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MESSE/3896: Auf der Agritechnica ist die mechanische Unkrautbekämpfung der letzte Schrei (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 416 - Dezember 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Die Zukunft ist mechanisch
Auf der Agritechnica ist die mechanische Unkrautbekämpfung der letzte Schrei

von Claudia Schiefelbein


Wer hätte das gedacht? Beim letzten Mal, vor zwei Jahren auf der weltgrößten Landtechnikmesse, der Agritechnica in Hannover, hätte noch kaum jemand den Begriff Pflanzenschutz mit mechanischer Unkrautbekämpfung verknüpft. Diesmal gibt es einen Schwerpunkt mit Bühne und ausgestellten Innovationen zum Thema: "Zukunft Pflanzenschutz - Verantwortung braucht Ideen", und das, was dem Besucher dort am meisten ins Auge sticht, ist die ausgestellte Technik in Sachen mechanischer Unkrautbekämpfung. Ein zugegeben noch futuristisch daherkommender Roboter, eine sehr reale kameragesteuerte Hacke von Schmotzer, ein APV-Striegel mit neuartigem Zinkenfederungssystem und John Deeres neues automatisiertes Rundum-sorglos-Hacksystem. Für letzteres wie auch für eine neue stereoskopische Kamera, die Claas gemeinsam mit verschiedenen Hackenherstellern entwickelt hat, gab es Silbermedaillen von der DLG. Auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Innovationspreise in einem Segment, das noch bis vor kurzem im weitesten Sinne eher als angestaubter Ökospinnkram gelabelt wurde. Weiterentwicklungen wurden bislang vielfach von findigen Tüftlern vorangetrieben. Ein Beispiel ist die Firma Treffler, deren Anspruch es ist, einfache, aber effektive und günstige Maschinen aufgrund von Erfahrungen und der Expertise von Bauern und Bäuerinnen zu konstruieren. Ähnlich waren auch die Anfänge der Firma K.U.L.T.-Kress umweltschonende Landtechnik, deren Agritechnica-Highlight eine Gemüsehacke ist, die über eine Kameraerkennung der Nutzpflanzen und hydraulisch angetriebene kleine Schlegler auch in der Reihe hackt. Die Kombination von Hightech-Kamera-Hacke und solider unempfindlicher Technik sorgt für einen spannenden Mix neuer Möglichkeiten.


Gestrig

Es ist eine Mischung aus mehreren Faktoren, die mechanische Unkrautbekämpfung plötzlich geradezu en vogue sein lässt. Ein nicht unerheblicher wird zunächst auf einer anderen Hallenbühne der Agritechnica verhandelt: "Glyphosat - verantwortungsvoller Umgang mit einem Wirkstoff." Alle Sitzplätze davor sind belegt, auf dem Podium bemühen sich Carolin von Kröcher, Leiterin des Pflanzenschutzamtes in Hannover und Mitautorin eines DLG-Merkblattes, das bereits 2013 einen kritischen Blick auf Glyphosat geworfen hatte, und Friedrich Baumgärtel, sachsen-anhaltinischer DLG-Vorstand, um die differenzierte Betrachtung des Themas. Gerade zuvor hatte ihr Präsident schon im Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt, man habe in der Vergangenheit zu viel Glyphosat eingesetzt und könne den Einsatz um die Hälfte verringern. Von Kröcher verweist auf den integrierten Pflanzenschutz, bei dem das Spritzmittel nur allerletztes Mittel sein sollte und der doch kaum eine Rolle in der konventionellen Praxis spielt. Baumgärtel hätte keine Probleme damit, wenn es bei einer Wiederzulassung zu Mengenbeschränkungen käme, allerdings hält er das ganze Thema Glyphosat für gelaufen angesichts der öffentlichen Debatte. Diese, bestimmt von den "Medien", den "NGOs" und den von Landwirtschaft keine Ahnung habenden Verbrauchern, wurde dann Gegenstand der Erregung im Publikum. Unterstützt durch einen weiteren Bauern und einen Vertreter Monsantos übte man dort höchstens Selbstkritik in Sachen Kommunikation. Ansonsten sind die pflügenden Ökobauern die zu kritisierenden, während nicht wendende Bodenbearbeitung mit Glyphosat als essentiellem Baustein gelebter Umweltschutz sei, so polarisierende Stimmen aus dem Auditorium. Nach der differenzierten Betrachtung am Anfang wurde die Diskussion immer gestriger. Szenenwechsel: Auf der Bühne beim Pflanzenschutz-Spezial steht danach an: "Mechanisch ist Trumpf." Auch hier volles Haus, die 70 Sitze reichen nicht für die vielen, vor allem jungen Leute.


