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PRESSE/623: Buddhismus in der Schweiz (Buddhismus heute)


Buddhismus heute 43 - Sommer 2007
Das Diamantweg-Magazin der Karma-Kagyü-Linie

Buddhismus in der Schweiz
Im Gespräch mit Colette Bodmer

Von Michael den Hoet


Die Schweizerische Buddhistische Union (SBU) wird zum ersten Mal in ihrer Geschichte von einer Frau an der Spitze vertreten. Im November letzten Jahres wählte die Generalversammlung des Dachverbandes der Buddhisten und buddhistischen Gemeinschaften in der Schweiz Colette Bodmer-Cachard aus dem Züricher Diamantweg-Zentrum zur neuen Präsidentin. Die Schülerin von Lama Ole Nydahl saß bereits seit einigen Jahren im Vorstand der SBU.

Im folgenden Interview, welches über E-Mail geführt wurde, äußert sich Colette Bodmer über die Buddhistische Szene in der Schweiz, die Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Richtungen, Mehrsprachigkeit sowie die besonderen Anliegen ihrer Arbeit für die SBU.


FRAGE: Zunächst einmal Herzlichen Glückwunsch, liebe Colette, zu deiner Wahl. Kannst du uns in einigen Sätzen etwas über den Buddhismus in der Schweiz erzählen? Was für Gruppen sind im Land der Eidgenossen vertreten? Wie ist der Buddhismus in der Öffentlichkeit präsent?

COLETTE BODMER: Erste Spuren des Buddhismus in der Schweiz findet man Ende des 19. Jahrhunderts. Einzelne Persönlichkeiten wurden von der Philosophie Schopenhauers inspiriert und bildeten kleine Gruppen von Interessenten. Selbst Richard Wagner lebte für eine Zeit in Zürich (1857/58) und ließ sich hier für seine berühmte Oper "Tristan und Isolde" vom Buddhismus inspirieren!

Jetzt schätzt man die Zahl der Buddhisten in der Schweiz auf 20.000. Die Haupttraditionen, die vertreten sind, sind die Theravada Tradition, verschiedene Zen Schulen, Mahayana Gruppen und zahlreiche Gruppen oder Zentren des tibetischen Buddhismus (alle vier Hauptrichtungen). Der Buddhismus zeigt sich in der Schweiz in seiner Vielfalt eher mehr in der deutschen Schweiz als in der welschen Schweiz. Er ist trotzdem nicht sehr präsent in der Öffentlichkeit. Die Religionsfreiheit ist in der eidgenössischen Bundesverfassung fest verankert und es sind unzählige andere religiöse Gruppierungen, die nebeneinander existieren, ohne dass man sie richtig wahrnimmt. Es ist klar, dass bei einem Event wie im Sommer 2005, als der Dalai Lama in die Schweiz kam und einen einwöchigen Kurs gab, die Medien sehr präsent waren und auch viele Nicht-Buddhisten die Gelegenheit genutzt haben, um ein wenig Buddhismus zu schnuppern.

In der Schweizerischen Buddhistischen Union stellen wir fest, dass die Medien im Allgemeinen nicht sehr viel Platz für buddhistische Angelegenheiten lassen.

FRAGE: Was sind die Schwerpunkte deiner Arbeit in der SBU?

COLETTE BODMER: Ich gehöre seit zehn Jahren zum Vorstand der SBU. In diesem Rahmen habe ich natürlich regelmäßig an den Vorstandssitzungen teilgenommen und aktiv bei verschiedenen Aktivitäten und Projekten mitgemacht. Wir feiern jedes Jahr, immer an einem anderen Ort, eine gemeinsame Vesakh-Feier, und schauen, dass jede buddhistische Tradition im Turnus mitorganisiert. Dieses Jahr sind wir in einem Theravada Zentrum. Vor zwei Jahren waren wir in Amden.

Eine weitere gemeinsame Aktivität ist die Generalversammlung im November mit Programm wie Vorträgen, dem Besuch einer Ausstellung, usw. Ansonsten haben wir Projekte wie Sterbebegleitung. Wir haben ein Blatt kreiert für Spitäler, Heime und andere Institutionen mit Angaben, was für Sterbende wichtig ist. Wir haben uns dabei sehr von den Informationsblättern inspirieren lassen, die unsere Sterbebegleitungsgruppe aus den Diamantwegzentren der Schweiz kreiert und bearbeitet haben.

Dieses Jahr möchten wir ein Infoblatt mit allen buddhistischen Psychotherapeuten herstellen und, bei vorhandener Kapazität, eine Art Mediationsstelle organisieren.

