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WOHNEN/126: Solidarische Wohnungspolitik - Die Rückgewinnung von Wohnen als öffentliches Gut (spw)


spw - Ausgabe 2/2015 - Heft 207
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Solidarische Wohnungspolitik: Die Rückgewinnung von Wohnen als öffentliches Gut

von Michael Groß und Klaus Mindrup


Wohnen steht wie kaum ein anderes Politikfeld für die zunehmende soziale Polarisierung in den großen Städten, Stadtteilen und Quartieren. Aufwertungsprozesse und die Verdrängung der angestammten Bewohner aus ihren Quartieren durch einkommensstärkere Gruppen sind unter dem (Kampf-)Begriff der Gentrifizierung in den Mittelpunkt von Debatten und städtischen Protesten gerückt. Der Mainstream der Stadtpolitik glaubte zunächst, durch das Bevölkerungswachstum in den Städten, ihre wachsende Anziehungskraft für moderne und qualifizierte Milieus, durch Aufwertung der Innenstädte, Arbeits-, Bildungsmöglichkeiten und kultureller Attraktivität würde Wohlstand für alle geschaffen. Die Versprechungen der unsichtbaren Hand des wenig regulierten Wohnungsmarktes erfüllten sich jedoch nicht. Zum einen wachsen nicht alle 15 größten Städte Deutschlands - einige kämpfen mit Einwohnerrückgang und anderen Strukturproblemen. Zum anderen liegt der Anteil der Armutsgefährdung zum Teil auch in den wirtschaftlich erfolgreichen Großstädten mit Einwohnerzuwachs auf dem bundesweiten Durchschnittsniveau oder darüber, obwohl die Arbeitslosigkeit sinkt. Steigende Armut, in manchen Stadtteilen und Quartieren bis zu 40 oder 50 Prozent verfestigte Arbeitslosigkeit und Kinderarmut, verdichten sich in bestimmten Stadtteilen.(1)

Nicht nur in den gefragten Quartieren der Millionenstädte, sondern auch in vielen anderen Großstädten (vor allem mit Universitäten) gibt es einen Verteilungskampf um den immer knapperen Wohnraum. Selbst Mittelschichtsfamilien, die sich die steigenden Mieten nicht leisten können, werden in städtische Randlagen oder ins entfernte Umland verdrängt. Preiswerten Wohnraum in den Innenstädten halten häufig lediglich Genossenschaften mit sozialem Anspruch oder kommunale Wohnungsunternehmen vor. Dieser Prozess verstärkt sich noch dadurch, dass die Kosten der Unterkunft, die für EmpfängerInnen von Leistungen nach SGB-II übernommen werden und die Mietentwicklung auseinanderklaffen.

Die Förderung der sozialen Wohnraumversorgung durch die Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus ist daher ein zentraler Bestandteil einer Strategie der sozialen Stadtentwicklung, wie sie von vielen sozialdemokratisch regierten Städten verfolgt wird. In den letzten Jahren wurden in vielen Städten und Bundesländern (vor allem NRW) Bündnisse für bezahlbares Bauen und Wohnen gegründet.

Soziale Wohnungspolitik ist für die SPD kein "Sozialklimbim" sondern eine Pflichtaufgabe, um nicht weitere Wählerschichten zu verlieren und verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Es ist daher gut, dass die Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip inzwischen beschlossen wurden. Es ist gut, dass die Städtebaufördermittel - vor allem für die soziale Stadt - aufgestockt wurden und die KfW-Zuschüsse für den barrierefreien Umbau wieder eingeführt wurden.

Wir brauchen aber dringend einen verbesserten Schutz von Mieterinnen und Mietern bei Sanierungsmaßnahmen. Wir brauchen eine wirksame Härtefall-Regelung, die verhindert, dass Mieterinnen und Mieter aus ihren Wohnungen "heraussaniert" werden und wir brauchen eine grundlegende Neuregelung der Durchführung und Abrechnung von Modernisierungsmaßnahmen. Eine 11-prozentige Modernisierungsumlage ist in vielen Großstädten ein gutes Geschäft zu Lasten der MieterInnen, die geändert gehört.

