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INTERNATIONAL/075: D. R. Kongo - Vergewaltigung junger Mädchen bleibt Problem, Justiz überfordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. August 2012

D. R. Kongo: Vergewaltigung junger Mädchen bleibt ein Problem - Justiz überfordert

von Emmanuel Chaco



Kinshasa, 17. August (IPS) - In der Demokratischen Republik Kongo (DRC) wirft eine neuerliche Serie von Vergewaltigungen in der westlichen Provinz Bandundu ein Schlaglicht auf die Schwäche des Justizapparats. Angesichts fehlender finanzieller Mittel und einer verbreiteten Inkompetenz sind die Chancen gering, dass die Opfer der sexuellen Übergriffe Gerechtigkeit erfahren.

"In der letzten Juli-Woche wurde mehr als ein Dutzend sehr junger Mädchen missbraucht. In einigen Fällen waren die Opfer gerade einmal sechs Jahre alt", berichtet Jean Okutu, der Priester der Sacré Coeur-Kirche in Mushie, einem Territorium in Bandundu. Bei den Tätern handelte es sich allesamt um erwachsene Zivilpersonen.

Insgesamt wurden 16 Missbrauchsfälle in diesem entlegenen Verwaltungsbezirk im Westen der DRC bekannt. In allen Fällen waren junge Mädchen die Opfer. Deren Mütter haben sich nun zusammengetan, um gegen die Untätigkeit der Justiz in den Gemeinden und Provinzen vorzugehen.

Maria T. hat eine achtjährige Tochter, die vergewaltigt wurde. Ihr Kind sei nach dem traumatischen Erlebnis zwar medizinisch behandelt worden, leide aber immer noch an Schmerzen in Unterleib und Genitalbereich. "Wir müssten sie eigentlich in eine größere Klinik bringen, um zu verhindern, dass sie Spätfolgen davonträgt", meint die Mutter im IPS-Gespräch. "Doch wir haben kein Geld."

"Es müssen Vorkehrungen zum Schutz unserer Kinder getroffen werden", fordert Elodie K., Mutter eines zehnjährigen Missbrauchsopfers. "Es gilt die Identitäten der Mädchen zu schützen, sodass sie normal aufwachsen und eines Tages heiraten können", sagt sie.

Elodie K. ist sogar der Meinung, dass die Regierung für einen Umzug der betroffenen Mädchen aufkommen müsse, um ihnen ein Leben in Schimpf und Schande zu ersparen. "Sie sollten auf Staatskosten eine Schule im Ausland besuchen dürfen", schlägt sie vor.

Doch Generalstaatsanwalt André Mvunzu will den Vorwurf der Untätigkeit nicht auf sich sitzen lassen. In Bandundu sei bereits ein Programm zur Bekämpfung der Straffreiheit von Sexualverbrechern angelaufen, versichert er. Zwölf Männer, die für Vergewaltigungsfälle in Mushie verantwortlich gemacht würden, befänden sich bereits hinter Gittern.

Doch Jean Pierre N., ein Einwohner von Mushie, winkt ab. Wenn man den Generalstaatsanwalt von Bandundu im Radio reden höre, verfestige sich der Eindruck, als habe er keinen blassen Schimmer über die Vorgänge in seiner Provinz. "Acht der zwölf von ihm erwähnten Täter sind aus der Haft geflohen - darunter auch die beiden Männer, die meine Tochter vergewaltigt haben."

Nzundu räumt gegenüber IPS ein, dass die Sicherheit im Gefängnis von Mushie verbesserungswürdig sei, zumal es schon häufiger zu einem Ausbruch gekommen sei.

Jacques Katchelewa leitet eine Nichtregierungsorganisation zur Förderung der Gleichberechtigung und Ernährungssicherheit. Er befürchtet, dass das Versagen des lokalen Rechtssystems Familien veranlassen könnte, sich auf informelle Arrangements zur Wiedergutmachung solcher Verbrechen einzulassen. "Der einzig richtige Weg wäre jedoch dafür zu sorgen, dass den Opfern und ihren Familien Gerechtigkeit widerfährt." Dies lässt sich seiner Meinung nach jedoch nur durch die Stärkung der Lokalgerichte erreichen.

Für das Gericht in Mushie ist nur ein einziger Richter tätig. Er ist für alle Straftaten einschließlich Vergewaltigungen zuständig. "Wir brauchen Richterteams, wie dies rechtlich vorgesehen ist", betont der Aktivist. Das kongolesische Recht sehe im Fall von Sexualdelikten drei Richter vor.

Pater Okutu teilt Katchelewas Kritik. Auch er ist der Meinung, dass der Generalstaatsanwalt dem einzigen Richter in Mushie einen zweiten zur Seite stellen müsse.

Das Büro der Staatsanwaltschaft in Mushie untersteht dem Büro des Generalstaatsanwalts der 500 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Bandundu. Es war mit dem Ziel eingerichtet worden, die Gerichtsbarkeit näher zu den Menschen zu bringen. Doch das Tribunal leidet wie die Lokalbevölkerung an finanzieller Auszehrung.

"Die Familien der Opfer sind viel zu arm, um für die Gerichtskosten aufkommen zu können", berichtet Pater Okutu, der einen Großteil der Kosten für die medizinische Versorgung der vergewaltigten Mädchen bestritten hat.

"Kläger, die Probleme haben, sollten einen Brief an das Ministerium für Justiz und Menschenrechte und an den Hohen Justizrat schreiben, ihre Schwierigkeiten schildern und einen zweiten Richter anfordern", meint Jean Paul Nyumba, Berater des Justizministers. Doch Nyumba, selbst ein Jurist, erinnert daran, dass in vielen Teilen des Landes ein Mangel an Richtern vorherrscht. Nur in der Hauptstadt Kinshasa sei das anders.

Mangel an Richtern herrsche im ganzen Land, unterstreicht Joseph Ntayondezandi Mushagalusa, ein Anwalt und ehemaliger Generalstaatswalt der DRC. Angesichts einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen komme statistisch gesehen ein Richter auf 20.000 Menschen, rechnet er vor.

Der Provinzgouverneur Jean Kamisendu Kutaka hat die Bevölkerung um Mithilfe angerufen. "Wir alle müssen der Regierung im Kampf gegen die unterschiedlichen Formen der Kriminalität unterstützen. Jeder Bürger ist verpflichtet, Verbrechen anzuzeigen. Das ist der einzige Weg, um potenzielle Täter einzuschüchtern." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2012