Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → UNO


ORGANISATION/550: UN - Mehr Sicherheit am Hauptsitz, doch Lebensgefahr für Mitarbeiter in Einsatzgebieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Mai 2015

UN: Mehr Sicherheit am Hauptsitz - Doch in den Einsatzgebieten schweben Mitarbeiter in Lebensgefahr

von Thalif Deen


Bild: © Eskinder Debebe/UN

UN-Generaldirektor Ban Ki-moon trägt sich am UNICEF-Sitz in ein Kondolenzbuch ein
Bild: © Eskinder Debebe/UN

NEW YORK (IPS) - Als die Vereinten Nationen mehr als 2,2 Milliarden Dollar für die Renovierung ihres 65 Jahre alten Hauptsitzes am New Yorker East River ausgaben, gehörte die Sicherung des Gebäudes vor möglichen Angriffen zu den wichtigsten Zielen.

Mit Hilfe einer freiwilligen Spende von fast 100 Millionen US-Dollar vom Gastgeberland USA, zusätzlich zu den anteiligen Zahlungen für die Renovierungsarbeiten, konnten zahlreiche Sicherheitsvorrichtungen an den Eingängen und auf dem Gelände vorgenommen werden. Mehr als 3.000 Beschäftigte arbeiten nun in einem modernisierten und energieeffizienten 39-stöckigen Gebäude.

Die neuen Vorkehrungen sollen ab dem kommenden Jahr funktionieren. Die 2008 begonnenen Renovierungsarbeiten, die von den 193 Mitgliedsstaaten nach ihrer jeweiligen Zahlungsfähigkeit finanziert werden, sind bereits so gut wie abgeschlossen.

Aus Sicherheitsgründen denken die Vereinten Nationen daran, die Dag-Hammarskjold-Bücherei zu schließen und das historische Gebäude leer stehen zu lassen. Es wird befürchtet, dass Terroristen von einer nahegelegenen Straße und einer Auffahrtsrampe aus leicht angreifen könnten. Die US-Behörden wollen die Straße nicht sperren lassen, um den ohnehin schon starken Autoverkehr in der Stadt nicht noch weiter zu verdichten.


Respekt vor UN-Flagge nimmt ab

UN-Mitarbeiter in New York würdigen zwar das Engagement am UN-Hauptsitz, für mehr Sicherheit zu sorgen, bemängeln aber gleichzeitig, dass die Sicherheit bei Einsätzen in Konfliktgebieten nach wie vor unzureichend sei. Angesichts der Tatsache, dass UN-Teams bei Nothilfeeinsätze zunehmend zu Zielscheiben gewaltsamer Angriffe werden, hat UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos eine ehrliche Bewertung der Lage zugesagt. "Der Respekt für die Flaggen der UN, dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond schwindet", sagte sie.

Jüngst erhobenen Daten zufolge haben Angriffe auf UN-Mitarbeiter im Laufe der vergangenen zehn Jahren stetig zugenommen. 2013 wurde mit 264 Attacken, von denen 474 Helfer betroffen waren, ein trauriger Rekordstand erreicht.

Anfang April wurden vier UN-Mitarbeiter, die für das Weltkinderhilfswerk UNICEF in Somalia im Einsatz waren, bei der Detonation einer Bombe am Straßenrand getötet. Die steigenden Opferzahlen und die fortgesetzten Angriffe haben die Gewerkschaft der UN-Mitarbeiter dazu bewogen, einen unabhängigen Ausschuss zur Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen in den Einsatzgebieten zu bilden.


Ban soll neues Sicherheitsgremium bilden

Auf die Frage, ob die Einrichtung eines solchen Gremiums nach dem Ermessen der Mitgliedsstaaten erfolgen oder von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon entschieden werden sollte, erklärte Ian Richards, Vorsitzender des Gewerkschaftsverbandes CCISUA, der 60.000 UN-Mitarbeiter vertritt, dass man Ban auffordern werde, den Ausschuss zu bilden. "So wird es allein von ihm abhängen. Wir hoffen aber, dass er sich der Notwendigkeit im Klaren ist, dass die UN in der Frage, ob sie über die Mittel verfügt, um in gefährlichen Gebieten operieren und ihre Mitarbeiter schützen zu können, eine robuste Entscheidung treffen muss."

