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AGRAR/1810: Regelung des Bodenmarktes hinkt Entwicklungen hinterher (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 405 - Dezember 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Regelung des Bodenmarktes hinkt Entwicklungen hinterher
Politische Handlungsfelder für einen verantwortlichen Umgang mit Land

Von Christine Weißenberg


Deutlich zeigen sich für den Bodenmarkt sowohl Regelungsbedarf auf Grund von Fehlentwicklungen als auch zögerliche bis fehlende politische Aktivität am Beispiel des insolventen börsennotierten Landwirtschaftskonzerns KTG Agrar. Außerlandwirtschaftliches Kapital und überregionale Investoren gewinnen zunehmend Einfluss auf den Bodenmarkt, weil dieser eine sichere Anlage oder sogar Spekulationsgewinne verspricht. Die Bundesregierung habe keine Handhabe, auf die Neuverteilung des KTG-Landbesitzes Einfluss zu nehmen, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Die nüchterne Feststellung: "Der Finanzbedarf für die Losgröße von Einzelflächen oder ganze Tochtergesellschaften überschreitet in der Regel die Kaufkraft ortsansässiger Landwirte. Im Ergebnis nimmt die Flächenkonzentration weiter zu." Die Länder seien zuständig, neue Regelungen zu treffen, und dieser Aufgabe anscheinend nicht nachgekommen. Eine berechtigte Rüge, denn bisher sind trotz einvernehmlicher Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe außer in Niedersachsen keine konkreten Entwürfe für wirksame Ländergesetze auf dem Weg (siehe Artikel Bauernstimme 11/2016). Die bodenmarktpolitischen Ziele sind jedenfalls formuliert: Aufrechterhaltung und Förderung einer breiten Streuung des Bodeneigentums - Vermeidung marktbeherrschender Positionen auf regionalen Bodenmärkten - Vorrang von Landwirtinnen und Landwirten beim Flächenerwerb - Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft - Begrenzung des Anstiegs von Kauf- und Pachtpreisen landwirtschaftlicher Flächen - Vorrang für eine landwirtschaftliche Nutzung der Agrarflächen - Verbesserung der Informationslage sowie der Markttransparenz auf dem Bodenmarkt.

Verkehrte Strukturpolitik

Dennoch könnte auch die Bundesregierung Betätigungsfelder finden. So haben z. B. sowohl der Bund als auch die ostdeutschen Bundesländer bei der Privatisierung ihnen zugefallener Flächen aus dem Erbe der DDR unmittelbaren Einfluss auf diesen Teil des Bodenmarktes. In den jeweiligen Privatisierungsgrundsätzen ist festgelegt, wie die Landvergabe durch die Länder oder für die Bundesflächen durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) durchgeführt werden soll. Bauer Helmut Precht aus Mecklenburg-Vorpommern, Mitglied des Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), hat kein Verständnis für langwieriges Abwägen und bedauernde Worte über fehlende rechtliche Grundlagen: "Nach der Wende galt für die ostdeutschen Bundesländer einfach das alte Grundstücksverkehrsgesetz der Bundesrepublik mit, da wurden keinerlei Anstrengungen unternommen, die kollektivierten Landwirtschaftsbetriebe umzustrukturieren und die Wiedereinrichtung oder Neugründung bäuerlicher Betriebe gezielt zu fördern. Stattdessen wurden große Strukturen in Form von Genossenschaften oder GmbHs als LPG- Nachfolgebetriebe Unterstützt. Heute werden die Agrargenossenschaften von Investoren aufgekauft. Das ist neu und so nicht vorgesehen, aber ein Einschreiten gegen Konzentrationsprozesse war eben auch nie vorgesehen. Jetzt wird es höchste Zeit, Verfehlungen einer verkehrten Strukturpolitik zu revidieren."

Schon 1967 hatte das Bundesverfassungsgericht innerhalb einer Beschlussbegründung festgestellt: "Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen." In jüngerer Zeit entstanden 2012 auf Ebene der Vereinten Nationen (UN) mit den Freiwilligen Leitlinien zum Umgang mit Land (Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security) Handlungsempfehlungen mit dem Ziel der Grundlagensicherung für die Ernährungssicherheit. Angemahnt werden Transparenz, demokratischer Umgang, Regeln für Investoren und stets Rücksicht auf die Bedürfnisse bäuerlicher Strukturen. Die Bundesregierung hat die Leitlinien anerkannt, aber hauptsächlich in Bezug auf internationale Tätigkeiten verstanden. Erst jetzt, vier Jahre später, scheint sie die Übereinstimmung mit der eigenen Bodenpolitik untersuchen zu wollen.

