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INTERNATIONAL/024: Indien - Todesstrafe auf Drogendelikte nicht mehr zwingend, entscheidet Gericht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Juni 2011

Indien: Auf Drogendelikte die Todesstrafe? - Nicht mehr zwingend, entscheidet Gericht

Von Ranjit Devraj


Neu-Delhi, 23. Juni (IPS) - In Indien hat ein Gericht eine gesetzliche Regelung außer Kraft gesetzt, die für Drogendelikte automatisch die Todesstrafe vorsah. Menschenrechtsgruppen hoffen nun, dass von dem Urteil eine Signalwirkung ausgehen wird und auch andere Länder der Region davon Abstand nehmen, Drogenkriminelle zum Tode zu verurteilen.

"Wir sind der Meinung, dass die Todesstrafe auf Drogendelikte - ob sie nun für solche Vergehen gesetzlich vorgeschrieben sind oder im Ermessen der jeweiligen Richter liegen - in keinem Rechtssystem einen Platz haben sollte", sagte Patrick Gallahue von der Organisation 'Harm Reduction International (HRI) mit Sitz in London. "Dennoch sind wir zuversichtlich, dass die Entscheidung des Bombay High Court in die richtige Richtung geht."

Das Tribunal hatte am 16. Juni einige Passagen des sogenannten 'Narcotic Drugs and Psychotropic Substances Act' (NDPSA) für verfassungswidrig erklärt. Allerdings war es nicht bereit, das Gesetz komplett zu kippen. So liegt es künftig im Ermessen der Drogendelikte verhandelnden Gerichte, gegen rückfällige Rauschgifthändler die Todesstrafe zu verhängen.

Der Kaschmirer Ghulam Mohammed Malik war im Februar 2008 von einem Sondergericht in Mumbai wegen des wiederholten Schmuggels von Cannabisharz zum Tode verurteilt worden. Er könnte nun von dem neuen Urteil profitieren und mildernde Umstände geltend machen. Generell verfahren Indiens Gerichte nach dem Prinzip, die Todesstrafe nur in den seltensten Fällen zu verhängen.

Das neue Gerichtsurteil ist die Antwort auf eine Petition des 'Indian Harm Reduction Network' (IHRN), eines Konsortiums aus Nichtregierungsorganisationen, die für eine moderatere Drogenpolitik eintreten. Tripti Tandon vom 'Lawyers' Collective', einem Mitglied des IHRN, weist darauf hin, dass die Todesstrafe ausschließlich für Schwerverbrechen mit Todesfolge vorgesehen ist. Drogenbesitz und -handel gehörten nicht dazu. "Tatsache ist, dass der Drogenhandel selten Gewaltverbrechen mit sich bringt."


Drogenhandel als Wirtschaftsvergehen

Offiziell betrachtet Indien den Drogenhandel als Wirtschaftsvergehen, erläutert die Juristin. Außerdem habe sich die indische Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad stets tolerant gegenüber der Einnahme von Substanzen wie Cannabis und Opium verhalten. "Das Urteil des Bombay High Court erkennt die Prinzipien der Schadensbegrenzung und Menschenrechte im Zusammenhang mit Drogen an", so Tandon. "Gesetze, die Richtern den Ermessenspielraum nehmen, sind inakzeptabel, da sie mildernde Umstände und individuelle Lebensumstände nicht gelten lassen."

Auch Tandon hofft, dass das indische Urteil in der gesamten Region Schule macht. Denn Asien ist bekannt für seine drakonischen Anti-Drogengesetze. In etwa 32 Ländern steht auf Drogenvergehen die Todesstrafe, in zwölf dieser Länder ausnahmslos. Im Iran und in China sind Rauschgiftdelikte die Hauptursache für Hinrichtungen. Im Mai letzten Jahres hat ein Berufungsgericht in Singapur die Todesstrafe gegen einen jungen Malaysier verhängt, der im Besitz von Heroin gewesen war.

Patrick Gallahue zufolge werden Drogendelikte in noch nicht einmal fünf Prozent aller Staaten der Welt mit dem Tode geahndet und auch vollstreckt. Für die Behauptung, dass sich Hinrichtungen im Kampf gegen den Drogenhandel bewähren, gibt es keinen überzeugenden Beweis", sagt er. "Die Kapitalstrafe ist eine völlig unangemessene Antwort auf das Drogenproblem." (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011