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STANDPUNKT/016: Bonner Abschluß Resolution - Fachtagung zum sogenannten Anti-Terror-Kampf ... (Civaka Azad)


Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. - 12. Februar 2015

AZADÎ - MAF-DAD

"Bonner Abschluss-Resolution" der III. Internationale Fachtagung "Der so genannte Anti-Terror-Kampf am Beispiel der Kurdinnen und Kurden im Lichte des internationalen Rechts"


Vom 6. - 8. Februar fand in Bonn die III. Internationale Fachtagung "Der so genannte Anti-Terror-Kampf am Beispiel der Kurdinnen und Kurden im Lichte des internationalen Rechts" statt, an der Rednerinnen und Redner sowie über 100 Gäste aus verschiedenen europäischen Ländern und der Türkei teilgenommen haben.

Ein Schwerpunkt der vom Verein für Demokratie und Internationales Recht (MAF-DAD e.V.) und dem Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. ausgerichteten Veranstaltung war das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen im Mittleren Osten. Unterschiedliche Vorstellungen von Autonomie bzw. Eigenstaatlichkeit in den verschiedenen Regionen Kurdistans wurden auf ihre aktuellen Realisierungschancen im Einklang mit dem internationalen Völkerrecht untersucht. Im Fokus stand hierbei die Umsetzung von Autonomie in den syrischen Teilen Kurdistans (Rojava) als mögliches Modell für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien und Religionsgruppen.

Damit im Zusammenhang stehend wurden in weiteren Vorträgen der Terrorismusbegriff, die aktuelle Anti-Terror-Gesetzgebung im europäischen Raum, die Rolle der EU-Terrorliste sowie die in verschiedenen Ländern bestehenden PKK-Betätigungsverbote analysiert und diskutiert.

In der "Bonner Abschluss-Resolution", die Sie im Anhang finden, kommen die Anregungen und politischen Forderungen der Tagungsteilnehmer*innen zum Ausdruck.

Mitveranstalterinnen der juristischen Fachtagung waren die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte weltweit (EJDM e.V.), die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ e.V.) sowie die Internationale Liga für Menschenrechte (ILM e.V.)

AZADÎ e.V.
Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V., Köln

11. Februar 2015



III. Internationale Fachtagung:
"Der so genannte Anti-Terror Kampf am Beispiel der Kurdinnen und Kurden im Lichte internationalen Rechts" vom 06. bis 08. Februar 2015"
Bonner Abschluss-Resolution

Nach intensiver Befassung der TeilnehmerInnen der Fachtagung mit

- dem Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen
- dem Konzept des Terrorismus und
- dem rechtlichen und politischen Lösungsweg

kommen diese zu folgendem Ergebnis:

Das kurdische Volk in den Staaten des Nahen-Ostens (Türkei, Syrien, Irak, Iran) hat das Recht auf Selbstbestimmung. Nach der Autonomen Region Kurdistan (Nordirak) hat nun mit der Einführung eines Demokratischen Autonomie-Modells in den drei Kantonen Rojavas (Nordsyrien) die dort lebende Bevölkerung diese erfolgreich zum Ausdruck gebracht. Besondere Anerkennung verdient das unter diesen Rahmenbedingungen verwirklichte friedliche Zusammenleben aller ethnisch, kulturell, religiös oder säkular geprägten Identitäten.

Die TeilnehmerInnen verurteilen die Gewaltakte des "Islamischen Staates (IS)" und anderer Gruppen gegen Kurdinnen und Kurden, Jesiden, Turkmenen, Assyrer, Schiiten und weitere Minderheiten in der Region aufs Schärfste, besonders die anhaltende massenhafte Versklavung, Vergewaltigung und Ermordung von Frauen. Das Schicksal unzähliger jesidischer Frauen ist bislang noch immer ungeklärt. Der Kampf der bewaffneten Kräfte von YPG/YGJ und PKK gegen Angriffe des "Islamischen Staates (IS)" und anderer Gruppen stützt sich auf das Recht auf Selbstverteidigung.

