Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

ROHSTOFFE/042: Rohstoff Holz (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Rohstoff Holz
Nachhaltig nur in Grenzen nutzbar

Von László Maráz


Nachdem das Image von Biokraftstoffen in den letzten Jahren schwer gelitten hat, setzen viele Akteure verstärkt auf Holz als nachwachsenden Rohstoff. Zwar entsteht beim Verbrennen von Holz ebenso Kohlendioxid, wie beim Verfeuern von Stein- oder Braunkohle. Im Unterschied zu fossilen Energieträgern wurde das Kohlendioxid für die Bildung von Holz erst vor wenigen Jahrzehnten der Atmosphäre entzogen. Da für die Ernte der hierfür verantwortlichen Bäume relativ wenig Energie verbraucht wird, gilt dieser nachwachsende Rohstoff als vergleichsweise "klimafreundlich.

Noch besser als Holz zu verbrennen wäre natürlich, Energie zu sparen und die Bäume mitsamt dem in ihnen gebundenen Kohlenstoff möglichst alt werden zu lassen. Anstatt eine Buche heute mit 120 Jahren zu ernten, könnte man sie noch 200 Jahre lang wachsen lassen. Sie würde noch mehr Kohlenstoff binden und ihr Holzvolumen von einem auf gut 5 Kubikmeter Holz steigern.


Trend geht zu mehr Holzeinschlag

Zwar sollen bis zum Jahre 2020 insgesamt 550.000 Hektar Wald in Deutschland unter Schutz gestellt werden (und sie würden damit neben dem Schutz der biologischen Vielfalt auch der Speicherung von Kohlenstoff dienen). Daran haben aber Verbände aus Forst- und Holzwirtschaft wenig Interesse. Sie setzen sich seit Jahren dafür ein, dass noch mehr Holz eingeschlagen wird und dass die Bäume immer früher geerntet werden. Galt früher bei der Rotbuche ein Einschlagsalter von 140-160 Jahren als der Normalfall, sind es inzwischen 120 Jahre - mit Tendenz in Richtung 100 Jahre.

Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, die in ihrem Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare Energien auf mehr Holz setzt, wird im Jahre 2020 der Holzverbrauch die im Inland erzeugbare Menge um mindestens 34 Millionen Kubikmeter übersteigen. Diese sogenannte "Holzlücke" wird in der Europäischen Union auf etwa 430 Mio. m3 geschätzt, denn auch andere Mitgliedsstaaten haben ehrgeizige Ziele. Die Holzlücke ist kein Schicksalsschlag, der die Länder unvorbereitet trifft. Sie ist geplant und wird mit Verweis auf die Umwelt- und Klimafreundlichkeit von Holz gezielt vergrößert.


Waldstrategie 2020 des BMELV

So will das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) im Rahmen seiner sogenannten "Waldstrategie 2020" vor allem den Holzeinschlag fördern. Hierfür wurde bereits viel Vorarbeit geleistet. So hatte man im Rahmen der 2. Bundeswaldinventur (BWI2) in den Jahren 2001 und 2002 festgestellt, dass die Holzvorräte in Deutschlands Forsten rund 3,4 Milliarden Festmeter Holz betragen, das sind auf gut 11 Millionen Hektar Waldfläche etwa 320 Kubikmeter pro Hektar. Eine Inventurstudie ergab im Jahre 2008 schon 330 Kubikmeter Holz pro Hektar, denn seit Jahrzehnten wird in Deutschland weniger Holz geerntet, als nachwächst.


Vorratskammer Wald?

Es wird somit der Anschein erweckt, als häuften sich im deutschen Forst Halden von ungenutzten Holzmassen, die problemlos abgebaut werden könnten. Doch der Anschein trügt: Deutschlands Wälder sind vergleichsweise jung. Unter anderem wegen der Reparationshiebe nach dem Weltkrieg und Aufforstungen betrug das Durchschnittsalter nur etwa 70 Jahre, sodass es natürlich ist, dass der Zuwachs höher als die Nutzung liegt. Von Natur aus wären die meisten Bäume älter als 150 Jahre und die Vorräte würden weit über dem Doppelten liegen, wie heute. Vor allem Tot- oder Biotopholz, das heute nur noch knapp 15 Kubikmeter pro Hektar ausmacht, würde im Naturwald bei 50-250 Kubikmeter liegen. Höhere Vorräte wären auch aus forstlicher Sicht sinnvoll.