Wir brauchen in Deutschland eine gemeinsame Großanstrengung für einen neuen sozialen Wohnungsbau. Dies wird ohne eine neue Liegenschaftspolitik von Bund und Ländern nicht gehen. Wer zum Höchstpreis Wohnungen veräußert, wird Höchstmieten ernten. Wir haben erste Erfolge im Bundestag gegen die CDU/CSU erzielt, u.a. müssen Wohnungen von der BIMA zunächst den betroffenen Städten und Gemeinden angeboten werden. Weiterhin wird der Bund in Kürze mit der verbilligten Abgabe von Konversionsliegenschaften beginnen.

Die bundeseigene KfW spielt bei der Finanzierung des Wohnungsneubaues und der Wohnungssanierung eine wichtige Rolle. Wir setzen uns dafür ein, dass es zu längeren Zinsbindungen (20 Jahre) für Wohnungsneubau und Sanierungen kommt und dass die Förderung der energetischen Sanierung mehr auf die Breite und Einzelmaßnahmen als auf einzelne Leuchtturmprojekte konzentriert wird.

Die energetische Sanierung der Wohnungsbestände ist notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Eine Festlegung auf bestimmte Technologien ist dafür kontraproduktiv. Sinnvoll ist ein Ansatz, der im Quartier und im Dialog mit den Menschen vor Ort die effizientesten Lösungen identifiziert und umsetzt. Das Beispiel der Innovation City Bottrop zeigt, was möglich ist.

Allerdings brauchen wir auch klare Regelungen auf Bundesebene, um den Quartiersansatz zu befördern. Wir denken u.a. an "energetische Sanierungsgebiete" mit einer ausreichenden Projektlaufzeit, die im Einzelfall sogar länger als 10 Jahre betragen kann. Dabei darf nicht nur das einzelne Gebäude betrachtet werden. Blockheizkraftwerke, größere Solaranlagen, Nahwärmenetze und Speicher sind vor allem in größeren Quartieren sinnvoll und können in Partnerschaft zwischen der Wohnungswirtschaft und den Stadtwerken vor Ort entwickelt und umgesetzt werden. Lokal erzeugter Strom muss dann auch vor Ort vermarktet werden können.

Quartierslösungen und die dort eingesetzten Technologien sind auch eine Chance für die Exportnation Deutschland. Daher sollten wir diesen Weg energisch weiter vorantreiben und die Hemmnisse beseitigen.

Es geht um Wohnen für alle. Arme und gering verdienende Menschen brauchen Mieten, die z.T. unter dem Niveau des Mietenspiegels liegen. Zu einer langfristigen Strategie einer solidarischen Stadtentwicklung gehört daher die Rückgewinnung von Wohnungen im öffentlichen, i.d.R. kommunalen Eigentum und von Genossenschaften. Sie müssen jetzt im Zentrum einer solidarischen Wohnungspolitik stehen, die bezahlbare und barrierefreie bzw. barrierearme Wohnungen für alle - auch in attraktiven Lagen - als öffentliches Gut begreift.

Wohnungsbaupolitik, Städtebauförderung, Wohngeld und soziale Wohnraumförderung können jedoch die Zielsetzung des bezahlbaren und guten Wohnens nicht grundsätzlich realisieren. Die genannten Instrumente reichen nicht aus, um ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung, Einkommensverluste und geringe Rentenbezüge zu kompensieren. Daseinsvorsorge und die soziale und kulturelle Grundversorgung der Bürger und Bürgerinnen ist eine grundsätzliche Aufgabe der kommunalen Ebene. Dazu brauchen wir finanzstarke Städte und Gemeinden.

Michael Groß ist SPD-Bundestagsabgeordneter.

Klaus Mindrup ist SPD-Bundestagsabgeordneter und lebt in Berlin. Er ist u.a. Mitglied einer Energiegenossenschaft.


Anmerkungen:

(1) Siehe hierzu René Böhme, Rolf Prigge, Thomas Schwarzer: Soziale Stadtpolitik - ein politisches Konzept für mehr Chancengerechtigkeit, in: spw 5/2013, S. 16-22.

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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 2/2015, Heft 207, Seite 15-16
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2015

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