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INTERNATIONAL/024: Lateinamerika - 'Multilatinas' erobern die die Weltmärkte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2011

Lateinamerika:
Zugpferde der Globalisierung - 'Multilatinas' erobern die Weltmärkte

Von Marcela Valente


Buenos Aires, 24. Januar (IPS) - Was lange Zeit undenkbar schien, hat das Wirtschaftswachstum in Zeiten der Globalisierung möglich gemacht: die Expansion lateinamerikanischer Konzerne auch außerhalb der Region. Mit mehr als 500 multinationalen Unternehmen ist Brasilien, was die Zahl der sogenannten 'Multilatinas' angeht, führend.

So spielen der brasilianische Bergbaugigant Vale und der Staatsbetrieb Petrobrás (Erdöl) längst eine führende globale Rolle. Das Gleiche lässt sich für mexikanische Konzerne wie den Brothersteller Bimbo und den Zementproduzenten 'Cementos Mexicanos' (Cemex) sagen. Mit ihrer Präsenz in den USA und anderen Weltregionen sind die Multilatinas längst zu Zugpferden der Globalisierung geworden.

Dabei beschränken sie sich nicht nur auf die Ausbeutung von Rohstoffen. Inzwischen sind sie in der Kosmetikbranche ebenso anzutreffen wie in der Gastronomie, dem Telekommunikationssektor und der Luftfahrt. Bemerkenswert ist, dass sich nicht nur die stärksten Industrienationen Lateinamerikas als Geburtshelfer der regionalen Multis erwiesen, sondern auch Staaten wie Guatemala oder Peru.

"Der Aufstieg der 'Global Latinas' muss zweifelsohne im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum gesehen werden, das auf die hohen Rohstoffpreise zurückzuführen ist", schreibt Lourdes Casanova in ihrem Buch 'Von Multilatinas zu Global Latinas, die neuen lateinamerikanischen Multis'. Der Startschuss ist demnach 2003 gefallen, als die gesamte Region ein wirtschaftliches Wachstum von durchschnittlich fünf Prozent verbuchte.


Aufbau breiter Mittelschicht

In einem Telefoninterview erläuterte Casanova, die an der Internationalen Graduiertenschule für Betriebswirtschaftslehre in Frankreich unterrichtet, die Herausforderungen, denen sich die lateinamerikanischen Multis stellen müssten. Dazu gehörten auch Maßnahmen zum Ausbau der Mittelschicht. Die Expertin erinnerte daran, dass auch Schwellenländer wie China und Indien ihren Aufschwung der Entwicklung einer breiten Mittelschicht verdanken, die großes Interesse an Hypotheken, Autos, Computer und Mobiltelefonen habe. "Es geht um eben eine Expansion, die sich nicht nur auf billige Arbeitskräfte gründet."

Lateinamerikanische Konzerne hätte ihre Fühler erst in Richtung Übersee ausgestreckt, als sämtliche Schwierigkeiten auf dem Heimatmarkt überwunden worden seien, berichtete Casanova. Von anderen global agierenden Konzernen des Nordens unterscheiden sie sich nur darin, dass sie durchweg zentralisiert geführte Familienimperien seien. Die Multilatinas hätten gelernt, auch in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld zu überleben und turbulente Gewässer zu durchkreuzen.

In ihrem Buch befasst sich die Expertin mit elf lateinamerikanischen Firmen. Dazu gehört der Brothersteller Bimbo, der 100.000 Menschen in 17 Ländern beschäftigt, ebenso wie das in 33 Ländern operierende Cemex-Imperium mit 57.000 Beschäftigten. Berücksicht wurde auch der Telekomriese América Móvil, der in 18 Ländern einen Kundenstamm von 200 Millionen Menschen aufbauen konnte.

Casanova nahm ebenso Brasiliens Luftfahrtgesellschaft Embraer, das Kosmetikunternehmen Natura, Petrobrás und Vale unter die Lupe. Zudem untersuchte sie die beiden Restaurantketten Pollo Campero mit Sitz in Guatemala und Niederlassungen in den USA, China und Indonesien sowie Astrid & Gastón in Peru mit Filialen in Spanien und acht lateinamerikanischen Ländern.


Mexikanischer Unternehmer reichster Mann der Welt

Der Boom, den lateinamerikanische Multis erleben, lässt sich auch an den Personen ablesen, die es auf die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt gebracht haben. So ist der mexikanische Telekommunikationsmogul Carlos Slim 2011 zum zweiten Mal in Folge mit einem Nettoeinkommen von 74 Milliarden US-Dollar zum reichsten Mann der Welt gekürt worden.

"Globalisierung fördert Entwicklung", meint Bernardo Kosacoff, Leiter des Zentrums für Unternehmerschaft, Wettbewerb und Entwicklung der privaten Universität von San Andrés in Argentinien. Auch wenn multilaterale Unternehmen häufig aufgrund sozialer, arbeitsrechtlicher und ökologischer Missstände in die Kritik gerieten, wäre es der falsche Schluss, weniger zu produzieren, meinte er. "Was wir brauchen sind Richtlinien, die sicherstellen, dass die Einnahmen der Unternehmen auch zur Entwicklung ihrer Länder beitragen." (Ende/IPS/kb/2011)


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2011