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INTERNATIONAL/257: Pazifik - Regionale Wirtschaft profitiert allmählich von internationalem Erdölpreisverfall (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2015

Pazifik: Regionale Wirtschaft profitiert allmählich von internationalem Erdölpreisverfall

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Auf den Pazifikinseln wird Öl vor allem im Transportsektor gebraucht
Bild: © Catherine Wilson/IPS

CANBERRA, AUSTRALIEN (IPS) - Vom dramatischen Niedergang der internationalen Erdölpreise profitieren inzwischen auch die pazifischen Inselstaaten in Form von niedrigeren Energiepreisen und geringeren Ölimportkosten.

War das Barrel Rohöl im Juni letzten Jahres noch für 114 US-Dollar gehandelt worden, lag der Wert im Januar 2015 bei 47 Dollar. Obwohl der Preis Anfang Mai auf 68 Dollar anzog, werden die Länder der Region Experten zufolge immer noch profitieren.

"Es spricht einiges dafür, dass sich die niedrigeren Treibstoffkosten auf alle Pazifikinseln positiv auswirken werden", meint Alan Bartmanovich, Berater des Sekretariats der Pazifischen Gemeinschaft (SPC) mit Sitz auf den Fidschi-Inseln. "Bis die Nahrungsmittel- und Transportsektoren reagieren, wird es aber noch ein Weilchen dauern."

Ein globales Überangebot an Öl infolge einer Zunahme der US-amerikanischen Produktion und einer Abnahme der Nachfrage aufgrund der Wirtschaftskrise in Europa sind die Hauptgründe für den Niedergang der Ölpreise.

Die Entscheidung der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) wie Saudi-Arabien und Venezuela, die 40 Prozent des globalen Rohöls produzieren, am derzeitigen Produktionsvolumen festzuhalten, machen eine baldige Erhöhung der Erdölpreise unwahrscheinlich.

In der Pazifikregion leben zehn Millionen Menschen in 22 Ländern und Territorien, die wiederum aus tausenden Inseln mit einer Gesamtfläche von 180 Millionen Quadratkilometern bestehen. Nach Angaben der Weltbank sind mehr als 20 Prozent der Pazifikinsulaner nicht in der Lage, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu stillen. In Fidschi, Kiribati, auf den Marshallinseln, in Nauru, Samoa, Tonga und Tuvalu besteht im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung nur eine Beschäftigtenrate von 30 bis 50 Prozent.


Gute Entwicklungschancen

Die Dividenden, die sich aus dem Rückgang der Ölpreise ergeben, könnten für die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Entwicklung von Millionen Menschen in der Region entscheidend sein. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in ländlichen Regionen mit geringer Basisversorgung und wenigen Jobmöglichkeiten.

Viele der Länder wollen auf erneuerbare Energien umsteigen. Doch noch hängt die Region stark von fossilen Brennstoffen ab. Das gilt besonders für den Strom- und den Transportsektor. Die Treibstoffimporte verschlingen auf den Cook-Inseln, in Guam, Nauru, Niue und Tuvalu zehn Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP), wobei Diesel der Hauptenergieträger ist.


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Die ländlichen Gemeinschaften auf den Salomonen benutzen fossile Brennstoffe für den Transport - etwa für motorisierte Kanus
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Da das Öl auf einem langen Weg zu den weit auseinanderliegenden pazifischen Inselstaaten transportiert werden muss, ist dies mit hohen Kosten verbunden. Die Verschiffung in entfernt liegende Inselprovinzen innerhalb der einzelnen Länder kann Zusatzkosten von 20 bis 40 Prozent verursachen.

Dazu meint Maureen Penjueli, Koordinatorin des Pazifischen Netzwerks für Globalisierung, eine regionale zivilgesellschaftliche Organisation: "Erst seit einem Monat können die Menschen bei uns auf den Fidschis die positiven Wirkungen des Erdölpreisverfalls etwa bei den Gaspumpen und der Kerosinnachfrage spüren."

