Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


ENERGIE/2096: Mexiko setzt im Energiesektor auf undurchsichtige Joint-ventures mit Privatfirmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Oktober 2015

Mexiko: Staat setzt im Energiesektor auf undurchsichtige Joint-ventures mit Privatfirmen

von Emilio Godoy


MEXIKO-STADT (IPS) - Die Regierung von Mexiko kooperiert zunehmend mit privaten Unternehmen, um neue Infrastrukturen für die Energiewirtschaft zu errichten. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren jedoch, dass diese öffentlich-privaten Partnerschaften von außen kaum zu durchschauen seien.

Nach Inkrafttreten einer Reform, die im Jahr 2013 den staatlichen Energiesektor für privates Kapital aus dem In- und Ausland öffnete, sind öffentlich-private Partnerschaften (PPP) immer häufiger geworden.

Das große staatliche Erdölunternehmen Pemex arbeite aber nur mit Großkonzernen zusammen, sagt Omar Escamilla von der unabhängigen Organisation PODER. "Über diese Geschäfte wird nicht viel gesprochen, sie sind nur schwer nachzuvollziehen."


Kooperation mit Unternehmen in Steuerparadiesen

Laut Escamilla schließt sich die Regierung mit Firmen zusammen, deren Hauptsitz in Steueroasen liegt. Die mexikanischen Justizbehörden könnten diese Unternehmen kaum zur Rechenschaft ziehen oder von ihnen Auskunft über die Verwendung von Finanzmitteln erhalten. "Es ist besorgniserregend, mit wem diese Partnerschaften eingegangen werden und wo das Geld herkommt."

Ein seit 2012 geltendes und 2014 revidiertes Gesetz, das solche Projekte reglementiert, schreibt langfristige Verträge von mindestens 40 Jahren Dauer in Fällen vor, in denen der Staat für die Bereitstellung seiner Dienstleistungen teilweise oder ganz private Infrastruktur nutzt. Gemäß dem Gesetz muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen. Die Regierung ist dazu berechtigt, zur Durchführung dieser Projekte private Landbesitzer zu enteignen.


Brasilien in Lateinamerika Spitzenreiter bei PPP

Unter den Entwicklungsländern, in denen öffentlich-private Partnerschaften geschlossen werden, belegt Mexiko den siebten Platz. In Lateinamerika gibt es bisher nur in Brasilien eine höhere Zahl dieser Kooperationsmodelle. In den meisten Fällen werden im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit Straßen gebaut. Andere Projekte beziehen sich auf den Bau von Krankenhäusern, Gefängnissen, Flughäfen, Eisenbahnlinien und Kraftwerken.

Laut der Weltbank treffen der öffentliche und der private Sektor in der Regel langfristige Vereinbarungen. Die Dienstleistungen, zu denen sich der Staat verpflichtet hat, werden in diesen Fällen teilweise von privaten Firmen bereitgestellt.

Experten sehen dank dieser Kooperationen ein besseres Preis-Leistungsverhältnis gewährleistet. Der privaten Industrie werden Risiken übertragen. Zudem werden höhere Anreize für eine effiziente Produktion geboten und die Kostenbelastung für den Staat gesenkt.


Private Firmen müssen im Rahmen der Projekte Schulden übernehmen

Kritiker wenden jedoch ein, dass die Regierung aufgrund der Verträge langfristige Zahlungsverpflichtungen eingehen muss. Zudem besteht die Gefahr, dass das tatsächliche Ausmaß der öffentlichen Verschuldung und die Privatisierung staatlicher Dienstleistungen verschleiert wird.

Auf föderaler Ebene gibt es in Mexiko derzeit 29 öffentlich-private Partnerschaften. Einzelne Bundesstaaten kommen zusammen auf 20 solcher Unternehmungen. Die im Dezember 2013 verabschiedete Energiereform, die tiefgreifendste Veränderung des Sektors seit acht Jahrzehnten, legte die Basis für die Beteiligung privater Investoren aus dem In- und Ausland an Förderung, Produktion, Transport, Vertrieb und Verkauf von Erdöl und seinen Nebenerzeugnissen.


