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INTERNATIONAL/224: Mexiko - Europäischen Windparkbetreibern Verstöße gegen OECD-Leitlinien vorgeworfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. September 2014

Mexiko:
Europäischen Windparkbetreibern Verstöße gegen OECD-Leitlinien vorgeworfen

von Emilio Godoy


Bild: Mit freundlicher Genehmigung der Vereinigung der Versammlung der Indigenen Völker der Landenge zum Schutz von Land und Territorium

Im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca erheben indigene Gemeinschaften Vorwürfe, dass der Bau von vier Windkraftparks auf ihren Territorien gegen ihre Menschenrechte verstößt.
Bild: Mit freundlicher Genehmigung der Vereinigung der Versammlung der Indigenen Völker der Landenge zum Schutz von Land und Territorium

Mexiko-Stadt, 2. September (IPS) - Im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca sind vier Windparks, die mit europäischem Kapital gebaut und betrieben werden, in die Kritik geraten. Die Projekte verstoßen nach Ansicht von Aktivisten gegen die Leitsätze der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Drei der Projekte werden vom Energieversorger 'Electricité de France' (EDF) vorangebracht, das vierte mit Geldern dänischer und niederländischer Steuerzahler.

Wie Benjamin Cokelet, Gründer und Leiter der Nichtregierungsorganisation PODER, erklärt, ist es im Zusammenhang mit den Windfarmen zu etlichen Menschenrechtsverstößen gekommen, mit denen sich die OECD, ein Zusammenschluss aus 34 Industrieländern inklusive der beiden lateinamerikanischen Länder Mexiko und Südamerika, befassen sollte.

"Im Zusammenhang mit den EDF-Windparks wird zwar behauptet, dass es zu den vorherigen, obligatorischen Gesprächen mit den betroffenen Gemeinden gekommen sei. Doch konnten wir keine Beweise dafür finden, dass die Zustimmung erfolgt ist", berichtet der Chef der in New York ansässigen Gruppe. PODER, was aus dem Spanischen übersetzt 'Einfluss' bedeutet, setzt sich für mehr Transparenz und Verantwortlichkeit von Konzernen in Lateinamerika ein.

Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen enthalten weltweit gültige Empfehlungen für verantwortliches Handeln auch in Fragen der Menschen- und Arbeitsrechte, der Umwelt und des Verbraucherschutzes. So heißt es beispielsweise in einem Leitsatz, dass die Unternehmen "der Öffentlichkeit und den Beschäftigten zweckdienliche, messbare, (gegebenenfalls) überprüfbare und aktuelle Informationen über mögliche Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt, Gesundheit und Sicherheit zur Verfügung stellen".


Windreiche Landenge

Derzeit produzieren in Mexiko 26 Windparks rund 1.900 Megawatt (MW) Strom, wobei spanische Unternehmen die Führung übernommen haben. Die Landenge Tehuantepec in Oaxaca besitzt das höchste Windkraftpotenzial des Landes.

Im erdölreichen Mexiko tragen erneuerbare Energien (ohne Wasserkraftwerke) zu fast sieben Prozent der gesamten Energieversorgung bei. Bis 2018 soll der Anteil auf 23 Prozent, bis 2024 auf 25 und bis 2027 auf 26 Prozent gesteigert werden. Zu Beginn der nächsten Dekade sollen 15.000 MW Strom mit Windmühlen generiert werden.

Die EDF-Niederlassung 'EDF Energies Nouvelles' (EDF EN) betreibt auf Tehuantepec die 'Mata-La Ventosa'-Windfarm. Ein weiterer Firmenableger ist Miteigentümer des 'Bii-Stinu'-Windparks und ein dritter führt die 'Santo-Domingo'-Windfarm. Alle drei Projekte befinden sich auf der Landenge von Tehuantepec, der schmalsten Stelle des Landes zwischen dem Golf von Mexiko und dem Pazifik. Mata-La Ventosa generiert 67,5 MW, Bii Stinu 164 and Santo Domingo 160 MW.

Das vierte umstrittene Windprojekt ist 'Mareña Renovables', das über eine Energieproduktionskapazität von 396 MW verfügt. Es befindet sich in San Dionisio del Mar am Pazifik, steht aber aufgrund eines rechtlichen Verfahrens seit letztem Jahr still.

PODER zufolge ist die 200 Kilometer breite und 30 000 Quadratkilometer große Meerenge Standort von mindestens 20 Windparks, die von 16 Unternehmen betrieben oder vorangebracht werden. In Tehuantepec leben aber auch 1.230 Gemeinschaften von der Landwirtschaft, die vor allem auf indigenen 'ejdios' oder kommunalen Gebieten stattfindet. Die Zapotec und die Ikoot sind die größten der hier anzutreffenden indigenen Gruppen.

PODER-Berichten zufolge finden die Energieunternehmen hier äußerst günstige Windkraftbedingungen vor, von denen die lokale Bevölkerung wenig hat. "Hier geraten öffentliche und private Akteure aneinander", heißt es. Die Asymmetrie in den Beziehungen zeigt sich unter anderem in erbärmlich niedrigen Landpachtgebühren. Auch würden potenzielle Dauerschäden für die Agrarflächen verschwiegen, mögliche Regelungen über Entschädigungszahlungen stünden aus.


