Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

INTERNATIONAL/034: Sudan - Im Norden wächst die Angst vor Inflation, der Süden wird am 9. Juli unabhängig (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2011

Sudan: Im Norden wächst die Angst vor Inflation - Der Süden wird am 9. Juli unabhängig

Von Reem Abbas


Khartum, 27. Juni (IPS) - Amira Amer muss sparen. Anstatt wie früher ihre Kunden in Khartum in einem komfortablen klimatisierten Bus zu besuchen, quetscht sich die Geschäftsfrau, die ihren richtigen Namen nicht nennen mag, heute mit ihrem Warensortiment in einen der überfüllten, stickigen Stadtbusse. Sie kann sich die umgerechnet 1,20 US-Dollar für die Hin- und Rückfahrt in einem modernen Bus nicht mehr leisten.

Der Lieferservice, den Amer bietet, kostet sie viel Zeit und Geld. "Viele meiner Kunden bestehen auf Ratenzahlung, die ich wöchentlich oder monatlich bei ihnen kassieren muss", berichtete sie IPS. Wie sie klagen in der sudanesischen Hauptstadt selbst mittelständische Verbraucher über die anhaltende Teuerung und den Verfall der Landeswährung.

2006 lag der Kurswert des Sudanesischen Pfundes (SDG) bei 2,30 Dollar, heute bei gerade einmal 37 US-Cent. Damals florierte die Wirtschaft des ölreichen nordostafrikanischen Flächenstaates. Auf dem Weltmarkt erreichte der Preis für Erdöl Spitzenwerte, und nach dem Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs 2005 strömten ausländische Investoren ins Land.


Die guten Jahre sind vorbei

Es gab viele neue Jobs und gut bezahlte junge Leute, die sich ein Auto auf Kredit kaufen konnten oder im Urlaub nach Kairo, Dubai oder Kuala Lumpur jetteten. "Heute verreist niemand mehr", klagte Mahad Ali, Mitarbeiterin eines Reisebüros im Geschäftszentrum von Khartum. Vor ein paar Monaten haben die Flugpreise um 25 Prozent angezogen, viele Airlines akzeptieren wegen der Talfahrt des SDG nur noch Dollar, und in Erwartung schlechterer Zeiten halten die Leute ihr Geld zusammen.

Die wirtschaftliche Talfahrt des Sudans begann im November 2010. Damals erklärte die Regierung, dem Sudan fehlten Devisen. Für die anhaltend steigenden Preise machte Wirtschafts- und Finanzminister Mahmoud Hassanein die Sudanesen verantwortlich. Ihr Konsum übersteige die Produktion im Land, kritisierte er.

Aus Sorge um ihren bisherigen Lebensstandard erwarten im Sudan gut verdienende Mittelständler die für den 9. Juli erwartete Unabhängigkeit des Südsudans mit Skepsis. Durch die Teilung des Landes dürfte der Norden knapp 40 Prozent seiner Erdöleinnahmen verlieren.

An eine Anpassung der Gehälter an die rasant steigenden Lebenshaltungskosten ist nicht zu denken. Besonders die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker und Milch sind deutlich gestiegen, Brot wurde 25 Prozent teurer, Sesamöl um fast elf Prozent. Exquisitere Waren verstauben in den Regalen der Supermärkte. In Khartum berichtete ein Universitätsprofessor: "Früher bezahlte ich für meinen Wocheneinkauf an Gemüse, Obst, Fleisch und anderen Lebensmitteln 250 SDG, inzwischen kostet er mich 350 SDG."


Kritik an Devisenpolitik

Ahmed, der anders heißt und gelegentlich auf dem Schwarzmarkt mit Devisen handelt, sieht in der Devisenpolitik der Regierung einen Grund für die Inflation. "2010 setzte die Regierung alles daran, den Wechselkurs des SDG bei 2,50 Dollar zu halten und dem illegalen Devisenhandel das Wasser abzugraben. Doch die Leute fühlten sich dadurch abgezockt. Wer reisen will und Devisen braucht, durfte maximal 1.000 Dollar eintauschen und auch dies nur auf dem Flugplatz. Damit kommt man nicht weit, auch wenn die umtauschbare Höchstsumme inzwischen auf 1.500 Euro erhöht wurde", sagte er IPS.

Najm El Deen Ibrahim, ein leitender Beamter der Sudanesischen Zentralbank, beruhigt. Eine weitere Abwertung der Landeswährung werde es nicht geben, versicherte der für die Festsetzung des Wechselkurses verantwortliche Banker. "Die Währung bleibt stabil. Wir haben eine große Menge Devisen auf den Markt gebracht, mit denen wichtige Importeure, Wechselbüros und Handelsbanken versorgt werden", erklärte er.

Nicht der Wechselkurs treibe die Preise im Inland hoch, sondern der Anstieg der Weltmarktpreise für Rohstoffe, betonte der sudanesische Währungsexperte. (Ende/IPS/mp/2011)


Link:
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56207

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2011