Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

INTERNATIONAL/056: Kasachstan - Robin Hood oder Betrüger? Oppositionsnaher Banker in London verklagt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. März 2012

Kasachstan: Robin Hood oder Betrüger? - Oppositionsnaher Banker in London verklagt

von Christopher Pala



Almaty, 30. März (IPS) - Als Ende März in Kasachstan ein Gerichtsverfahren gegen 37 Angeklagte begann, die für Ausschreitungen während eines Ausstands verantwortlich gemacht werden, befand sich der Rädelsführer längst außerhalb des Landes. Muchtar Abljasow hatte den streikenden Arbeitern entscheidend dabei geholfen, ihre Anliegen publik zu machen.

Der wohlhabende Banker verschwand im Februar von der Bildfläche, nachdem er in London von einem Gericht wegen Missachtung des Tribunals zu 22 Monaten Haft verurteilt worden war. Viele Menschen in seiner Heimat sehen ihn als einziges Bollwerk gegen die immer brutaler vorgehende Regierung von Präsident Nursultan Nasarbajew. Für andere ist er hingegen ein Dieb, der Investoren betrogen hat, und ein Drahtzieher von Terrorplänen, die niemals umgesetzt worden sind.

Der 49-jährige Kasache und ehemalige Industrieminister war nach Großbritannien geflohen und hatte dort politisches Asyl erhalten. Zuvor hatte die Regierung 2009 die Bank BTA übernommen und gerettet, die Abljasow zum größten Geldhaus des Landes ausgebaut hatte. Das Geldhaus stand damals vor dem Zusammenbruch, nachdem im Vorfeld der globalen Finanzkrise die Flut von Billigkrediten versiegte, die dem Finanzwesen des zentralasiatischen Landes eine rapide Expansion ermöglicht hatten. Dies wiederum führte zu einem Kreditstopp und dem wirtschaftlichen Niedergang.


Nasarbajew-Getreue wollen fünf Milliarden Dollar erstreiten

Die derzeitige BTA-Leitung reichte gegen Abljasow Klage an neun Gerichten in London ein, um fünf Milliarden US-Dollar wiederzuerlangen, die der Banker offenbar aus der maroden Institution abgezweigt hatte. Branchenkenner in der größten kasachischen Stadt Almaty haben wenig Zweifel daran, dass er sich am Vermögen der Bank bereichert hat. Auf diese Weise konnte er die größte Oppositionspartei des Landes, zwei Fernsehgesellschaften und zwei Zeitungen finanzieren.

"Er musste sich zwischen der Rettung seiner Bank und der Unterstützung der Oppositionspolitik entscheiden", sagte Jewgenij Zhovtis, der Leiter des Internationalen Büros für Menschenrechte in Kasachstan. Jean Claude Lermusiaux von der Investmentbank 'Visor Capital' in Almaty sieht darin allerdings keine Entschuldigung für Unehrlichkeit. "Er hat das Vertrauen der Anleger missbraucht und den Ruf seines Landes beschmutzt."

Am 28. März erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei Partner von Abljasow, die im Ausland leben. Sie werden beschuldigt, auf Geheiß des Bankers mehrere terroristische Bombenanschläge geplant zu haben. Die Anschuldigungen decken sich mit früheren Stellungnahmen von Jermuchamet Jertisbajew, einem Berater von Präsident Nasarbajew, der oft als sein inoffizieller Sprecher auftritt. Er warf Abljasow "Informationsterrorismus" vor, mit dessen Hilfe er die Regierung durch "Revolution, Massenunruhen, Chaos und Gewalt" stürzen wolle.

Der Menschenrechtsaktivist Zhovtis hat dagegen eine andere Sicht auf den Banker. "Abljasow treibt die Demokratie sicher nicht aus ideologischen Gründen voran. Er ist lediglich Teil einer Gruppe von Technokraten, die von Anfang an das Gefühl hatten, dass die Demokratie und ein gerechtes Gerichtssystem der Entwicklung des Landes besser förderlich wären", meinte er in einem Interview.

2003 versuchten der ehemalige Industrieminister Abljasow und mehrere hochrangige Regierungsbeamte, unter ihnen mehrere hochrangige Regierungsbeamte und sogar ein früherer Vize-Regierungschef, eine Oppositionspartei zu gründen, die allerdings nicht auf Konfrontationskurs zu Nasarbajew treten sollte. Vielmehr sollte sie einen der Schwiegersöhne des Staatschefs, Rachat Alijew, im Zaum halten.

Alijew soll seine leitende Stellung in einer KGB-Nachfolgebehörde dazu missbraucht haben, Firmeninhaber dazu zu zwingen, ihm Aktien zu Vorzugspreisen zu überlassen. Dadurch häufte Alijew ein beträchtliches Privatvermögen an. Doch nicht Alijew wurde bestraft, sondern Abljasow, der ins Gefängnis kam und die Hälfte seines Besitzes verlor.


Unterstützung für die Opposition

Wie aus einem von Wikileaks verbreiteten Dokument hervorging, hatte Abljasow 2009 in London einem US-Diplomaten erklärt, er finanziere seit 2005 Oppositionsmedien und -parteien in Kasachstan und arbeite auf das Ziel hin, BTA zur größten Bank der ehemaligen Sowjetunion zu machen. Wie andere Oppositionsmitglieder unter Berufung auf Abljasow erklärten, geriet der Banker unter wachsenden Druck, die Kontrolle über das Geldinstitut Nasarbajew und dessen Verbündeten zu überlassen.

In den vergangenen drei Jahren hat Abljasow vermutlich zwei große Oppositionszeitungen finanziell unterstützt. Der Chefredakteur von 'Respublika' lebt und arbeitet inzwischen aus Sicherheitsgründen in London, während der verantwortliche Redakteur von 'Vsgliad' in seiner Heimat in Haft kam und in diesem Jahr begnadigt wurde.

Abljasow soll auch den Hotbird-Satellitensender 'K Plus' finanziert haben, der unter anderem von der Videoproduktionsfirma 'Stan.kz' betrieben wird. Die Internetfirma mit Sitz in Almaty berichtet über Themen wie Demonstrationen und Streiks von Erdölarbeitern, die in den Massemedien des Landes nicht zur Sprache kommen. Alle diese Medienunternehmen bestreiten aber, Geld von Abljasow erhalten zu haben.


Vergleich mit früherem russischen Oligarchen Chodorkowsky

"Das Land ähnelt inzwischen der Sowjetunion im Jahr 1970, als Dissidenten wegen anti-sowjetischen Verhaltens vor Gericht kamen", sagte Zhovtis. "Angesichts der zunehmenden Repression wird Abljasow weniger mit Robin Hood als mit dem früheren russischen Oligarchen Michail Chodorkowsky verglichen, der sein Vermögen zur Finanzierung von Oppositionsparteien und unabhängigen Medien eingesetzt hat", erklärte er. Die Menschen, die mehr Demokratie und weniger Korruption wollten, seien für seine Unterstützung dankbar. Paradoxerweise gebe es aber keinen Beweis dafür, dass Abljasow tatsächlich die Opposition unterstütze. (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://www.bureau.kz/?l=en

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. März 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2012