Kameragesteuerte Präzision

Dabei gehört einer der Vortragenden eindeutig zu den Junggebliebenen, vorgestellt als Urgestein der Hackerei tritt Ferdinand Wahl von der Firma Schmotzer auf. "Vor zwanzig Jahren haben sie mir gesagt, machen Sie doch nur noch in Spritzen, damit geht die Arbeit doch viel schneller", erzählt er, "heute verkaufen wir zu 60 % Hacken." Die Technik habe sich in den letzten zehn Jahren enorm weiterentwickelt, so Wahl. Durch eine Kamerasteuerung, die über einen Verschieberahmen die Hacke führt, und durch Zinken mit Federführung und Parallelogrammaufhängungen sind Fahrgeschwindigkeiten von 15 km/h möglich bei gleichzeitiger Entlastung des Fahrers. Solche Hacken können inzwischen Spritzen bei der Arbeitsleistung Konkurrenz machen. Hinzu kommen Vorteile wie die Schonung der Nutzpflanzen, zum einen durch die exakte Hackenführung, zum anderen vor allem bei Mais und Rüben durch die Tatsache, dass die eingesetzten Herbizide immer auch negative Effekte auf sie haben. Ja und dann ist da noch das große Ganze: die restriktivere Zulassungspraxis für Pestizide, die kaum Neues auf den Markt lässt, die - Stichwort Glyphosat - zu universelle Anwendung von Mitteln in zu engen Fruchtfolgen, welche Resistenzen zu einer großen Herausforderung werden lässt, die bislang noch kaum beachteten schädlingsregulierenden Wirkungen der mechanischen Unkrautbekämpfung und schlussendlich die Gesellschaft, die Hacken sympathischer findet als Spritzen. "Mechanische Unkrautbekämpfung wird der globale Trend der nächsten Jahre", ist sich auch Martin Heinold von John Deere sicher. Nicht zuletzt deshalb engagiert sich einer der größten Landmaschinenhersteller. John Deere baut eine automatisierte Gerätelenkung in die Unterlenker ihrer Trecker, dadurch fällt der Verschieberahmen weg, Wege werden kürzer. Ob damit die nötige Präzision - schließlich sorgen die Unterlenker ja für eine Schwenkbewegung, nicht eine Parallelverschiebung - erreicht werden kann, muss die Praxis zeigen. Die Steuerung soll jedenfalls nicht nur über das Trecker-GPS, sondern auch über eine Kamera und einen Sensor auf der Hacke erfolgen. Schon ist man in Diskussionen über Details: Wie tief muss man hacken, gerade unterschneiden oder in leichtem Winkel? Braucht es Schutzscheiben für die Kulturpflanzen, Sechscheiben zur Seitenstabilisierung? Stört man mit solchen Scheiben unter Umständen Kapillarwirkungen und verliert damit nötige Feuchtigkeit? Und was, wenn es immer nur regnet, so wie in diesem Frühjahr? Kann man dann hacken, striegeln? Eine spannende Diskussion nach vorne entsteht, vieles muss sich auf dem Acker noch beweisen, aber es macht Spaß, den engagierten Technikern zuzuhören. Die viel beschworenen Innovationen der Agritechnica, hier sind sie greifbar.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 416 - Dezember 2017, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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(verbilligt auf Antrag 30,- Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2018

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