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REDE/464: Schäuble in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2011, 26.11.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag am 26. November 2010 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Gegen Ende der Haushaltsberatungen will ich zuerst einmal den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, seiner Vorsitzenden, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschuss und in den Fraktionen sowie in den Ministerien - auch im Bundesfinanzministerium - für die viele und gute Arbeit herzlich danken.

Der Kollege Hagemann hat zu Recht gesagt: Wir haben auch im Haushalt 2011 eine hohe Neuverschuldung. Das ist ja gar keine Frage. Dass sie niedriger ist, als wir noch vor einigen Monaten befürchtet haben, ist auch wahr. Deswegen ist es schon so: Wir sind auf dem richtigen Kurs. Aber weil wir auf dem richtigen Kurs sind, müssen wir diesen Weg auch weiter fortsetzen.

Herr Kollege Bonde, Sie haben gefragt: Gilt der Finanzplan? Natürlich gilt er. - Das wissen alle Mitglieder der Koalition und alle Minister. Es wird auch in der Zukunft so sein, dass wir in Bezug auf Einzelfragen in den kommenden Jahren im Lichte neuerer Entwicklungen Entscheidungen immer ein Stück weit anpassen müssen. Das haben wir auch in diesem Jahr getan. Sie haben es doch im März/April nicht für möglich gehalten, dass wir die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhalten würden. Wir haben sie eingehalten. Wir haben ein paar Veränderungen vorgenommen, aber wir haben sie eingehalten. Man hat es in diesem Lande und international nicht für möglich gehalten, dass man das machen und gleichzeitig Wachstum in unserem Lande generieren kann. Wir haben eine wachstumsfreundliche Exit-Strategie gefunden, und wir gehen genau diesen Weg weiter. Die Zahlen am Arbeitsmarkt zeigen, dass das eine Politik ist, die den Menschen in diesem Lande dient und die mehr soziale Sicherheit in diesem Lande schafft. Deswegen gehen wir diesen Weg auch weiter.

Der Kollege Fricke hat zu Recht gesagt: Wir haben den Kurswechsel in der Finanz- und Haushaltspolitik geschafft. Jetzt gilt es, Kurs zu halten. Das ist wichtig. Ich habe in meinem Beitrag am Dienstag gesagt: Es ist oft genug in der Vergangenheit der Fehler passiert, dass wir konjunkturelle Spielräume strukturell verschenkt haben. Wir, CDU/CSU und FDP, sind entschlossen, diesen Fehler nicht mehr zu machen, sondern den jetzt eingeschlagenen Weg, der ja der richtige ist, konsequent fortzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beschließen diesen Haushalt in einem außergewöhnlich kritischen und schwierigen europäischen und internationalen Umfeld. Irland hat am vergangenen Wochenende den Antrag auf finanziellen Beistand gestellt. Wir sind in intensiven Beratungen. Wir hoffen, wir gehen davon aus, dass bis zum Wochenanfang die notwendigen Verabredungen zwischen EZB, Europäischer Kommission und IWF getroffenen sind. Natürlich haben wir verabredet - das wird auch eingehalten -, dass wir den Haushaltsausschuss über jeden neuen Stand bei den Verhandlungen informieren. Die entsprechenden Verabredungen sind getroffen. Wir werden, sobald wir Entscheidungen offiziell mitteilen können - Sie müssen ja getroffen sein, bevor man sie verbindlich mitteilen kann -, auch formell den Haushaltsausschuss unterrichten. Zuvor haben wir aber durch telefonische Kontakte zu jedem Zeitpunkt jedwede Unterrichtung sichergestellt. Mir liegt daran, dass so verfahren wird. Ich glaube auch, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen, um die beunruhigende Wirkung, die dieser Antrag Irlands auf die Märkte hat, und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, zu begrenzen und möglichst rasch zu überwinden.

Die Krise in Irland, die ja von den irischen Banken ausgeht, zeigt im Übrigen, wie gut und wichtig es ist, dass wir mit dem Gesetz zur Restrukturierung der Banken einen dauerhaften Mechanismus geschaffen haben. Ich bin froh, dass der Bundesrat heute seine notwendige Zustimmung zu diesem Gesetz gegeben hat.

Wir sind auch bei der Bewältigung der Folgen der Finanz- und Bankenkrise aus dem Jahr 2008 in unserem Land noch nicht am Ende. Vielmehr liegt eine Menge schwerer verantwortungsvoller Aufgaben vor uns; diese müssen mit großer Sorgfalt und Umsicht sowie mit möglichst wenig Spekulationen - das würde ja nur Verunsicherung auf den Märkten hervorrufen - bewältigt werden. Wenn sich daran alle halten, Herr Kollege Danckert - to whom it may concern -, ist das sehr hilfreich. All die Verunsicherungen und Spekulationen, die wir im Augenblick auf den internationalen Märkten haben, dienen der Stabilität von Wirtschaft und Finanzen in Deutschland, in Europa und weltweit nicht. Deswegen leiste ich keinen Beitrag dazu, diese Spekulationen zu vermehren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Jahre 2008, als wir vor der Notwendigkeit standen, ohne entsprechendes Instrumentarium kurzfristig die Überlebensfähigkeit der Banken zu sichern, richtig gehandelt - das wird ja nicht bestritten -, indem wir Übergangslösungen geschaffen haben. Damals haben wir aber zugleich gesagt: Auf Dauer brauchen wir einen besseren Mechanismus. Diesen haben wir jetzt mit dem Bankenrestrukturierungsgesetz geschaffen, das nun verabschiedet, ausgefertigt und in Kraft gesetzt werden kann.