Doch immer wieder wird behauptet, der deutsche Wald sei zu alt. In Entwürfen der Waldstrategie, zu denen der Verfasser mittels Akteneinsicht Zugang hatte, ist von "zuwachsoptimierter Vorratshaltung" die Rede. Geringere Vorräte sollen den Zuwachs steigern, da jüngere Bäume angeblich schneller wachsen. In der Tat erreichen viele Baumarten im Alter zwischen 80 und 120 ihren höchsten Jahreszuwachs, doch dieser bleibt danach meist über viele Jahrzehnte weiter auf hohem Niveau.

Eine andere Form der Intensivierung wird mit der Anlage von Kurzumtriebsplantagen vorgeschlagen. Schnell wachsende Bäume sollen Erträge von 11 und mehr Kubikmeter Holz pro Hektar erzeugen. Doch bislang wurden bundesweit erst 3.500 Hektar davon angelegt. Damit wird sich die Holzlükke nicht schließen lassen.


Vattenfalls Holzimporte

Wenn der Holzverbrauch nicht gedrosselt wird, muss Holz importiert werden. Das geht aber wegen der Transportkosten nur dann, wenn große Mengen an Holzhackschnitzeln oder Holzpellets aus Ländern importiert werden können, die den Rohstoff preisgünstig anbieten. So hat der Energiekonzern Vattenfall einen Liefervertrag mit der Firma Buchanan Renewables in Liberia abgeschlossen, und zwar über insgesamt eine Million Tonnen in den kommenden fünf Jahren. Das Holz wird in Kohlekraftwerken mitverheizt und soll den Kohlendioxidausstoß dieser fossilen Meiler verringern. Parallel dazu ist in Berlin ein Biomassekraftwerk geplant, dessen Bedarf ab 2019 bei etwa 700.000 Jahrestonnen liegen soll (das entspricht etwa 1,3 Millionen Kubikmeter Holz). Zusammen mit der Mitverbrennung würde das allein für Berlin einen Jahresverbrauch von 1,3 Millionen Tonnen Holz bedeuten - eine Menge, die aus der Region nicht geliefert werden kann.

Um dieses Vorhaben ist in Berlin eine heftige Diskussion entbrannt. Während die Senatsverwaltung gemeinsam mit dem Energiekonzern noch an Nachhaltigkeitskriterien brütet, lehnen einige Verbände Holzimporte aus Ländern wie Liberia ab. Zwar soll das Holz nicht aus der Abholzung von Regenwäldern kommen, sondern aus der Rodung überalterter Kautschukplantagen, die anschließend wieder neu angelegt werden. Inwieweit dies zur Verschärfung der Energiearmut in diesem Land führt, lässt sich derzeit kaum einschätzen. Hauptproblem sind die ungeklärten Landrechte und teilweise schlimme Zustände auf den Gummibaumplantagen.

Man kann - angesichts zahlreicher Negativbeispiele mit Raubbau und illegalem Holzhandel - die Forderungen nach einem Importstopp nachvollziehen. Sinnvoller aber wäre es, die Lieferung von Holz an Nachhaltigkeitskriterien zu binden. Es ist ja nicht einzusehen, warum Länder wie Liberia nicht das Recht haben sollten, Holz zu exportieren. Voraussetzung dafür wäre eine Beteiligung der Zivilgesellschaft an solchen Zertifizierungsprozessen, um zumindest einige der Probleme zu lösen.

