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INTERNATIONAL/038: Bangladesch - Kreditnehmerinnen verleihen Geld, Selbsthilfeprogramm erfolgreich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Juli 2011

Bangladesch: Kreditnehmerinnen verleihen Geld - Selbsthilfeprogramm erfolgreich

Von Naimul Haq

Frauen wird mit Mikrokrediten geholfen - Bild: © Naimul Haq/IPS

Frauen wird mit Mikrokrediten geholfen
Bild: © Naimul Haq/IPS

Dhaka, 12. Juli (IPS) - In einigen abgelegenen Dörfern des Armenlandes Bangladesch verdienen Frauen nicht nur ihr eigenes Geld, sondern verleihen es auch. Möglich wird dies durch ein Programm für Mikrokredite, das eine lokale Nichtregierungsorganisation (NGO) auf den Weg gebracht hat.

Traditionelle Mikrokredit-Modelle stützen sich auf externe Partner. Die in Bangladesch ansässige NGO 'Pally Bikash Kendra' (PBK) hat dagegen einen anderen Weg eingeschlagen. Die Kreditnehmerinnen bilden selbst Rücklagen, um kleine Unternehmen am Leben zu erhalten.

Das Programm 'Selbsthilfe' wurde vor viereinhalb Jahren im Distrikt Kishoreganj im Landesinnern von Bangladesch, etwa 150 Kilometer von der Hauptstadt Dhaka entfernt, gestartet. Inzwischen verfügen die 317 Frauen, die in der Region zusammenarbeiten, über umgerechnet rund 200.000 US-Dollar.

Die 28-jährige Bishan Chkraborti gehört zu den Nutznießerinnen, die buchstäblich bei null angefangen haben. Inzwischen züchtet sie Schwäne und verkauft sie auf dem Markt. Noch vor vier Jahren musste ihr Sohn die Schule abbrechen, weil die Mutter die Kosten für die Fähre, die den Jungen durch das Sumpfland bis zur Schule transportierte, nicht mehr aufbringen konnte. "Ich hatte kein eigenes Einkommen, denn mein Mann konnte aufgrund einer Behinderung nicht arbeiten".

Damals lebte die Familie zu dritt in einer winzigen Bambushütte. Inzwischen hat sie ein geräumiges Haus mit Blechdach und Lehmboden bezogen, das von einem Bambuszaun umgeben ist. Chkraborti baut auch Gemüse an, das sie an ihre Nachbarn verkauft. Ihr Sohn geht wieder zur Schule.


Kredite zu Niedrigstzinsen

Das 'Selbsthilfe'-Programm richtet sich an extrem arme Frauen und basiert auf dem Grundsatz, mit viel Disziplin Geld zu verdienen und anzusparen. Kleinere Beträge werden an Bedürftige zu niedrigen Zinssätzen ausgeliehen. Die Organisation unterteilt sich in Gruppen zu je 15 Frauen - zumeist Landlose, Witwen, Bettlerinnen und Geschiedene, die jeden Monat umgerechnet 13 Cent zurücklegen. Regelmäßig treffen sie sich, um über neue Kreditanträge zu entscheiden.

"Säumige Schuldner gibt es bei uns nicht", berichtet Padabi Rani Das stolz. "Wenn ein Mitglied es nicht schafft, schaffen wir es alle nicht. Deshalb haben wir ein System, dass uns dabei hilft, unsere Schwierigkeiten zu überwinden."

Koordinatorinnen wie Foyzur Rahman beraten die Frauen bei der Kontenführung und bei Geldeinlagen bei der lokalen Bank. Außerdem geben sie Ratschläge bei Existenzgründungen. Anfangs stießen die Initiatorinnen allerdings auch auf Vorbehalte. "Manche dachten, wir sind Geldhaie", erinnert sich die PBK-Programmmanagerin Fahmida Jigor Jahan.

"Als die Frauen dann aber merkten, dass sie ihre Armut allmählich überwanden, fragten sie nach größeren Darlehen", erklärt Jahan. Das sei zunächst eine große Herausforderung gewesen, da keine der Frauen Erfahrung im Umgang mit höheren Summen gehabt habe. 50 Dollar seien ihnen bereits als Vermögen erschienen.

Jedes Mitglied konnte ein so genanntes Anfangsdarlehen für Kleinunternehmerinnen im Umfang von 13 Dollar beantragen. Die Frauen machten sich als Näherinnen, Gemüsebäuerinnen, Fischverkäuferinnen oder Viehzüchterinnen selbständig. Sobald eine Kreditnehmerin das Geld zurückgezahlt hat, erwirbt sie einen Anspruch auf ein weiteres höheres Darlehen. Ab einer bestimmten Stufe kann sie auch höhere Summen von 53 bis 133 Dollar leihen.

In der Regel werden mit solchen Krediten Lebensmittelläden erweitert, Gemüsefelder und andere Agrarunternehmen finanziert. Jugomaya Rani Das hat das Geld dazu verwendet, Gemüse anzubauen und die Fischzucht ihres Mannes zu fördern.

Die Mutter von zwei Söhnen ist mittlerweile Leiterin einer Gruppe innerhalb der Organisation. Vorher hatte sie jahrelang in extremer Armut gelebt. "Wenn man kein Geld verdient, ist das Leben elend", sagt sie. "Wir hatten uns viel geliehen, konnten aber nichts zurückzahlen. Irgendwann habe ich daran gedacht, betteln zu gehen."


Durch Kredite zum Geschäftserfolg

Für Das kam dann alles ganz anders. Nach vier Jahren Mitgliedschaft in der 'Selbsthilfe'-Organisation laufen ihre Geschäfte jetzt rund. Jeden Tag fängt sie Fisch, um ihn dann auf dem Markt anzubieten. Damit verdient sie täglich etwa sechs Dollar. Außerdem verpachtet sie Land an Reisbauern, womit sie in vier Monaten etwa 460 Dollar Gewinn macht.

Rund 50 Gruppen, die auf Gemeindeebene in Organisationen zusammengeschlossen sind, können größere Kredite bei externen Gebern wie der 'Pali Karma Shahayak'-Stiftung (PKSF) beantragen, um ihre Mikrokreditprogramme auszuweiten. PKSF gehören mehr als 250 Partnerorganisationen an, die Darlehen in unterschiedlichem Umfang anbieten.

Seit den Anfängen vor 20 Jahren hat die Stiftung über NGOs bereits mehr als sechs Milliarden Dollar an 8,6 Millionen Kreditnehmerinnen ausgegeben. Die Organisation PBK greift zurzeit fast 38.000 größtenteils armen Frauen unter die Arme. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.pbk-bd.org/
http://www.pksf-bd.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56393

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Juli 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2011