Sozialstandards ignoriert

Die indigenen Gemeinschaften haben gemäß der Ureinwohnerkonvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker ein Recht darauf, bei Infrastruktur- und Entwicklungsprojekten auf ihren Territorien vorab gefragt zu werden. Dieses Recht wurde jedoch von den Firmen, die die Windfarmen auf der Landenge bauen, nach Erkenntnissen von PODER nicht berücksichtigt. Cokelet zufolge haben sich die Konzerne somit nicht an internationale soziale Standards gehalten.

Seit vergangenen Dezember ist EDF EN Mitglied des 'Global Compact' der Vereinten Nationen. Dabei handelt es sich "um eine strategische Initiative für Unternehmen, die sich verpflichten, ihre Geschäftstätigkeiten und Strategien an zehn universell anerkannten Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung auszurichten". Im kommenden Dezember muss EDF EN über die Einhaltung dieser Prinzipien Bericht ablegen.

Der Bau der Mareña-Renovables-Windfarm wurde bereits aufgrund eines Gerichtsurteils zugunsten der betroffenen Gemeinschaften 2013 eingestellt. Das Vorhaben sieht zwei Windparks vor, die insgesamt 396 MW Strom produzieren sollen. Die Investitionen werden mit 1,2 Milliarden Dollar angegeben. Anteilig beteiligt an dem Projekt ist unter anderem der größte niederländische Pensionsfonds PGGM. Das Projekt wird auch von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IaDB) mit fast 75 Millionen Dollar bezuschusst. Die dänische Export-Kredit-Anstalt EKF ist mit 20 Millionen Dollar dabei.

Im Dezember 2012 hatte das internationale 'Indian Law Resource Center', das sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, im Namen von 225 Einwohnern aus sieben indigenen Gemeinden Beschwerde beim Unabhängigen Beratungs- und Untersuchungsmechanismus (ICIM) der IaDB eingelegt. Darin werden Schäden angeführt, die den Indigenen in Ermangelung einer Mitsprache bei Projektbeginn und durch fehlende Schutzvorkehrungen im Projektdesign und bei der Projektausführung entstehen könnten.

Im September 2013 war die Beschwerde von der zuständigen IaDB-Kontrollstelle angenommen worden, die einen Bericht erstellen und überprüfen wird, ob im Zusammenhang mit dem Vorhaben IaDB-Richtlinien verletzt wurden.

Mata-La Ventosa hatte zudem einen Kredit der Internationalen Finanzkooperation (IFC) der Weltbankgruppe in Höhe von 189 Millionen Dollar erhalten. Die IFC stellte weitere 15 Millionen Dollar über den Fonds für saubere Technologien (CTF) bereit.

Der für Mexiko und Zentralamerika zuständige IFC-Manager Roberto Albisetti bestätigte gegenüber IPS, dass seine Organisation auf Beschwerden gegen die Windfarmen in Oaxaca gefasst sei. Bisher jedoch lägen der dafür zuständigen Stelle CAO keine Beschwerden vor. "Die Beratungen mit den Gemeinden sind sehr wichtig", betont er. "Wir stecken sehr viel Geld in den Beratungsprozess, weil es allemal besser ist, Beschwerden zu verhindern, als sich später mit ihnen auseinandersetzen zu müssen." 2010 hatte die IFC 375 Millionen Dollar in den Bau des Eurus, einem weiteren Windpark in Oaxaca investiert, der 250 MW generiert.


Viel Strom für Coca-Cola

Das PGGM-Projekt Mareña Renovables sieht sich auch aus einem anderen Grund mit einem internationalen Rechtsstreit konfrontiert. 'Fomento Económico Mexicano' (Femsa), das Coca-Cola-Abfüllunternehmen in Mexiko, wäre der größte Stromabnehmer des Windparks.

Auch Femsa, der zweitgrößte Aktionär des niederländischen Brauereiunternehmens 'Heineken International', hat den Global Compact (2005) unterzeichnet. Im März 2015 ist der Rechenschaftsbericht fällig. Heineken ist der Firmeninitiative im Januar 2006 beigetreten und hatte seinen Compliance-Bericht im Juli vorgelegt.

Wie der PODER-Chef Cokelet erklärt, steht der dänischen EKF-Export-Kreditanstalt, ebenfalls Unterzeichner der Global-Compact-Richtlinien, ebenso ein Rechtsverfahren der OECD ins Haus, weil sie gegen deren Leitlinien verstoßen hat, bei der Bereitstellung von öffentlichen Exportkrediten in einkommensschwache Länder das Prinzip der Nachhaltigkeit einzuhalten. Auch Heineken und PGGM müssten mit ebensolchen Beschwerden rechnen. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/08/parques-eolicos-mexicanos-violarian-normas-de-la-ocde/
http://www.ipsnews.net/2014/08/mexicos-wind-parks-may-violate-oecd-rules/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2014