Etwas Entsprechendes brauchen wir auch für den Euro. Für den Euro haben wir bis zum Jahr 2013 durch die schwierigen Entscheidungen, die wir in den ersten Monaten dieses Jahres bis hin zum Mai getroffen haben, die notwendige Vorsorge getroffen. Die Irland-Krise kann mit diesem Instrumentarium gemeistert und bewältigt werden. Natürlich stellt aber auch das nur eine Übergangslösung dar. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck daran, eine Dauerlösung für die Zeit ab 2013 zu schaffen. Dazu hat der Europäische Rat die notwendigen Grundentscheidungen getroffen. Jetzt muss daran gearbeitet werden, dass in der Sitzung des Europäischen Rates am 16. und 17. Dezember all dieses konkretisiert wird; denn wir brauchen eine dauerhafte Lösung für die gemeinsame europäische Währung.

Angesichts großer Verunsicherung und vieler banger Fragen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger will ich noch einmal sagen: Man muss bei allem, was wir diskutieren, immer sagen, dass wir Deutsche von der gemeinsamen europäischen Währung in einem Maße profitieren, wie wir es uns gar nicht jeden Tag wieder und wieder klarmachen. Unsere wirtschaftliche Lage hängt entscheidend von unseren Erfolgen auf den Weltmärkten ab.

Wir verschwenden nicht das Geld unserer Steuerzahler für irgendjemand anders, der in Europa angeblich weniger solide ist oder so, sondern wir nehmen unsere eigenen Interessen, unsere Verantwortung für unsere Zukunft in der richtigen Weise wahr, wenn wir auf politische und ökonomische Integration in Europa setzen, wenn wir die gemeinsame europäische Währung, die zu unserem Vorteil ist, stabil halten. Das ist unsere Verpflichtung und unsere Arbeit.

Wir hätten nicht den wirtschaftlichen Erfolg, wir hätten nicht das hohe Maß an Beschäftigung und die Gott sei Dank geringer gewordene Arbeitslosigkeit, wenn wir diese gemeinsame europäische Währung nicht hätten. Deswegen werden wir weiter daran arbeiten, sie stabil und nachhaltig zu halten. Dazu brauchen wir eine Dauerlösung, die eng angelehnt sein wird - das sage ich all denjenigen, die alle möglichen haltlosen Spekulationen in die Welt setzen - an das, was wir an Instrumentarien in der europäischen Finanzierungsfaszilität haben. Sie wird den IWF einbeziehen. Sie wird die bewährten, von den Finanzmärkten gekannten Verfahrensweisen und Erfahrungen des IWF einbeziehen. Wir werden natürlich die Gläubiger einbeziehen müssen, indem wir bei der Ausgabe von Anleihen in den Collective Action Clauses unter bestimmten Voraussetzungen Mehrheitsentscheidungen von Gläubigern ermöglichen, die dann fallbezogen, je nach Situation, Case by Case, in dem Management umgesetzt werden können, wie wir das jetzt auch in der europäischen Finanzierungsfaszilität haben.

Wenn wir so eine Lösung finden, wird das nicht zur Verunsicherung der Märkte, sondern - ganz im Gegenteil - zur Versicherung der Märkte führen. Genau dafür arbeiten wir. Ich bin zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Tagen auch schaffen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Sie bitte, dem Bundeshaushalt 2011 Ihre Zustimmung zu geben, kann ich das guten Gewissens und aus Überzeugung tun. Sie leisten mit der Zustimmung, mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2011 einen Beitrag dazu, dass unser Land in schwierigen Zeiten einen guten Weg findet, dass wir wirtschaftlich weiter vorankommen, dass wir so, wie es die Bundeskanzlerin am Anfang der Legislaturperiode gesagt hat, am Ende stärker aus der Krise herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind, dass wir die Krise auch als Chance nutzen, um uns für eine Zukunft in Nachhaltigkeit und Stabilität besser zu wappnen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Der Weg bleibt anstrengend. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, er lohnt sich im Interesse unserer Verantwortung für die Zukunft. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zum Haushalt 2011.


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Quelle:
Bulletin Nr. 124-2 vom 26.11.2010
Rede des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble,
in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem
Deutschen Bundestag am 26. November 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2010