Pemex umgeht Monopol-Klauseln

Im Laufe der vergangenen 20 Jahre hat Pemex im Verbund mit Privatfirmen Infrastrukturen für die Erdölindustrie geschaffen. Auf diese Weise habe Pemex die rechtlichen und ökonomischen Beschränkungen umgehen wollen, denen ein staatliches Monopolunternehmen unterliege, geht aus der von PODER im Juni veröffentlichten Studie 'Analyse der Geschäftsstruktur in Mexikos Erdölindustrie' hervor.

1996 gründeten beispielsweise Pemex und der in den USA ansässige Konzern 'Sempra Energy' gemeinsam 'Gasoductos de Chihuahua'. Das größte Erdgasunternehmen in Mexiko kotrolliert neun Firmen durch zwei Joint-ventures und sieben Partnerfirmen.

Mit dem Ziel, drei Ölfelder im südmexikanischen Staat Tabasco zu erschließen, ging die Pemex-Tochterfirma PMI Campos Maduros Sanma 2011 eine Partnerschaft mit Firmen unter dem Dach des privaten Konzerns Petrofac Limited (Großbritannien) und mit Schlumberger Limited (USA) ein. 2013 übertrug Pemex den Petrochemie-Komplex Planta Clorados III an das mexikanische Unternehmen Mexichem. Daraus entstand die Firma Petroquimica Mexicana de Vinilo. Mexichem hält 55,1 Prozent der Anteile an diesem Joint-venture und Pemex den Rest.

Gasoductos de Chihuahua wird verantwortlich für den Betrieb und die Instandhaltung der Pipeline Los Ramones sein. Mit den höchsten Infrastrukturinvestitionen in Gasleitungen seit einem halben Jahrhundert wurde eine Pipeline geschaffen, durch die täglich rund 9,9 Millionen Kubikmeter Erdgas über eine Strecke von 900 Kilometern befördert werden können. Die Leitung wird Zentralmexiko mit der Grenze zu den USA im Norden verbinden. Laut dem PODER-Report handelt es sich bei den von der Regierung geplanten Gaspipelines um die größten Projekte zwischen Pemex und dem Privatsektor im Erdgasgeschäft.


Kooperationsmodell bei Windfarmen kaum überprüfbar

Der staatliche Energieversorger 'Comisión Federal de Electricidad' verfolgt eine ähnliche Strategie durch den Bau und den Betrieb von Windfarmen in den südlich gelegenen Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas.

Arturo Oropeza, Professor am Institut für Wirtschaftsforschung der Nationalen Autonomen Universität Mexikos, kritisiert, dass die Transparenz dieser Projekte bisher nicht überprüft werden kann und weitere umfassende Informationen fehlen, die für eine Evaluierung notwendig sind.

Die im April von der Interamerikanischen Entwicklungsbank, dem Multilateralen Investmentfonds und dem britischen Magazin 'The Economist' herausgegebene Studie 'Evaluating the environment for public-private partnerships in Latin America and the Caribbean' rechnet Mexiko zu den Ländern mit den besten Voraussetzungen für öffentlich-private Partnerschaften, vor allem aufgrund des Investitionsklimas. In dem Report wird unter anderem bemängelt, dass die Einhaltung von Vertragsklauseln nicht unabhängig überprüft werden kann.

An der Spitze der Liste steht Chile, das 77 von hundert möglichen Punkten erreichte, gefolgt von Brasilien (75), Peru (70,5) und Mexiko (fast 68 Punkte). Schlusslichter sind Nicaragua, Argentinien und Venezuela. Für die nächsten drei Jahre hat Mexiko bereits etwa 300 Milliarden US-Dollar an Investitionen in öffentlich-private Partnerschaften eingeplant. (Ende/IPS/ck/05.10.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/09/mexican-government-depends-more-and-more-on-private-business-partners/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. Oktober 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang