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INTERNATIONAL/276: Südkorea - Vom Hilfsempfänger zum Geberstaat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. August 2015

Südkorea: Vom Hilfsempfänger zum Geberstaat

von Thalif Deen



Bild: © Anton Strogonoff/CC-BY-2.0

In den letzten zwei Jahrzehnten hat es Südkorea an die Spitze der weltführenden Wirtschaftsnationen geschafft
Bild: © Anton Strogonoff/CC-BY-2.0

NEW YORK (IPS) - Als Südkorea 1996 freiwillig die Gruppe der 77 (G77), die mit 132 Mitgliedern größte Koalition von Entwicklungsländern, verließ, trat es dem 'Pariser Club' der Reichen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gern genannt wird, bei.

Als einem von drei Staaten, die die G77 zugunsten der 34 Mitglieder zählenden OECD verlassen haben - die anderen beiden sind Mexiko und Chile - ist es Korea in den letzten zwei Jahrzehnten gelungen, zu einer privilegierten Industrienation aufzusteigen.

Was mindestens ebenso bemerkenswert ist: Das Land hat sich vom Hilfsempfänger zu einem wichtigen Geberland gemausert. Wie Botschafter Hahn Choong-hee, Südkoreas ständiger Vizevertreter bei den Vereinten Nationen, gegenüber IPS erklärte, konzentriert man sich bei der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere auf 26 von insgesamt 130 Partnerländern. Ausschlaggebend für die Auswahl der bevorzugten Kandidaten seien Faktoren wie die Einkommensverhältnisse, die politische Lage, die diplomatischen Beziehungen zu Südkorea und das Wirtschaftspotenzial gewesen.

70 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) teilen sich nun Aserbaidschan, Äthiopien, Bangladesch, Bolivien, die Demokratische Republik Kongo, Ghana, Indonesien, Kambodscha, Kamerun, Kolumbien, Laos, Mosambik, die Mongolei, Nepal, Nigeria, Osttimor, Pakistan, Paraguay, Peru, die Philippinen, Ruanda, die Salomonen, Sri Lanka, Uganda, Usbekistan und Vietnam.


Anstieg der ODA

2014 stieg die südkoreanische Netto-ODA auf 1,85 Milliarden US-Dollar. Somit belegt das Land, gemessen am Volumen der Hilfszahlungen der Mitglieder des Entwicklungshilfekomitees (DAC) der OECD, den 16. Platz. Mit einer Entwicklungshilfe, die 0,13 Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht, katapultierte sich Südkorea auf den 23. Platz der OECD-DAC-Staaten. "In dem Bestreben, eine größere internationale Rolle einzunehmen und seiner Verantwortung als wichtiger Geber nachzukommen, wird Korea seine ODA weiter erhöhen", versicherte Hahn.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist ein ehemaliger Außenminister Südkoreas. Er drängt die internationale Gemeinschaft immer wieder zu Fortschritten in den Bereichen der nachhaltigen Entwicklung, der Konfliktprävention und -lösung sowie der Menschenrechte und Demokratisierung, den drei Säulen der UN-Aktivitäten. "Korea hält in allen drei Bereichen einzigartige Lehren parat und kann als Katalysator die Welt in diesen Fragen zusammenbringen", ist Ban überzeugt.

Südkorea sei binnen einer Generation der Übergang von einem Entwicklungs- zu einem Geberland gelungen. Außerdem habe das Land 2010 erfolgreich den G20-Gipfel der Industrie- und Schwellenländer ausgerichtet. Entsprechend hoch seien die Erwartungen, die die Weltgemeinschaft an Korea habe, versicherte Ban.

An internationalem Profil zulegen konnte der asatische Tigerstaat durch die Ansiedlung internationaler Organisationen. So ist Südkorea Sitz des Globalen Instituts für grünes Wachstum und des neuen Sekretariats des Grünen Klimafonds.

In den 20 bis 30 zurückliegenden Jahren konnte Südkorea auch in wirtschaftlicher Hinsicht enorme Fortschritte erzielen. So hat es sich mit Marken wie 'Samsung', 'Hyundai', 'Kia', 'LG' und 'Daewoo' zu einer der größten Industrienationen der Welt aufgeschwungen. Diese Entwicklung sei mehreren Schlüsselfaktoren geschuldet, erklärte Hahn.

Erstens habe sich Korea auf der Grundlage nachhaltiger Wirtschaftsentwicklungspläne ehrgeizige und realistische Ziele gesetzt. So habe die Regierung in der Anfangsphase des Transformationsprozesses Fünf-Jahres-Pläne umgesetzt und den Übergang von der Leicht- zur Schwer- und schließlich zur Dienstleistungsindustrie vollzogen.

Zweitens sei in die Ausbildung der südkoreanischen Arbeitskräfte investiert worden. Der Besuch von Grund- und weiterführenden Schulen sei verpflichtend. "Der starke Wille des koreanischen Volkes, sich zu bilden, führte zudem zur Einrichtung einer hochwertigen Bildungsinfrastruktur", so der UN-Botschafter.

Drittens hätten Sorgfalt, Selbsthilfe und Zusammenarbeit zu sozialen Verbesserungen beigetragen. Hahn führte als Beispiel das Konzept 'Saemaul Undong' ('Bewegung Neues Dorf') an. Es habe in den 1970er Jahren entscheidend zur Armutsbekämpfung und Entwicklung in den ländlichen Gebieten beigetragen, die systematische Zusammenarbeit zwischen der Zentralregierung und den lokalen Behörden verstärkt sowie die Lokalregierungen und Gemeinschaften dazu ermuntert, sich aktiv für die Armutsbekämpfung zu engagieren.

Die erfolgreiche Armutsbekämpfung und Demokratisierung sei auch der Effizienz und Rechenschaftspflicht geschuldet. "Meiner Meinung nach haben inklusive Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und eine gesunde Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle beim Aufbau einer demokratischen und offenen Gesellschaft gespielt, die der Gerechtigkeit, den Menschenrechten und der menschlichen Würde den gebührenden Respekt zollt."


Ziel der Wiedervereinigung

Auf die Frage, ob sich Nord- und Südkorea nach dem Vorbild Deutschlands eines Tages wiedervereinigen werden, erklärte Hahn, dass die Teilung der Koreas 70 Jahre zurückliege. Wie die südkoreanische Staatspräsidentin Park Geun-hye brachte auch er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Bedingungen für eine friedliche Wiedervereinigung in naher Zukunft vorhanden seien und sich die koreanische Halbinsel für eine atomwaffenfreie Welt engagieren werde.

"Auf der Grundlage von vertrauensbildenden Maßnahmen unternehmen wir derzeit Anstrengungen, um den Boden für die Wiedervereinigung zu bereiten", erklärte er. Dabei setze man vor allem auf die weitere Entwicklung der innerkoreanischen Beziehungen, den Aufbau gegenseitigen Vertrauens und Entspannung.

Nach dem neuerlichen Säbelrasseln zwischen den beiden Bruderstaaten in diesem Monat, der durch die Explosion von Landminen in der demilitarisierten Zone verursacht worden war, setzen beide Länder derzeit auf Deeskalation. So sprach der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un von einer Rückkehr zu "Versöhnung und Vertrauen". Allerdings führte er die Einigung auf das Mittel der atomaren Abschreckung zurück. Nordkorea treibt ein militärisches Atomwaffenprogramm voran, während Südkorea unter dem US-Atomschild steht. (Ende/IPS/kb/28.08.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/08/emerging-industrial-power-rises-from-aid-beneficiary-to-donor-nation/

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IPS-Tagesdienst vom 28. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2015

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