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ENTWICKLUNGSHILFE/100: Ärmste Länder wollen in Post-2015-Agenda besonders berücksichtigt werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2014

Entwicklung: Ärmste Länder wollen in Post-2015-Agenda besonders berücksichtigt werden

von Thalif Deen


Bild: © Michelle Tolson/IPS

Kambodscha gehört zu den 48 ärmsten Ländern der Welt
Bild: © Michelle Tolson/IPS

New York, 9. Juli (IPS) - Die 48 ärmsten Länder der Welt wollen integraler Bestandteil der neuen Entwicklungsagenda werden. So müssten die Post-2015 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) stärker auf sie zugeschnitten sein, als dies bei den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs), der Fall gewesen sei.

Eine Zwischenstaatliche Arbeitsgruppe, die OWG, die in der dritten Juliwoche in die 13. Verhandlungsrunde geht, ist mit dem Entwurf der SDGs befasst, die sich an die Ende nächsten Jahres auslaufenden MDGs anschließen sollen.

Nach Ansicht des Hohen Beauftragten für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), Binnenentwicklungsländer (LLDCs) und kleinen Inselentwicklungsländer (SIDSs), Gyan Acharya, bietet sich erstmals eine historische Chance für einen "transformativen Wandel" zugunsten der ärmsten Nationen der Welt.

Doch UN-Diplomaten zufolge, die in die Verhandlungen involviert sind, wird es für die 48 LDCs schwierig werden, ihre Ansprüche geltend zu machen, da sie nur mit sechs Ländern - Bangladesch, Benin, Bhutan, der Demokratischen Republik Kongo, Haiti und Tansania - in der 30 Staaten zählenden OWG vertreten sind. Allerdings gehen sie besser vorbereitet in die Gespräche, was nicht zuletzt auf die Rückendeckung des Hohen Beauftragten zurückgeführt wird.

Doch gibt es etliche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in den LDC, die erhebliche Zweifel daran haben, dass ihre Länder von der Post-2015-Agenda profitieren werden. So meint Demba Dembele vom Forum für afrikanische Alternativen in Senegal, dass das, was auf dem Papier steht, noch lange nicht Wirklichkeit ist. "Papier ist geduldig."

Der Aktivist befürchtet, dass die Agenda von den USA, der Europäischen Union, der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) "gekapert" wird. Er geht davon aus, dass die neoliberalen Wirtschaftsstrategien auch weiterhin die Agenda bestimmen, was das Scheitern aller seit 1981 durchgeführten Sonderprogramme für die LDC erkläre.


"Abkehr vom Marktfundamentalismus"

"Ich teile den Optimismus von Botschafter Acharya nicht", sagte Dembele, einer der Hauptorganisatoren des Weltsozialforums 2011 im senegalesischen Dakar. "Was wir wirklich brauchen, ist ein Paradigmenwechsel im Sinne einer Abkehr vom Marktfundamentalismus."

Auf einer Konferenz in London zum Thema LDCs und Post-2015-Agenda hatte Acharya ein düsteres Bild von der Situation der LDC gezeichnet. Die meisten Mitgliedstaaten kämpften schwer mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise und des Klimawandels. Sie hätten am Anstieg des Meeresspiegels, an Küstenerosion, Landverödung und verkürzten Agraranbauzeiten schwer zu tragen, erläuterte der ehemalige Botschafter Nepals bei den Vereinten Nationen. Dieses Panorama sei besonders schlimm, weil die Landwirtschaft die Existenzgrundlage von 70 Prozent der LDC-Einwohner sei.

Azeb Girmai, Vertreterin einer äthiopischen Organisation der Zivilgesellschaft, schilderte in London, wie sich der Klimawandel auf ihr Land, ebenfalls einem LDC, auswirkt. "Wir erleben mehr Dürren und Überschwemmungen, die Niederschläge sind unregelmäßiger. Studien zeigen, dass aufgrund des Klimawandels unsere Ernteerträge zwischen 1991 und 2008 um 13 Prozent zurückgegangen sind. Dabei sind 85 Prozent der Menschen Bauern oder von einer Landwirtschaft abhängig, die auf Niederschläge angewiesen ist", betonte sie.

Clare Melamed vom unabhängigen britischen Entwicklungsinstitut ODI, das die Veranstaltung organisiert hatte, unterstrich die Notwendigkeit, dass gerade die ärmsten Länder der Welt von den künftigen SDGs profitieren. Den ärmsten Staaten fehlten die zur Bekämpfung der vielen Probleme erforderlichen Kapazitäten. Für sie sei es deshalb besonders wichtig, dass die SDGs solide Umsetzungsinstrumente beinhalten würden.

Arjun Karki, Leiter der Organisation 'Rural Reconstruction Nepal' und internationaler Koordinator von 'LDC Watch', einem Netzwerk von NGOs aus den ärmsten Ländern, erklärte, dass die bisherigen Entwicklungsparadigmen, die auf einer rücksichtslosen Wirtschafts-, Handels- und Finanzliberalisierung beruhten, gescheitert seien und Krisen und Ungleichheit nur noch verschlimmert hätten. LDC Watch forderte aus diesem Grund ein eigenes SDG für die LDCs, um den gefährdetsten und marginalisierten Ländern dadurch eine nachhaltige internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Angesichts der Unzulänglichkeiten der auslaufenden MDGs wollen Staaten und Zivilgesellschaft der LDCs sicherstellen, dass ihnen die künftigen Nachhaltigkeitsziele mehr zu bieten haben als die MDGs. Bisher liegen Vorschläge für Unterziele und für ein Verfahren vor, durch das sich die Wirksamkeit der SDGs für die LDC überprüfen lassen soll.


Förderung junger Talente

Prioritäten der LDCs sind ferner der Aufbau von Kapazitäten und die Stärkung globaler Partnerschaften. Angesichts einer jungen und dynamischen Bevölkerung besitzen die ärmsten Länder ein riesiges Reservoir an potenziellen Talenten, die von den neuen Informations- und Kommunikationsmedien sowie Wissenschafts- und Technologieabkommen profitieren würden.

Karki zufolge muss es im ureigenen Interesse der reichen Länder liegen, den ärmsten zu helfen. "In den LDCs führen Unterentwicklung, Hunger, wirtschaftliche Schwäche und Unsicherheit zu politischer Instabilität, Kriegen und Konflikten. Die Auswirkungen dieser Instabilität bekommen die Industriestaaten in Form von Flüchtlingen und regionaler Instabilität zu spüren."

Oder, um es mit den Worten von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zu sagen: Die Unterstützung der LDC ist nicht nur ein moralisches Gebot, "sondern auch ein Instrument, um eine stabile und friedliche Weltordnung zu fördern". (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/07/worlds-poorest-nations-seek-presence-in-post-2015-agenda/

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IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2014