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GEWERKSCHAFT/1167: Frank Bsirske zum "Tag der Arbeit" (ver.di)


ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Presseinformation vom 1. Mai 2015

"Tag der Arbeit": Frank Bsirske wirbt um breite Unterstützung zur Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe


Berlin, 01.05.2015 - In seiner Rede zum "Tag der Arbeit" hat der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Bsirske, heute bei der DGB-Kundgebung in Essen die überfällige Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe angemahnt. "Für gute Bildung braucht es gute Bildungseinrichtungen. Und Menschen, die ihre Arbeit gut machen, richtig gut - so wie die Erzieherinnen in den Kindertagesstätten." Dort seien die Anforderungen stetig gestiegen. "95 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, die nach vier bis fünf Jahren Ausbildung eine pädagogische Facharbeit leisten - und nun auch wie Facharbeiterinnen bezahlt werden wollen", sagte Bsirske. "Es sind pädagogische Facharbeiterinnen, die nicht einsehen, warum sie für den gekonnten Umgang mit unseren Kindern viel weniger verdienen als Facharbeiter in der Industrie für den gekonnten Umgang mit Maschinen."

Doch weil die Arbeitgeber einen Handlungsbedarf zur Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe grundsätzlich ablehnten, laufe jetzt die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik in Kitas und Horten, in Jugendzentren, offenen Ganztagsschulen, in der Schulsozialarbeit, in Heimen für Kinder und Jugendliche, im allgemeinen Sozialdienst sowie Einrichtung der Behindertenhilfe. "Das wird eine harte Auseinandersetzung, die viele Eltern hart treffen wird - weil Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte und ihre Verbandsfunktionäre die überfällige Anerkennung verweigern", so Bsirske. Deshalb appellierte der ver.di-Vorsitzende: "Unterstützt unsere streikenden Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst, indem Ihr euch an die Verantwortlichen in den Städten und Landkreisen wendet und sie auffordert, auf eine zügige Beendigung des Konflikts hinzuwirken - mit besserer Bezahlung der Erzieherinnen. Das liegt auch im Interesse der Eltern."

Angesichts der anhaltenden Angriffe der Wirtschaftsverbände betonte Bsirske die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns als "historischen Erfolg für die Gewerkschaftsbewegung". Rund vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien dadurch im Lohn angehoben worden, 1,2 Millionen davon hätten im vorigen Jahr Stundenlöhne von fünf Euro und weniger gehabt. "Arbeitende Armut und nichts anderes." Nachdem sich die vorgeschobenen Warnungen der Wirtschaft vor dem angeblichen "Jobkiller Mindestlohn" und die vermeintliche "Mindestlohn-Flaute" wie erwartet nicht bewahrheitet hätten, sei jetzt die Rede vom "bürokratischen Monster Mindestlohn". Dabei sei die Erfassung der Arbeitszeit nicht nur seit 20 Jahren vorgeschrieben, sondern auch ganz einfach: "Man nehme einen Zettel, schreibe Arbeitsbeginn und Arbeitsende drauf - fertig. Wer das lieber mit dem Computer oder Smartphone macht, bitteschön, geht auch. Ist gar nicht so schwer."

Tatsächlich gehe es bei den Attacken der Wirtschaftsverbände und ihrer Forderung nach einem Verzicht auf weitere Belastungen vor allem darum, zwei weitere Vereinbarungen aus der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung zu verhindern: das gesetzliche Verbot des Streikbrecher-Einsatzes von Leiharbeitern und die gesetzliche Festschreibung der Rechtsprechung gegen den Missbrauch von Scheinwerkverträgen und Scheinselbständigkeit. "Und noch etwas soll die Forderung nach einem ,Belastungsmoratorium' bewirken, jetzt wo das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Privilegierung vererbten Betriebsvermögens für verfassungswidrig erklärt hat: Geht es nach den Unternehmensverbänden soll Deutschland eine Steueroase bleiben bei der Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften", warnte Bsirske. "Würden wir hier auf das durchschnittliche Besteuerungsniveau in Europa aufschließen, hätten wir jährliche Mehreinnahmen von über 20 Milliarden Euro."

Doch trotz eines riesigen Investitionsbedarfs bei Bildung, Pflege und Verkehrsinfrastruktur sowie internationaler Forderungen an Deutschland, mehr für die Konjunktur zu tun, habe sich die CDU in der Großen Koalition auf das Projekt der "schwarzen Null" festgelegt. Dabei sei die Kreditaufnahme für den Bund sogar kostenlos. "Wer der Bundesrepublik derzeit für fünf Jahre Geld leiht, der bekommt nicht nur keine Zinsen, nein, er muss sogar draufzahlen. Umsonst Schulden zu machen, ja noch Gewinn daraus zu erzielen, dass andere einem Geld leihen - davon träumt jeder. Nur nicht der deutsche Finanzminister. Der hält eisern an seiner schwarzen Null fest", betonte Bsirske.

Stattdessen habe die Bundesregierung als Reaktion auf die eklatanten Investitionsschwächen bei offensichtlichem gesellschaftlichen Handlungsbedarf mit der Bildung einer Kommission reagiert, unter Beteiligung von Vorständen aus großen Banken und Versicherungskonzernen. Deren Empfehlung laute: Macht es für privates Kapital attraktiv in öffentliche Projekte zu investieren. "Private Public Partnership heißt das Zauberwort, obwohl alle wissen, dass bei PPP-Projekten Haushaltslasten nur in die Zukunft verschoben werden. Und das zu Kosten, die bei den bisherigen PPP-Projekten des Bundes um durchschnittlich rund 30 Prozent höher waren als wenn die öffentliche Hand es allein finanziert hätte", unterstrich der ver.di-Vorsitzende. Der Vorstand der Allianz-Versicherung erwarte bei solchen Projekten fünf bis sieben Prozent Rendite, damit sich das lohne. "Fünf bis sieben Prozent mehr als nötig wären, wenn der Staat den Straßenbau wie bisher auf Kredit finanzieren würde. Ich nenne das Verschwendung. Verschwendung zu Lasten der Allgemeinheit. Und die Zeche zahlt die Masse der Steuerzahler", so Bsirske. "Dass das weder ökonomisch vernünftig noch sozial gerecht ist, weiß auch Bundesfinanzminister Schäuble."

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Quelle:
Presseinformation vom 01.05.2015
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Christoph Schmitz - ver.di-Bundesvorstand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2015

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