der Diskussion über die Höhe der Regelleistung muss zudem beachtet werden: In einem Haushalt, in dem kein Elternteil erwerbstätig ist, beträgt die Armutsrisikoquote der Kinder 48 Prozent. Ist nur ein Elternteil in Vollzeit erwerbstätig, verringert sich die Armutsgefährdung der Kinder auf 8 Prozent. Arbeiten alle im Haushalt lebenden erwachsenen Personen in Vollzeit, so beträgt das Risiko der Kinder, arm zu sein, nur noch 4 Prozent. Daraus leitet sich der zweite Auftrag der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab, der gleichrangig neben der Existenzsicherung steht: Menschen in Arbeit bringen, damit sie sich anerkannt fühlen und ihren Lebensunterhalt sichern können.

Vor diesem Hintergrund erachtet die Bundesregierung die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder als ausreichend. Maßgeblich dafür sind im Kern vier Gründe:

Erstens: Bedarfe lassen sich nicht ausschließlich mathematisch berechnen - sie bedürfen immer auch Wertentscheidungen, die auch in die Festsetzung der heutigen Bedarfe eingeflossen sind. Zu diesen Wertentscheidungen gehört u.a. die Frage, welches von mehreren wissenschaftlich anerkannten Verfahren zur Bedarfsermittlung herangezogen wird. Der Gesetzgeber entschied sich, den Regelbedarf anhand der Verbrauchsausgaben von Einpersonenhaushalten im Niedrigeinkommensbereich zu ermitteln (sog. Statistikmodell). Diese Daten basieren auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Zu den Grundentscheidungen gehört auch die Frage, nach welcher Methode der Regelbedarf von Kindern bestimmt wird. Der Bedarf eines Kindes ist - anders als der alleinlebender Erwachsener - über die Verbrauchsausgaben nur zu ermitteln, indem der familiäre Zusammenhang, in dem die Kinder leben, berücksichtigt wird.

Zweitens: Andere wissenschaftliche Methoden zur Bedarfsermittlung wurden vom Gesetzgeber aufgrund ihrer Schwächen verworfen; so zum Beispiel das Warenkorbmodell und die sog. Differenzmethode, die den Bedarf von einzelnen Personen aus der Differenz der Konsumausgaben von verschieden großen Haushalten ermittelt.

Drittens: Das Fürsorgesystem muss zukunftsoffen ausgestaltet sein. Zur Vielzahl normativ wertender Prozesse bei der Festlegung von Bedarfen gehört auch die Grundentscheidung, wie stark geänderte Wertvorstellungen in der Gesellschaft bei der Bedarfsbemessung berücksichtigt werden sollen. Das bis 1989 geltende Warenkorbsystem führte immer wieder zu Diskussionen, welche Gegenstände in welchem Umfang existenzsichernd zu berücksichtigen sind. Demgegenüber hat das Statistikmodell den Vorteil, dass es sich an den tatsächlichen Verbrauchsgewohnheiten und am Verbrauchsniveau einer vergleichbaren Bevölkerungsgruppe orientiert, nämlich an den Beziehern von geringen Einkommen, die nicht hilfebedürftig sind. In diesen Verbrauchsausgaben finden geänderte Lebensgewohnheiten und Wohlstandsveränderungen unmittelbar ihren Niederschlag.

Das jetzige System ist aber nicht nur in dieser Hinsicht flexibel und lebensnah. Es ist auch offen für eine sukzessive methodische Fortentwicklung. So hat zwar eine Sonderauswertung der EVS 2003 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch das Statistische Bundesamt im Jahr 2008 vom Grundsatz her die Bemessung der Höhe der abgeleiteten Regelsätze für Kinder nach der geltenden Regelsatzverordnung bestätigt. Es zeigte sich aber bei einer stärkeren Altersdifferenzierung, dass sich der Bedarf eines Kindes in der Altersgruppe von 0 bis 5 Jahren erheblich von der Altersgruppe der 6- bis 13-Jährigen unterscheidet. Für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren lag der regelsatzrelevante Verbrauch um 33 Euro höher als der damals geltende Regelsatz. Für Kinder von 0 bis 5 Jahren dagegen um etwa 16 Euro und Kinder ab 14 Jahren um etwa 18 Euro niedriger als bei den damals jeweils geltenden Regelsätzen. Der Gesetzgeber entschied sich daher zum 1. Juli 2009, die dritte Altersstufe für Kinder einzuführen, den Status quo für Kinder 0 bis zu 5 Jahren und ab 14 Jahren jedoch beizubehalten.

Viertens: Das Existenzminimum zu gewährleisten ist Aufgabe des Bundes, aber auch der Länder und der Kommunen. Das Leistungsrecht der Grundsicherung für Arbeitsuchende baut auf diejenigen Leistungen auf, die bereits in anderen Systemen der sozialen Sicherung geregelt sind oder dort geregelt werden müssten. Die existenzsichernde Funktion der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann nicht isoliert vom Umfang und der Existenz anderer Leistungen beurteilt werden kann. Sie ist nicht und kann nicht das Auffangsystem für nicht hinreichend ausgestaltete soziale Sicherungssysteme anderer Ebenen sein.

Eine Langfassung dieser Pressemitteilung und weiteres
Informationsmaterial finden Sie im Internet unter
www.bmas.de.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 101 vom 20. Oktober 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2009