Alle am gegenwärtigen Bürgerkrieg direkt und indirekt beteiligten Seiten werden aufgerufen, das internationale humanitäre Völkerrecht zu respektieren und seine Anwendung zu gewährleisten. Die für den Feminizid und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verantwortlichen sind unter Anwendung des Internationalen Humanitären Völkerrechts zu verfolgen und zu verurteilen.

Es müssen die nötigen Maßnahmen getroffen werden, um die in der Region lebenden Menschen dauerhaft zu schützen. Jegliche Unterstützung des "IS" - wobei explizit die türkische Regierung, Saudi-Arabien und der Golfstaat Katar zu nennen sind - durch finanzielle und logistische Unterstützung und Militärhilfe ist zu unterlassen.

Der Wiederaufbau der vom "Islamischen Staat (IS)" zerstörten Regionen wie Kobanê, engal und andere bedarf dringend der Unterstützung durch die Europäische Union und die Vereinten Nationen. Zu dessen Unterstützung muss der ungehinderte Grenzverkehr durch die direkten Nachbarstaaten gewährleistet werden.

Zum weiteren Aufbau der Demokratie regen die TeilnehmerInnen einen Erfahrungsaustausch zur Unterstützung der Judikative in Rojava an. Hierzu wird eine internationale Delegation von JuristInnen zusammengestellt.

Die TeilnehmerInnen kommen ferner zu dem Schluss, dass insbesondere aufgrund des bestehenden Waffenstillstands und der Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Regierung die Grundlagen für ein Verbot der PKK mehr denn je obsolet sind.

Folgende Schritte werden daher für besonders notwendig gehalten:

• Die konstruktive Fortsetzung der Friedensgespräche zwischen der türkischen Regierung und der PKK mit dem Ziel der dauerhaften Friedenssicherung und der Legalisierung der PKK und der ihr nahe stehenden Organisationen.

• Die aktive Unterstützung des Friedensprozesses insbesondere durch die Regierungen der Länder, in denen die PKK oder ihre Betätigung verboten ist. Gleiches gilt auch für die Europäische Union.

• Die Gewährleistung von Sicherheit und Immunität für die VerhandlungspartnerInnen beider Seiten der Friedensgespräche.

• Um seine Rolle als Verhandlungsführer der PKK ungehindert wahrnehmen zu können, sollte Herr Abdullah Öcalan aus der Haft entlassen werden.

• Die Ablehnung des dem türkischen Parlament vorliegenden Pakets neuer Sicherheitsgesetze zur Beschränkung des Demonstrationsrechts, der Einführung drakonischer Strafen und Ausweitung der Rechte der Exekutive im Namen der "Terrorismusbekämpfung".

• Die Aufhebung der in verschiedenen Ländern und in der Europäischen Union noch geltenden Verbote der PKK, der ihr nahe stehenden Organisationen und Medien sowie die Verbote für deren Betätigung.

• Die Streichung der PKK und der ihr nahe stehenden Organisationen und Personen von den existierenden Terrorlisten einzelner Länder und der EU.

• Die allgemeine Abschaffung der Terrorlisten in verschiedenen Ländern und in der Europäischen Union.


"PKK von der Terrorliste der EU streichen - Betätigungsverbot aufheben - den Friedensprozess stärken - Rechtliche Neubewertung dringend notwendig"

Direkt auf der Seite der EJDM/ELDH:
http://www.eldh.eu/de/kampagnen/pkk-von-der-terrorliste-der-eu-streichen/
oder per eMail an:
info@mafdad.org oder azadi@t-online.de

Bonn, 8. Februar 2015

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Quelle:
Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.
Bornheimer Landstraße 48, 60316 Frankfurt
Telefon: 069/84772084
E-Mail: info@civaka-azad.org
Internet: www.civaka-azad.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2015

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