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RENTE/575: Härtefallregelung für Altenteiler (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Härtefallregelung für Altenteiler
Hofabgabeklausel bleibt weiter bestehen

von Christiane Hinck


Mit 65 bzw. demnächst mit 67 Jahren hört man auf zu arbeiten und bekommt seine Rente. Jedenfalls wenn man als Angestellter gearbeitet hat. Bauern bekommen ihre Rente nicht automatisch mit dem Eintritt ins Regelrentenalter. Von ihren Beitragszahlungen sehen sie erst etwas, wenn sie ihre Flächen an einen Nachfolger abgegeben, verkauft oder verpachtet haben. Verantwortlich dafür ist die Hofabgabeklausel im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte. Die Rente war bei Einführung der Klausel 1957 als eine Art Taschengeld gedacht - die Altenteiler blieben bei ihren Kindern auf dem Hof und wurden dort versorgt. Während andere Freiberufler, wie Handwerker, selbstständig für ihre Altersversorgung verantwortlich sind, werden Bauern und deren Ehegatten gezwungen, in die landwirtschaftliche Alterskasse einzuzahlen. Heinrich Eickmann aus Leopoldshöhe vom Arbeitskreis für die Abschaffung der Hofabgabeklausel sieht darin einen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes und der EU-Menschenrechtscharta. Derzeit klagen mehrere Landwirte vor verschiedenen Sozialgerichten gegen die Hofabgabeklausel, vertreten durch die Münsteraner Kanzlei Meisterernst. Notfalls wollen die Bauern bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.


Weiterer Strukturwandel gewollt

Aus der Hofabgabeklausel erwachsen für Landwirte verschiedenartige Probleme. Oft gibt es keinen unmittelbaren Hofnachfolger, so dass die Flächen an umliegende Höfe verkauft oder verpachtet werden müssen. Der Betrieb in seiner bestehenden Struktur wird dadurch zerschlagen. Gleichzeitig führt dies zu immer größeren Strukturen. Die Betriebsleiter wollen aber selbst entscheiden, wie, von wem und ab wann ihre Flächen genutzt werden. Ein weiteres Problem ist die Altersarmut: Kleine und mittlere Höfe sind laut Angabe des Arbeitskreises auf die Erträge aus der Landwirtschaft angewiesen, da Rente und geringe Pachteinnahmen nicht genügen. 2008 lag die Rente für ein Ehepaar mit durchschnittlich 692,24 € unter dem bundesweiten Existenzminimum.

Diskriminierend ist die Hofabgabeklausel für Frauen, da auch sie als Ehepartner keine Rente bekommen, wenn der Mann den Hof nicht abgibt. Frauen dürfen den Hof nur übernehmen, wenn sie im Frührentenalter sind oder wenn ihr Mann voll erwerbsgemindert ist. Für den Erhalt des Hofes habe die Sozialberatung, so Eickmeyer, bereits zur Scheidung geraten. Viele Bauern sehen sich gezwungen, Scheinpachtverträge abzuschließen oder den Hof pro forma an einen Verwandten abzugeben. Für die Bundesregierung ist dies kein Problem, da eine Weiterarbeit im Angestelltenverhältnis legal sei. In Berlin betrachtet man die Pro-forma-Verträge denn auch nicht als Scheinverträge. Für ökologisch wirtschaftende Höfe kommt hinzu, dass die zeitliche längerfristige Bindung in Förderprogrammen zu Verlusten von Prämien führen kann, wenn kein ökologisch wirtschaftender Nachfolger gefunden werden kann.

Eine vollständige Abschaffung der Hofabgabeklausel als Rentenvoraussetzung kommt für das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht in Betracht. Stattdessen will es bis zum Ende des Jahres gesetzliche Härtefallregelungen schaffen. Im Gespräch ist, die Hofübergabe an Ehepartner ohne Alterseinschränkungen zu ermöglichen. Außerdem soll Bauern eine gewerbliche Tierhaltung erleichtert werden. Reinhard Koch, Mitglied des Arbeitskreises, sieht dies als "Bonbon", damit keine grundsätzlichen Änderungen gemacht werden müssen.


Stärke Lobbygruppen

Interesse an der Aufrechterhaltung der Klausel haben der Deutsche Bauernverband und seine Landesverbände als Träger der Sozial- und Rechtsberatung. Abgerechnet werden Sozialberatungen über die Alterskassen. Wären diese Beratungen infolge einer Abschaffung der Klausel nicht mehr nötig, würden Einnahmen in Höhe von jährlich 2 Mio. Euro wegfallen. So verwundert es nicht, dass die Landesbauernverbände und die Landjugend an der Klausel festhalten wollen. Weiterhin argumentieren sie, im Fall der Abschaffung würde die Grundlage für die Bundeszuschüsse der Alterskasse wegfallen. Nach Einschätzung der Bundesregierung sind die Kosten einer Abschaffung der Hofabgabe erheblich, ohne dass genauere Angaben gemacht werden. Das Bundesministerium will die Abgabepflicht erhalten, da andernfalls das Verhältnis von Renteneinzahlern und -empfängern weiter ins Ungleichgewicht käme. Da aber mangels Hofnachfolge viele Flächen auf bestehende Höfe verteilt werden, ist es wahrscheinlich, dass nur wenige neue Beitragszahler dazukommen. Eickmeyer sieht das jetzige Rentenmodell als Auslaufmodell: "Wir Bauern ohne Rente subventionieren dieses Modell nicht länger."


Informationen rund um den Arbeitskreis unter: www.hofabgabeklausel.de


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011, S. 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2011