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REDE/048: Von der Leyen - Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 17.06.10 (BPA)


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Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 2010 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Der Weg hin zu der Gesetzesvorlage, die wir jetzt beschließen werden, war nicht einfach. Er war steinig und schwierig. Diese wichtige Reform stand mehr als einmal auf der Kippe. Alle in diesem Raum wissen, dass die Schwarzmaler unter uns so manches Mal Konjunktur gehabt haben. Ich freue mich umso mehr, dass wir nach zweieinhalb Jahren fruchtloser Streitereien und dann einigen Monaten sehr konstruktiver Arbeit jetzt eine sehr moderne und gute Lösung und vor allen Dingen eine Lösung im Sinne der Menschen, vor allem der Arbeitslosen, gefunden haben.

Ich freue mich nicht nur, dass es gelungen ist, eine Lösung über die Grenzen des Föderalismus hinweg, also für Bund, Länder und Kommunen als Einheit, zu finden, sondern ich freue mich auch, dass wir jetzt trotz aller Hakeleien über die Parteigrenzen hinweg eine gute Reform auf den Weg bringen. Das zeigt einmal mehr, dass unsere Demokratie intakt ist - und das ist in diesen schwierigen Zeiten viel wert. Es gibt ein schönes Wort von Victor Hugo. Er hat gesagt:

"Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist."

Ein großes Wort. Aber wir können es vielleicht auch für diese große Jobcenterreform anwenden. Denn die Idee, die dahinter stand, war: Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, bei der Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit vor Ort Gestaltungsspielraum zu haben, die Hilfen schnell, effizient und passgenau anzubieten und aus einem Bündel von Maßnahmen das Richtige wählen zu können. Wir hatten aber auch die Grundfrage zu lösen: Wie kann man es, wenn vonseiten des Bundes Milliarden investiert werden, so steuern, dass das Geld effizient eingesetzt ist? Ich glaube, hier ist uns etwas Außergewöhnliches gelungen: einerseits ein hohes Maß an Freiheit und Gestaltungsspielraum in den Jobcentern, andererseits eine ganz moderne Steuerung nach Zielen mit Vergleichbarkeit der Daten, der Erfolge. Das zeigt, dass wir bei der Modernität ein großes Stück vorangekommen sind.

Erstens. Wir wollen einerseits Leistung aus einer Hand. Es war eine viel diskutierte Frage, ob das gelingt, unabhängig davon, ob vor Ort die Kommune oder die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist oder beide zusammenarbeiten.

Zweitens. Wir haben es mit einer modernen Zielsteuerung und Transparenz bei den Erfolgsmessungen geschafft, dass die Mittel so wirkungsvoll wie möglich eingesetzt werden. Nicht die Masse der Mittel macht es, sondern die Qualität der eingesetzten Mittel ist entscheidend.

Drittens. Wir haben einen guten Weg gefunden und sagen: Eine schnelle, passgenaue Vermittlung sorgt dafür, dass die Fähigkeiten von Arbeitslosen zum Tragen gebracht werden, dass die Arbeitslosen so gefördert werden, dass sie diese Fähigkeiten auch einsetzen können. Das ist vor allem im Sinne der Menschen, die unsere Hilfe brauchen.

Das Ziel "Alle Leistungen aus einer Hand" ist in diesen schwierigen Zeiten erfüllt: Uns war wichtig, eine Hand auszustrecken, damit die Mittel nicht für Unwirksames verschwendet werden und sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern nicht im Wirrwarr der Instrumente verheddern. Wir wollten vielmehr eine Hand, die im richtigen Moment den Gestaltungsspielraum hat, um die richtige Hilfe für die einzelne Person zu finden. Das ist hier heute gelungen.

Mir ist nicht wichtig - das will ich vonseiten des Bundes sagen -, in welcher Konstellation vor Ort gearbeitet wird, ob in einem Jobcenter in einer Optionskommune oder in einer gemeinsamen Verwaltung von Bundesagentur für Arbeit und kommunaler Verwaltung. Das Entscheidende ist, dass die Leistung vor Ort nicht mehr vom Zufall abhängt - ob da engagierte Menschen arbeiten oder nicht -, sondern dass wir überall in Deutschland gleich hohe, qualitativ hochwertige Maßstäbe anlegen, sodass wir überall in Deutschland auf Knopfdruck vergleichen können: Wie sind die Erfolge? Wie setzt sich das Jobcenter ein? Wie setzt es seine Möglichkeiten ein? Das schafft Wettbewerb, vor allem aber die Möglichkeit, von den Besten zu lernen. So geht Fortschritt; nur so werden wir besser.

Ich weiß, dass es Diskussionen über das Ausmaß der Mittel gegeben hat, die eingesetzt werden. Aber gerade angesichts der Spardiskussionen ist es wichtig, festzuhalten: In diesem Land wird inzwischen jeder fünfte Euro für die Schuldentilgung ausgegeben. In diesem Land wird im Bundeshaushalt inzwischen jeder vierte Euro kreditfinanziert ausgegeben. Wir sind also in einer Zeit, in der wir konsolidieren müssen.

Wir sind in einer Zeit, in der wir uns, wenn wir nicht wie Spanien, Portugal oder Griechenland an unseren eigenen Schulden ersticken wollen, der schmerzhaften Anstrengung unterziehen müssen, zu schauen: Welche Aufgaben sind sinnvoll? Man muss die Maßnahmen auf den Prüfstand stellen und die weniger wirksamen streichen. Das ist in den letzten Tagen geschehen.

Ich weiß, dass es hier viel Diskussionsbedarf gibt; aber keinem einzigen Arbeitslosen in diesem Land ist geholfen, wenn dieses Land an seinen Schulden erstickt, wenn wir durch die Verschuldungsspirale, die immer weiter angetrieben wird, in einer Inflation landen - Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal erleben das jetzt. Wenn der Sozialstaat in sich zusammenbricht, dann müssten das auf bittere Weise die Menschen ausbaden, die eigentlich die Hilfe des Sozialstaates bräuchten.

Der Sozialetat nimmt 55 Prozent des Bundeshaushalts ein. In den nächsten vier Jahren schaffen wir es, zu konsolidieren, indem ein Anteil von drei Prozent des Sozialetats eingespart wird. Das ist meines Erachtens eine Leistung, die deutlich macht: Dieser Sozialstaat steht auf festen Füßen. Wir wollen, dass das auch in Zukunft so ist. Deshalb sind diese Schritte für die Zukunft richtig.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 69-1 vom 17.06.2010
Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales,
Dr. Ursula von der Leyen, zum Entwurf eines Gesetzes zur
Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende
vor dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2010