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EDITORIAL/059: Die Geschichte der Sieger (SB)



Wochendruckausgabe 59 der Elektronischen Zeitung Schattenblick zum 16.09.2017


Aufgeschlagene Schattenblick-Zeitung in den Händen eines Lesers - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Die Geschichte der Sieger

Faßt ein Mensch einmal die Schönheit, die Formvollendung und Vielfalt der Natur ins Auge, indem er sich einer intensiven Betrachtung beispielsweise seines Gartens, einer Wiese, eines Feldes oder eines Hügels ergibt, wird er weit und breit nichts anderes als den Beginn und die Beständigkeit einer einzigen Geschichte, der Geschichte der Sieger, erblicken können.

Eine Geschichte der Verlierer oder ihrer gültigen Überreste kann es da nicht geben. Denn der Sieger schreibt die seine fest.

Der spezifischen und allgemeinen Anpassung folgend haben die Verlierer ihre Gegenwart, ihre Zukunft, ihre Erscheinung und ihre Existenz als Besitz- und Verbrauchsfragmente der Sieger essentiell eingebüßt, und die Überreste ihrer Standpunkte und Erinnerungen fallen der Pose des Sieges zum Opfer und schmücken bestenfalls die Häupter der Triumphe.

Nur aus dem Gesichtswinkel der Anpassung und Unterwerfung können solche Prozesse und Ergebnisse noch beschrieben und bewertet werden. Schön also wäre der Anblick der Wiese, des Feldes und der sich darin ausladenden Natur und häßlich wäre ihre Bedrohung, ihre Infragestellung oder ihre Überwältigung.

Unvorstellbar, der Standpunkt des Verlierers ließe sich noch einmal gegen das Herrschende und Übrige aufrufen oder nostalgisch beschwören.

Wollte ich dem Geltenden oder Ausschließlichen in der Natur dennoch entgegentreten, worauf würde ich mich stützen können und wie und wo sollte ich mich da gebären? Dem fortgesetzten Siegen und Ringen träte ich wohl dann entgegen und richtete mich unabweislich gegen ihre Vorherrschaft und alles Übrige erst auf, wenn ich diesen den gesamten Platz zur Entfaltung ihrer Schönheit, ihres Rechtes und ihrer Unerreichbarkeit bedingungslos überließe.

Statt dessen wendete ich mich tief verwurzelt in dem Nichts verbliebener Unscheinbarkeit jener traumverwandten Unendlichkeit steter Verweigerung und verstiegener Praktiken zu, die alles in allem auch wegen nicht notwendiger Anstrengungen und fehlender Selbstbehauptungen unbegrenzten Verwirklichungen und denkbar mächtigsten Begleiterscheinungen erst den Raum verschaffen. Das Übrige und Herrschende und jedes Ringen darin fiele über die Ränder seiner Brüche und Verletzungen unweigerlich in die Tiefe nicht absehbarer Schlünde.

Redaktion Schattenblick


15. September 2017


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