Investoreninteressen

Seit einigen Jahren finden verstärkt so genannte Share Deals statt. Das sind nicht öffentliche Übertragungen von Bodeneigentum durch Verkäufe von Betriebsanteilen, die zum einen Vorkaufsrechte von Landwirten und zum anderen Grundsteuerzahlungen umgehen. Änderungen im Grunderwerbsteuergesetz sind angedacht, werden von Bund und Ländern verantwortet und stehen noch aus. Außerdem räumt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf oben genannte Kleine Anfrage ein: "Investoren [können] über einen Betriebskauf indirekt auch das Recht auf einen Direkterwerb von Flächen der BVVG erlangen." Konzernstrukturen werden zudem bisher nicht als Ganzes entsprechend der eigenen Grundsätze berücksichtigt: "KTG als Firmenkonglomerat konnte über seine Filialbetriebe in der Summe [1000 Hektar] auch mehr Flächen erlangen, als die Privatisierungsgrundsätze einzelnen Betrieben zugestehen, nämlich 450 Hektar in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen und 100 Hektar in Sachsen-Anhalt." Immerhin soll geprüft werden, "wie derartige Fälle künftig verhindert werden können".

Aufruf zur Konsequenz

Wer es ernst meine, müsse auch handeln, fordert Bauer Precht: "Dann muss man auch mal Pachtverträge für Landes- oder BVVG-Flächen kündigen, die Weitergabe von Altpachtverträgen mit Kaufoptionen aus den 90er Jahren bei Betriebsübernahmen ausschließen und Verkäufe versagen." Die Untersuchungen des Landes Brandenburg, ob in den letzten Jahren genehmigungspflichtige Landkäufe nach dem Grundstücksverkehrsgesetz durch KTG-Gesellschaften getätigt wurden, die anschließend von Investoren übernommen wurden, begrüßt Precht ausdrücklich. Er fordert seinen Landesagrarminister Till Backhaus (SPD) auf, ebenfalls Verträge und eventuelle Klauseln zum Weiterverkauf von Landesflächen u. ä. zu überprüfen und ggf. Landwirten ihr Vorkaufsrecht einzuräumen.

Transparentere Entscheidungen

Mario Reißlandt aus dem Vorstand des Bündnisses Junge Landwirtschaft hat seit seiner Betriebsneugründung in Brandenburg Erfahrungen mit der Flächenvergabe durch die BVVG. Er hat bei mehreren Ausschreibungen mitgeboten, konnte aber nur in einem Fall Land kaufen, in einem anderen Fall pachten. Seine Verbesserungsvorschläge: "Vor allem eine höhere Transparenz der Entscheidungen ist wünschenswert. Es ist völlig unklar, wie die höchsten Gebote zueinander stehen oder warum in welchen Fällen verpachtet statt verkauft wird. Mit einem Pachtvertrag für sechs Jahre habe ich keine Planungssicherheit und weitere Betriebspartner für die geplante Bio-Höfegemeinschaft bekomme ich so nicht." Nach den Privatisierungsgrundsätzen sollen sich Entscheidungen der BVVG "in erster Linie von wirtschaftlichen Gesichtspunkten des Einzelfalls, die sich aus den konkreten Pacht- und Kaufgeboten sowie der erwarteten Wertentwicklung ergeben, leiten lassen. Entscheidungsrelevant ist insoweit die erzielbare Bestandhaltungsrendite. Sie ergibt sich aus der Pachtrendite und der erwarteten Wertentwicklung." Mit anderen Worten: Im Widerspruch zu den bodenmarktpolitischen Zielen fordert hier der Bund aus wirtschaftlichen Gründen bei der Bewertung von Kaufgeboten steigende Bodenwerte einzukalkulieren - d. h. zu spekulieren.

Bäuerliche Vergabekriterien

In Teilen wurden an den Privatisierungsgrundsätzen in den letzten Jahren auf Grund massiver Kritik zumindest kleine Änderungen vorgenommen: Der Zeitraum zur Veräußerung der Flächen wurde bis 2030 verlängert, die Losgrößen zur Flächenvergabe sind mittlerweile auf bis zu 15 Hektar reduziert und ein Anteil von 30 Prozent der jährlichen Ausschreibungen findet beschränkt zu Gunsten von arbeitsintensiven Betrieben, Ökolandbau und Junglandwirten statt. Das Bündnis der Jungbauern und -bäuerinnen fordert inhaltliche Kriterien einzuführen, die agrarpolitischen Zielen entsprechen. Bei der Vergabe von staatlichen Flächen oder Kaufgenehmigungen im Rahmen des Grundstücksverkehrsgesetzes könnte dann zukünftig verbindlich Vorrang für bäuerliche Betriebsstrukturen und -neugründungen sowie z. B. ökologischere Bewirtschaftungsformen gewährt werden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 405 - Dezember 2016, S. 13 - 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2017

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