In einer in New York verbreiteten Erklärung erinnerte CCISUA daran, dass die UN-Abteilung für Sicherheit 2003 nach dem Bombenanschlag auf das 'Hotel Canal' in Bagdad gegründet worden sei. Seitdem sind die Vereinten Nationen zur Zielscheibe verschiedener Anschläge geworden. Der UN-Gewerkschaftsverband sieht es an der Zeit, dass ein unabhängiges, hochrangig besetztes Gremium zur Untersuchung der Sicherheitsmaßnahmen nach dem Vorbild zweier früherer Ausschüsse gebildet wird: dem Ahtisaari-Panel 2003 und dem Brahimi-Panel 2008.

Das Gremium sollte unter anderem klären, ob die Vereinten Nationen genug tun, um ihre Mitarbeiter zu schützen. Ist die Weltorganisation dazu heute mit ihrer Sicherheitsabteilung besser in der Lage als früher? Oder setzt sie ihr Personal durch die 'Stay and deliver'-Strategie unnötigen Risiken aus?

CCISUA sucht auch auf andere Fragen Antworten: Unter welchen Umständen wurde der jüngste Anschlag in Somalia begangen? Sollte irgendjemand verantwortlich gemacht werden für die Sicherheitslücken, durch die UN-Mitarbeiter erst solchen Attacken ausgesetzt sind?


Keine schärferen Sicherheitsvorkehrungen in Krisenstaat Somalia

Wurde im somalischen Puntland, wo die mit dem islamistischen Terrornetzwerk Al Qaeda verbundene Al-Shaabab-Miliz tödliche Angriffe begeht und Angst und Schrecken verbreitet, fahrlässig gehandelt, weil angemessene Sicherheitsvorkehrungen ausgeblieben sind? Erst recht im Hinblick darauf, dass die Terrorgruppe in der Vergangenheit in Somalia wiederholt UN-Mitarbeiter attackiert und bedroht hat?


Bild: © UN/AP

Personal des UN-Hauptquartiers in Bagdad im Irak sucht nach einem Anschlag im Jahr 2003 in den Trümmern nach Überlebenden
Bild: © UN/AP

In dem 2008 von dem unabhängigen Gremium für die Sicherheit von UN-Personal verbreiteten Brahimi-Bericht wurde angemerkt, dass "Mitgliedsstaaten nicht gleich gut gerüstet sind, um für Sicherheit zu sorgen. Sehr oft bestehen die größten Risiken in den Ländern, deren Kapazitäten bescheiden oder gar nicht vorhanden sind. Die UN kann und sollte von den Gastländern erwarten, dass sie nach bestem Vermögen Sicherheit gewährleisten."


UN muss selbst Sicherheitslücken schließen

Laut dem Report obliegt es der Weltorganisation, und vor allem dem Generalsekretär und der Sicherheitsabteilung, diese Lücken zu schließen und sicherzustellen, dass die eigenen Strategien, Verfahrensweisen und Standards immer eingehalten werden. Im Falle des jüngsten Anschlags hätte dies der UN keinerlei finanzielle Kosten verursacht.

Die Gewerkschaft ist der Auffassung, dass die 'Stay and deliver'-Strategie des Generalsekretärs gemeinsam mit dem Grundsatz 'Mit weniger mehr leisten' an ihre Grenzen stößt. Die Mitarbeiter seien in einer riskanteren Lage als jemals zuvor. Deshalb fordert CCISUA den UN-Chef Ban auf, unverzüglich eine Revision der weltweiten Sicherheitsmaßnahmen einzuleiten und die Umstände des jüngsten Angriffs in Somalia zu untersuchen, um künftig ähnliche Vorfälle zu verhindern.

In dem Bericht heißt es weiter: "Die Gewerkschaft ist der Meinung, dass wir das den Mitarbeitern und den Opferfamilien schuldig sind. Der Generalsekretär als oberster Verwaltungsbeamter der Vereinten Nationen trägt eine besondere Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit des Personals." (Ende/IPS/ck/04.05.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/u-n-staffers-secure-at-home-moving-targets-overseas/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Mai 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang