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ORGANISATION/389: Sozialverband beschließt Resolution - Privatisierung stoppen, Sozialstaat stärken (SoVD)


Sozialverband Deutschland - Pressemitteilung vom 10. November 2019

SoVD beschließt Resolution: Privatisierung stoppen - Sozialstaat stärken


Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, den Sozialstaat zu stärken und Privatisierungen zu stoppen. Hierzu hat der Bundesverbandstag des SoVD eine Resolution beschlossen.

"Mit großer Sorge stellt der SoVD fest, dass ungeachtet des Sozialstaatsgebots im Grundgesetz die sozialen Sicherungssysteme und Netze abgebaut und privatisiert werden", sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer auf der Bundesverbandstagung. "Zuzahlungen sowie Eigenbeteiligungen bei der gesundheitlichen Versorgung steigen ebenso wie die Eigenanteile in der Pflege. Zudem sinkt das Rentenniveau beständig. Die Gefahr ist groß, dass dies vielfach zu einer bloßen Grundversorgung bei privater Eigenvorsorge führt", warnte der Verbandspräsident. Und weiter: "Die Angst vor einem jederzeit möglichen sozialen Abstieg, unverschuldet hervorgerufen durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit, verunsichert große Teile der Bevölkerung! Politikverdrossenheit, Rechtspopulismus und der Rückzug ins Private sind die Folge", warnte Bauer.

Die Bundesverbandstagung ist das höchste Gremium des SoVD. Die Delegierten beraten in Berlin, um die Zielrichtung des Verbandes für die nächsten vier Jahre festzulegen. Im Zentrum stehen dabei die sozial-, frauen- und jugendpolitischen Programme.

Der SoVD vertritt die sozialpolitischen Interessen der gesetzlich Rentenversicherten, der gesetzlich Krankenversicherten, der pflegebedürftigen, behinderten und sozial benachteiligten Menschen. Sitz des Verbandes ist seit 2003 Berlin. Rund 600.000 Mitglieder sind momentan in 12 Landesverbänden und bundesweit rund 2.300 Orts- und Kreisverbänden organisiert.

Als Kriegsopferverband 1917 gegründet setzt sich der SoVD seit über 100 Jahren für Solidarität und soziale Gerechtigkeit ein.

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Privatisierung stoppen - Sozialstaat stärken

Resolution der 21. Bundesverbandstagung des SoVD

Mit großer Sorge betrachtet der SoVD, dass ungeachtet des Sozialstaatsgebots im Grundgesetz und der sozialen Gegebenheiten die sozialen Sicherungssysteme und Netze abgebaut und privatisiert wurden und werden.
Auf- und Zuzahlungen sowie Eigenbeteiligungen bei der gesundheitlichen Versorgung steigen ebenso wie die Eigenanteile in der Pflege. Das Rentenniveau sinkt beständig. Die Gefahr ist groß, dass dies vielfach zu einer bloßen Grundversorgung bei privater Eigenvorsorge führt.

Zugleich wird gegen den Grundsatz der solidarischen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme eklatant verstoßen, weil hohe und höchste Einkommen und Vermögen nicht oder nur unzureichend zur Finanzierung herangezogen werden und multinationale Konzerne, die große Gewinne mit Geschäften in Deutschland machen, hier keine angemessenen Steuern zahlen. Soziale Gerechtigkeit beginnt aber nicht erst auf der Ausgabenseite, sondern muss schon an der Einnahmenseite ansetzen.

Der SoVD wird sich nicht damit abfinden, dass Armutsrisiken in Deutschland und insbesondere Kinder- und Altersarmut beständig zunehmen, Millionen Menschen im Niedriglohnsektor und in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und sich die Zahl langzeitarbeitsloser Menschen ohne Chancen auf reguläre Beschäftigung verfestigt.

Der SoVD fordert Bund, Länder und den Gesetzgeber auf, die sozialen Sicherungssysteme und die Elemente des sozialen Ausgleichs zu stabilisieren und auszubauen, die fortschreitende Privatisierung zurückzudrängen und Leistungslöcher in den Systemen der sozialen Absicherung zu schließen.

1. Alle Bürgerinnen und Bürger sind in die öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungssysteme einzubeziehen. Die Alterssicherung muss über eine Erwerbstätigenversicherung und die Absicherung bei Krankheit und Pflege über Bürgerversicherungen erfolgen.

2. Die Mindestsicherungssysteme müssen bedarfsgerecht ausgestaltet werden. Insbesondere bedarf es einer deutlichen Anhebung der Regelbedarfssätze für die Sozialhilfe, Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II) sowie der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung besonderer Bedarfe z.B. behinderter Menschen.

3. Die zunehmend marktähnlich organisierte Kranken- und Pflegeversorgung muss so reguliert werden, dass die begrenzten Mittel zum Wohle der Menschen mit Bedarfen und nicht zur Renditegewinnung insbesondere privater Unternehmen eingesetzt werden.

4. In der Alterssicherung muss die gesetzliche Rentenversicherung wieder alleine den Lebensstandard sichern.

5. In der Krankenversicherung muss zu einem bedarfsdeckenden Leistungskatalog zurückgekehrt werden.

6. Die soziale Pflegeversicherung muss zu einer Vollversicherung ausgebaut werden, die bedarfsdeckend Leistungen zur Verfügung stellt.

7. In der Absicherung bei Arbeitslosigkeit muss das Arbeitslosengeld I wieder die grundsätzliche Leistung bei Arbeitslosigkeit werden, insbesondere indem der Zugang erleichtert und die Dauer des Leistungsbezuges ausgeweitet werden.

8. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben müssen grundsätzlich aus Steuermitteln finanziert werden und dürfen nicht in immer größerem Umfang den Sozialversicherungssystemen aufgebürdet werden.

9. Die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte muss umfassend verbessert werden, indem auch hohe und höchste Einkommen und Vermögen sowie alle in Deutschland wirtschaftenden Unternehmen zu angemessenen Steuerzahlungen herangezogen werden.

Der im Grundgesetz verankerte Sozialstaat und eine verlässliche soziale Sicherung sind Garanten sozialer Stabilität und des inneren Friedens. Wachsende soziale Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Gegensätze führen dagegen zu Politikund Staatsverdrossenheit, Fremdenfeindlichkeit und Kriminalität. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse zur Bundestagswahl 2017 sind die Anzeichen unübersehbar, dass sich der gesellschaftliche Zusammenhalt auflöst.

Vor diesem Hintergrund kommt es heute darauf an, die sozialen Sicherungssysteme und die Elemente des sozialen Ausgleichs zu stabilisieren und auszubauen und die fortschreitende Privatisierung der Daseinsvorsorge und zentraler Lebensrisiken zu beenden und umzukehren.

Berlin, im November 2019

Die 21. Bundesverbandstagung des SoVD


Die Resolution ist als PDF-Datei zu finden unter:
https://www.sovd.de/fileadmin/downloads/Resolution_BVT_2019.pdf

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Quelle:
Sozialverband Deutschland e.V.
Pressemitteilung Nr. 42/2019 vom 10. November 2018
Sozialverband Deutschland, Pressestelle
Stralauer Straße 63, 10179 Berlin
Telefon: 030 72 62 22-129 | -140, Fax: 030 72 62 22-328
E-Mail: pressestelle@sovd.de
Internet: www.sovd.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2019

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