Ist es nicht absurd, Millionen Tonnen Holz nach Europa zu transportieren, um dessen Beitrag zum Klimaschutz in einem Industrieland auszunutzen? Auch in Liberia wird Holz benötigt, doch wenn man überschüssige Mengen davon hat, wäre gegen einen Export grundsätzlich wenig einzuwenden. Etwas mehr Sinn würde die Unternehmung machen, wenn parallel dazu an einer Lösung der Energiearmut in Westafrika gearbeitet würde. Viele Tropenländer importieren Öl oder Kohle, um ihren Energiebedarf zu decken. Warum sollen sie sich nicht demnächst selbst mit dem Rohstoff versorgen? Es stünde dem Konzern und dem Land Berlin gut an, sich nicht auf den Import billiger Holzvorräte zu beschränken.


Holzlücke oder Verbrauchsminderung?

Eine Lösung des Problems der Holzlücke aber kann nur darin bestehen, den jährlichen Verbrauch von Holz auf Mengen zu begrenzen, die nachhaltig erzeugt werden können. Zudem müssen auch Anforderungen zugunsten des Schutzes der biologischen Vielfalt sowohl bei uns, als auch in anderen Ländern die Verfügbarkeit von Holz begrenzen. Auch in Liberia oder anderen potenziellen Lieferländern für Energieholz wie der Ukraine, Kanada, Brasilien, Chile oder den USA müssten noch weitere Waldschutzgebiete eingerichtet werden. Stattdessen werden aber in Lateinamerika, Afrika und Asien weitere Großplantagen angelegt, die immer mehr Wald- und Ackerland in Anspruch nehmen.

Auf keinen Fall aber darf der einfachste und einer der wichtigsten Grundsätze der Nachhaltigkeit, dessen sich die deutsche Forstwirtschaft seit mehr als zwei Jahrhunderten rühmt, über Bord geworfen werden: Es darf höchstens so viel Holz entnommen werden, wie nachwächst!

Der Autor ist Koordinator der AG Wald im Forum Umwelt und Entwicklung und Koordinator der Plattform nachhaltige Biomasse.


Nachhaltigkeitsverordnungen für Biokraftstoffe ab Januar Pflicht!

Ab dem 1.1.2011 wird in Deutschland als einem der ersten EU-Mitgliedstaaten die Zertifizierung von Biokraftstoffen zur Pflicht. Lediglich für Österreich und Portugal wird erwartet, dass sie die Anforderungen der entsprechenden EU-Richtlinie im kommenden Jahr umsetzen. Das könnte auch in Deutschland zu Problemen führen, da dann aus den Nachbarländern kaum nachhaltige Biomasse importiert werden kann. Schon heute werden große Mengen an Raps importiert, der dann nur noch für die Lebensmittelproduktion verwendet werden kann.

Für Biokraftstoffe und Biostrom darf ab der Ernte 2010 nur noch Biomasse eingesetzt werden, die nachweislich nachhaltig hergestellt worden ist. Dies schreiben die zur Umsetzung des EU-Rechts erlassene Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung und die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung vor. Die beiden Verordnungen gelten sowohl für Biomasse aus Deutschland als auch aus anderen Staaten, wenn eine Anrechnung auf die Biokraftstoffquote, eine steuerliche Ermäßigung oder Vergütung nach dem EEG in Deutschland erfolgen soll.

Wie die EU mit dem Problem umgehen wird, ist derzeit noch unklar. Fraglich ist, ob etwa Sanktionen dazu führen können, dass andere Mitgliedsstaaten die dafür nötigen Zertifizierungssysteme, Verordnungen und Kontrollsysteme umgehend entwickeln. Sollte das Problem über längere Zeit bestehen, dürfte dies der Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitspolitik bei Biokraftstoffen weiter schaden.

Ähnliches passiert derzeit bei der umstrittenen Förderung der Biogasproduktion. Landauf, landab sind tausende von Biogasanlagen in Betrieb, die mit schlechtem Wirkungsgrad und vor allem mangelhafter Wärmenutzung arbeiten. Die meiste Wärme verpufft, eine Verschwendung, die angesichts der begrenzten Agrarflächen und Rohstoffe abgestellt werden soll, wenn es nach einem Antrag des Bundesrates vom 8. Dezember 2010 geht. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Vergütungsstruktur des EEG so schnell wie möglich an die aktuellen Entwicklungen anzupassen.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 23-24
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2011