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MELDUNG/577: Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner eingereicht (Digitalcourage)


digitalcourage e.V. - Pressemitteilung vom 7. August 2018

Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner eingereicht


• Digitalcourage hat am Dienstag, 7. August 2018, Verfassungsbeschwerde gegen die Staatstrojaner in der Strafprozessordnung (StPO) eingereicht.

• Die Beschwerdeführer.innen fordern, § 100a Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 3 bis 6, § 100b sowie § 100d Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 StPO in der Fassung nach dem "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" für verfassungswidrig und nichtig zu erklären.

• Angegriffen wird u.a. die unverhältnismäßige Tiefe des Eingriffs in das IT-Grundrecht und das Fernmeldegeheimnis.


Die Beschwerdeführenden sind Juristen, Grundrechtsaktivistinnen und Künstler. Alle sind potentiell durch den Einsatz von Staatstrojanern bedroht.

Der Liedermacher, Kabarettist und Autor, Marc-Uwe Kling ist einer der Beschwerdeführer und erklärt seine Betroffenheit von dem Gesetz mit seinen Publikationen: Die Känguru-Trilogie handelt ausführlich von seinem Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft mit einem kommunistischen Känguru. Dieses hat nach eigener Aussage auf Seiten des Vietcong gekämpft, will das System umstürzen und betreibt einen Boxclub ("Nazis boxen"). Auf Grund einiger absurder (realer) Erlebnisse anderer Beschwerdeführer mit der Polizei liegt die Befürchtung nahe, dass Strafverfolgungsbehörden das Känguru nicht als Romanfigur erkennen, sondern als Täter einer der in den §§ 100a Abs. 2, 100b Abs. 2 StPO genannten Anlasstaten einstufen und er Betroffener einer Online-Durchsuchung oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung wird.

Trotz des bitteren Humors - Staatstrojaner sind eine ernste Bedrohung für die freiheitliche Demokratie. So sehen das auch die Beschwerdeführer.innen. Sie warnen vor dem Abbau des Rechtsstaats durch ausufernde Überwachung und vor Gefahren für die IT-Sicherheit. Um die Schadsoftware zu installieren, werden Sicherheitslücken in Hard- und Software von Geräten ausgenutzt. Diese stehen dann weiterhin offen - auch für Geheimdienste und Kriminelle.

"Das Gesetz dient nicht der Sicherheit, es gefährdet sie. Der Staat sollte Sicherheitslücken nicht ausnutzen, sondern dafür sorgen, dass sie geschlossen werden." meint padeluun.

"Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die Online-Durchsuchung überschreiten die äußerste Grenze (rechts)staatlicher Ausforschung der Intimsphäre zum Zweck der Strafverfolgung bei weitem", so Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp. "Sie gestatten nicht nur die offene Verwertung höchstvertraulicher Informationen, wie sie zum Beispiel in einem Tagebuch stehen. Sie erlauben die dauerhafte heimliche Überwachung des Verfassens der Tagebucheinträge und dessen, was der Betroffene nicht einmal seinem Tagebuch anvertrauen würde."

Rena Tangens kommentiert: "Wer Smartphones heimlich beobachtet, forscht letztlich die Gedankenwelt der Nutzer aus und kann Persönlichkeitsbilder erstellen, die umfangreicher, gläserner nicht sein können."

Die Beschwerdeführer.innen sind:
• Rena Tangens und padeluun als Digitalcourage-Gründer und Netzpionierinnen, die sich für Verschlüsselung einsetzen
• Rechtsanwalt und Publizist Dr. Rolf Gössner aus Bremen, der fast 40 Jahre rechtswidrig durch den Verfassungsschutz überwacht wurde
• der Fachanwalt für Strafrecht Christian Mertens aus Köln
• der Strafverteidiger Prof. Dr. jur. habil. Helmut Pollähne aus Bremen und schließlich
• der Autor Marc-Uwe Kling aus Berlin, denn er wohnt mit einem kommunistischen Känguru in einer Wohngemeinschaft, wie aus seiner Känguru-Trilogie allgemein bekannt ist.

Ausgearbeit wurde die Verfassungsbeschwerde von den Klagevertretern: • RA Meinhard Starostik &digger;
• Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp
• Prof. Dr. Frank Braun


Über Digitalcourage:
Digitalcourage setzt sich seit 1987 für Datenschutz und Bürgerrechte ein und richtet seit 2000 die jährliche Verleihung der BigBrotherAwards aus. 2008 erhielt Digitalcourage die Theodor-Heuss-Medaille für besonderen Einsatz für die Bürgerrechte.

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Quelle
Pressemitteilung vom 7. August 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2018

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