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AFRIKA/006: Katastrophe am Horn von Afrika (DGVN)


Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)
Newsletter - Juli 2011

Katastrophe am Horn von Afrika
Ostafrika kämpft gegen die schlimmste Dürreperiode seit Jahrzehnten

Von Katja Philipps, 19. Juli 2011


Besonders betroffen sind die Staaten Somalia, Kenia, Äthiopien und Dschibuti, hier sind nach UN-Angaben rund zwölf Millionen Menschen von einer Hungersnot bedroht.

In der Region hat es nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) so wenig geregnet wie seit fast 60 Jahren nicht mehr. In den letzten beiden Jahren blieben der Regen und damit auch die Ernten ganz aus. Hinzu kommt, dass in den am schwersten betroffenen Gebieten im Norden Kenias, im Südosten Äthiopiens und in Somalia auch die ärmsten Menschen dieser Staaten leben, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit Viehzucht betreiben. Aufgrund der Wasserknappheit verenden die Tiere zu Tausenden und zwingen die Menschen zur Flucht in die Nachbarländer.


Erschwerende Umstände in Somalia

Somalia ist von der drohenden Hungersnot am schlimmsten betroffen. Im Failed State Index der Vereinten Nationen liegt das Land auf dem ersten Platz und gilt aufgrund seiner zerfallenen staatlichen Strukturen als gescheiterter Staat. Der international anerkannten Übergangsregierung unter Präsident Sharif Sheikh Ahmed gelang es bislang nicht, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen. Weite Teile des Landes werden von der radikal-islamistischen Miliz Al Shabaab kontrolliert. Aus Furcht vor Übergriffen trauen sich die Somalier häufig nicht, ihre Felder zu bestellen oder mit ihren Viehherden in die vom Bürgerkrieg betroffenen Gebiete zu ziehen.

Tausende Somalier flüchten deshalb in die Nachbarländer Kenia und Äthiopien, die aber ebenfalls mit den Auswirkungen der Dürreperiode zu kämpfen haben und von dem Ansturm der Flüchtlinge völlig überfordert sind. In dem für 90.000 Menschen ausgelegten größten Flüchtlingslager der Welt im kenianischen Dadaab befinden sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt knapp 400.000 Menschen. Nach einem Aufruf des UN-Flüchtlingskommissars Antonio Guterres eröffnet Kenia nun ein weiteres, für 80.000 Menschen ausgelegtes Flüchtlingslager an der Grenze zum Nachbarstaat Somalia. Aus Angst vor einer dauerhaften Niederlassung der Flüchtlinge hatte sich die kenianische Regierung bislang geweigert, das bereits bestehende Camp zu eröffnen.

In Somalia hat die Shabaab-Miliz, die international als terroristische Vereinigung gilt, zum ersten Mal seit zwei Jahren Hilfsorganisationen die Einreise nach Somalia erlaubt. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) kündigte daraufhin die Einrichtung einer Luftbrücke an, mit der in den nächsten Wochen mehr als 600 Tonnen Hilfsgüter in die von der Miliz kontrollierten Gebiete Somalias transportiert werden sollen.


Hilfeaufruf an die Staatengemeinschaft

Am 20. Juli 2011 riefen die Vereinten Nationen für Teile Somalias offiziell eine Hungersnot aus. Diese liegt laut UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, dann vor, wenn mehr als 30 Prozent der Menschen an akuter Mangelernährung leiden oder jeden Tag mehr als zwei pro 10.000 Menschen bzw. vier von 10.000 Kindern in einem Gebiet sterben. In Somalia sind es im Schnitt sechs Kinder pro Tag. UNICEF verstärkt seine Nothilfe um in den kommenden Monaten rund 70.000 schwer mangelernährte Kinder medizinisch zu versorgen. Nach Einschätzung von Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, wird sich die Hungersnot in den kommenden ein bis zwei Monaten jedoch auf die übrigen Landesteile ausweiten, wenn nicht rasch massive internationale Hilfe kommt.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appellierte an die Staatengemeinschaft, die Hilfsprogramme in Somalia mit Spendengeldern zu unterstützen. Seinen Schätzungen zufolge seien 1,6 Milliarden US-Dollar nötig, um zu verhindern, dass Somalier in Massen verhungern. Bisher wurden jedoch lediglich rund 200 Millionen Dollar bereitgestellt. "Jeder Tag Verzögerung ist buchstäblich eine Frage von Leben und Tod für die Kinder und ihre Familien", so Mark Bowden, UN-Nothilfe-Koordinator für Somalia.

Die Frage nach der Ursache der schlimmsten humanitären Katastrophe seit Jahrzehnten führt schnell zum möglichen Einfluss des Klimawandels. Ob die globale Erderwärmung oder das Wetterphänomen "La Niña", das für eine Abkühlung des Pazifischen Ozeans und somit zu steigenden Temperaturen an der afrikanischen Ostküste sorgt, für die Dürre verantwortlich sind, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Fakt ist jedoch, dass Industriestaaten die Erderwärmung durch hohen Co2-Ausstoß vorantreiben. Der Appell des UN-Generalsekretärs unterstreicht demnach die moralische Verantwortung der Staatengemeinschaft, Entwicklungsländer in der Bewältigung der Folgen zu unterstützen. Pläne, den Klimaschutz in Zukunft für die bislang größte globale Umverteilung zu nutzen und einen mindestens zehn Milliarden Euro schweren "Green Climate Fund" einzurichten, gibt es bereits. Was Staaten wie Somalia im Moment aber viel dringender benötigen, sind schnelle und konkrete Hilfen der Staatengemeinschaft, die sich ihrer globalen Verantwortung bewusst ist. Das momentane Zögern der Geberländer ist angesichts der erschreckenden Bilder aus den Hungergebieten nicht nachvollziehbar.


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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)
Newsletter - Juli 2011
http://www.dgvn.de/index.php?RDCT=17a06ccd1ef21a436fd2
Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2011