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UN-REPORT/075: Iran - Fundamentale Menschenrechtsverstöße, UN-Bericht erhebt schwere Vorwürfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2012

Iran: Fundamentale Menschenrechtsverstöße - UN-Bericht erhebt schwere Vorwürfe

von Omid Memarian


New York, 9. März (IPS) - Ein Sondergesandter der Vereinten Nationen hat die iranische Regierung aufgefordert, alle politischen Häftlinge freizulassen und eine unabhängige Untersuchung der gewaltsamen Vorfälle nach den Präsidentschaftswahlen 2009 in die Wege zu leiten.

In einem 36-seitigen Bericht, der am 7. März am Sitz des UN-Menschenrechtsrats in Genf vorgestellt wurde, listet der Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran, Ahmed Shaheed, eine Vielzahl von Anschuldigungen gegen den Staat auf. Er erkennt darin "eklatante Muster für Verletzungen grundlegender Menschenrechte gemäß dem Völkerrecht".

"Der Bericht von Herrn Shaheed ist von größter Bedeutung für das iranische Volk", sagte die Friedensnobelpreisträgerin von 2003, Shirin Ebadi, im Gespräch mit IPS. "Er beweist, dass die Iraner unterdrückt und ihre Menschenrechte verletzt werden. Aus internationaler Sicht ist er auch deshalb wichtig, weil eine unparteiische internationale Institution die Forderungen der Menschen im Land geprüft hat."

Ebadi hält die Ergebnisse des Berichts für zutreffend, auch wenn sich Shaheed nicht an Ort und Stelle ein Bild machen konnte. Die iranischen Behörden hatten ihm im vergangenen September die Einreise verwehrt. Im darauffolgenden Monat informierte er die UN-Vollversammlung in einem vorläufigen Report über 58 Fälle von Menschenrechtsverstößen. Teheran reagierte mit harscher Kritik und zog die Legitimation der Untersuchungen und die Glaubwürdigkeit seiner Quellen in Zweifel.


Shaheed Parteinahme für Westen vorgeworfen

Im Januar ging Shaheeds Report der Regierung in Teheran zu. Statt sich auf den Inhalt der Untersuchung zu beziehen, warf die iranische Führung dem UN-Vertreter erneut Voreingenommenheit und Ungenauigkeiten vor. "Der Sonderberichterstatter hat Propaganda betrieben, indem er an Foren und Versammlungen teilnahm, die durch westliche Geheimdienste, zionistische Elemente und Terroristengruppen kontaminiert waren", hieß es in der offiziellen Reaktion des Irans. Bemängelt wurde ferner, dass die Treffen mit Vertretern von Regierung und Zivilgesellschaft nicht positiv hervorgehoben wurden.

Der Chef der iranischen Justiz, Sadeq Larijani, erklärte außerdem im Februar auf einer Menschenrechtskonferenz in Teheran, dass der Bericht "lauter Lügen" verbreite. Mohammad-Javad Larijani, der dem Hohen Menschenrechtsrat im Iran vorsitzt, beschuldigte Shaheed zudem, westlichen Interessen und vor allem den USA zu dienen, die den Iran wegen seines Nuklearprogramms unter Druck setzten.

Der UN-Gesandte entgegnete jedoch, sein Mandat nach bestem Wissen auf der Basis umfangreicher Informationen aus zahlreichen unabhängigen und verlässlichen Quellen erfüllt zu haben. Er habe mit mehr als 100 Opfern und Zeugen im Iran und im Ausland gesprochen.

Ein Student, der über Skype befragt worden war, berichtete, auf diese Weise erstmals in die Lage gewesen zu sein, Auskunft über einen zweimonatigen Gefängnisaufenthalt zu geben. "Selbst wenn Herr Shaheed in den Iran gekommen wäre, hätten ich und andere ihn nicht treffen können, weil uns sonst Konsequenzen gedroht hätten", meinte er zu IPS. Die iranische Justiz wird ihn niemals ins Land lassen, da sie ihm nicht die Türen zu den Gefängnissen öffnen und ihn mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen sprechen lassen kann."


Druck auf Teheran

Der prominente politische Aktivist und Journalist Morteza Kazemian, der nach den Wahlen 2009 neun Wochen in Einzelhaft verbrachte, hofft, dass der Report diplomatischen und juristischen Druck auf Irans Menschenrechtsverletzer ausüben kann.

Reza Moini, Direktor der Organisation Reporter ohne Grenzen für Iran und Afghanistan, bedauerte, dass Shaheed keine Möglichkeit erhalten habe, eine große Gruppe von Zeugen und Regierungsbeamte zu treffen. Seit 1980 sind 13 Mitglieder seiner Familie, darunter auch ein Bruder, hingerichtet worden. Shaheeds Untersuchung zufolge ist die Zahl der Hinrichtungen im Iran von unter 100 im Jahr 2003 auf 670 im Jahr 2011 gestiegen.

Moini kritisierte allerdings, dass Shaheeds Bericht die Repressionsmechanismen nicht zu den geltenden Gesetzen in Beziehung setze. "Die meisten Forderungen von Opfern staatlicher Unterdrückung werden nicht erwähnt."

Der UN-Menschenrechtsrat entscheidet nun am 22. März, ob Shaheeds Mandat um ein weiteres Jahr verlängert wird. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/HRCIndex.aspx
http://en.rsf.org/iran.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106995

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2012