Seit 2014 ist dort der Preis für Diesel, mit dem in erster Linie Stromgeneratoren angetrieben werden, von 1,17 Dollar auf 0,82 Dollar pro Liter im April zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum sanken die Kerosinkosten von 1,09 auf 0,62 Dollar. "Dass Kerosin nicht mehr so teuer ist, freut sowohl die Land- als die Stadtbevölkerung, weil sie mit Kerosin kocht", so Penjueli.

Diese Entwicklung ist seit dem Ölpreisanstieg im Zeitraum 2002 bis 2008 und der globalen Finanzkrise, die die Pazifikinselstaaten rund zehn Prozent ihres BIP kostete, mehr als willkommen. Steigende Inflation und zunehmende Handelsdefizite hatten die Kapazitäten der Pazifikstaaten, die Armut zu bekämpfen und Entwicklungsprogramme und öffentliche Dienstleistungen anzubieten, erheblich eingeschränkt.

Damals erlebten die Pazifikinsulaner einen drastischen Höhenflug der Nahrungsmittel-, Strom- und Transportkosten. Zwischen 2009 und 2010 schnellten die Preise für einige Grundnahrungsmittel in mindestens sechs Pazifikstaaten um 50 bis 100 Prozent hoch. In Vanuatu zogen die Preise für Taro, ein essbares Knollengewächs, von 1,95 auf 3,91 Dollar und für Yamswurzeln von 6,85 auf 14,68 Dollar an. Die Kaufkraft der Familieneinkommen sank, was den Ärmsten besonders stark zusetzte.

Penjueli kritisiert, dass sich der Erdölpreisverfall bisher nicht bei den Nahrungsmittelpreisen bemerkbar gemacht hat. Die Einzelhandelsgeschäfte hätten noch nicht reagiert.


Wirtschaftswachstumschancen

Nach Schätzungen der Weltbank birgt ein Rückgang der internationalen Erdölpreise von zehn Prozent für die Ölimportländer die Aussicht auf ein Wirtschaftswachstum von 0,1 bis 0,5 Prozent. Das Wirtschaftswachstum der Salomonen, der Fidschi-Inseln und Vanuatu wird 2015 und 2016 mehr oder minder stabil bei 3,5 Prozent, 2,5 Prozent beziehungsweise 3,2 Prozent liegen. An der Ölpreisfront werden keine Überraschungen erwartet. Die Preise bleiben gering und werden 2016 den Prognosen zufolge nur geringfügig steigen.

Dibyendu Maiti, Wissenschaftler an der Wirtschaftsschule der Universität des Südpazifik auf den Fidschi-Inseln, empfiehlt den regionalen Staaten, sich den Preisverfall zunutze zu machen. "Wie und zu welchem Ausmaß die Regierungen in der Lage sein werden, den Ölpreisverfall zum Wohl aller zu nutzen, hängt davon ab, wie schnell sie ihre Ziele zur Senkung der Inflation erreichen und in den Aufbau der Infrastruktur und in Entwicklungsprogramme investieren werden", sagt er.

Zu den Prioritäten müssten Investitionen in Bildung und Fachwissen gehören. Außerdem gelte es den Privatsektor zu motivieren, mehr zu investieren. "Dadurch ließe sich ein langfristiger Spill-Over-Effekt in Gestalt von Arbeitsplätzen erreichen", sagte Maiti.

Um die Anfälligkeit der pazifischen Inselstaaten für externe Schocks zu verringern und die finanzielle Belastung durch die Erdölimporte zu verringern, sind die Länder gut beraten, am geplanten Umstieg auf lokal produzierte erneuerbare Energien festzuhalten.

Vor drei Jahren hatte Tokelau, ein winziges polynesisches Territorium in der Mitte des Zentralpazifiks, ein Zeichen gesetzt, indem hier der Umstieg auf Solarstrom gelang. Seither decken die 1.411 Einwohner ihren Energiebedarf zu 100 Prozent mit der Kraft der Sonne. Das ist angesichts eines BIP von nur 1,5 Millionen Dollar eine bemerkenswerte Leistung. Bis dahin hatten die Insulaner jedes Jahr rund 754.000 Dollar für den Import fossiler Brennstoffe ausgegeben. (Ende/IPS/kb/07.05.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/falling-oil-prices-trigger-initial-economic-gains-for-pacific-islanders/

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IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2015

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