Seit ich Präsidentin bin, habe ich mehr Korrespondenz über das Internet und Anrufe: Anfragen, Zeitschrifteninterviews usw.

Dann vertrete ich die Buddhisten in zwei Kommissionen. Eine, die eine Reform des Religionsunterrichts im Kanton Zürich bearbeitet und eine andere, die eine Tagung über Religionsfreiheit in der Schweiz mit allen wichtigen Weltreligionen organisiert. Zum ersten Mal sind Buddhisten bei beiden Projekten eingeladen mitzumachen.

FRAGE: Zeitweise gab es früher Angehörige anderer Richtungen, die Vorbehalte gegen den teilweise recht unkonventionellen Lehrstil von Lama Ole vorbrachten. In Deutschland sorgte in den 1990er Jahren die Affäre um den Karmapa-Titel für Unruhe und beeinflusste gar die Arbeit der DBU. Gab es in der Schweiz ähnliche Erfahrungen?

COLETTE BODMER: Der unkonventionelle, moderne Stil von Lama Ole Nydahl ist nach wie vor nicht ganz unumstritten, aber es ist auch eine Art Sympathie da gegenüber einem "enfant terrible". Ein traditioneller Stil wird hier schon noch bevorzugt. Aber die SBU ist von der Grösse her nicht zu vergleichen mit der DBU (Deutsche Buddhistische Union). So leben wir friedlich nebeneinander.

FRAGE: Wie ist heute unser Ansehen bei den anderen Buddhisten in der Schweiz? Welchen Beitrag können die Diamantweg-Buddhisten in die SBU einbringen?

COLETTE BODMER: Die Diamantweg Sangha, die sich immer wieder in konkreten Arbeiten mit engagiert, wird von unserem Vorstand sehr geschätzt. Alle Vorstandssitzungen finden bei mir im Zentrum statt und es gibt Begegnungen mit den Mitgliedern des Zentrums, die sich positiv auswirken. Ich glaube, dass unser Beitrag übers praktische Engagement geht, wie wir uns freudig, aktiv, grosszügig verhalten und präsentieren. Zweimal hatte ich die Gelegenheit die 16. Karmapa Meditation beim Vesakh Festen zu leiten. Das kam sehr gut an.

FRAGE: Allgemein wird ja geraten sich lieber auf eine buddhistische Richtung zu konzentrieren. Dementsprechend stand in den letzten Jahren für die meisten von uns die individuelle Praxis sowie der Aufbau und Betrieb des eigenen Zentrums im Vordergrund. Warum lohnt es sich aus deiner Sicht dennoch, sich in Sachen "buddhistische Ökumene" zu engagieren? Gibt es in der Schweiz gemeinsame Veranstaltungen unterschiedlicher Gruppen, etwa öffentliche Vesakh-Feiern oder Seminare?

COLETTE BODMER: Ja, es ist ganz klar auch für mich, dass das sich in einer Richtung vertiefen wichtig ist. Es ist oder sollte eine Bedingung sein, selbst in der eigenen Praxis und Sichtweise gefestigt zu sein, um anderen zu begegnen, die als Buddhist anderen Wegen folgen. Sonst gibt es bald Verwirrung und Vermischungen. Wie Lama Ole Nydahl in "Wie die Dinge sind" sagt: Gleiche Wörter haben in den verschiedenen Traditionen nicht immer den gleichen Sinn. Man muss einen klaren Kopf behalten.

Für mich lohnt es sich mit anderen Buddhisten einen guten, etwas tieferen Kontakt zu haben, weil so ein Dachverband wie die SBU die ganze Bandbreite von Buddhas Lehre vertritt. Sich gegenseitig besser kennen, austauschen, gemeinsam die Lebendigkeit des Buddhismus in seiner Vielfalt vertreten, die Sichtweise des Diamantweges hinein fließen lassen, nicht als Konkurrenz sondern als Bereicherung, auch den Reichtum der anderen erkennen - das bedeutet für mich auch, für das Wohl aller Wesen zu arbeiten. Die Vesakh-Feier versucht, wie oben schon erwähnt, diesen gesamten Reichtum zu bezeugen.

Manchmal ist es nicht so einfach mit verschiedenen Stilen und Ansichten oder Interpretationen der Lehre Buddhas zusammen zu arbeiten. Mir hilft die Sichtweise des Diamantwegs, nichts persönlich zu nehmen, alles als Reichtum, als Spiel des Raumes zu sehen, auch das Mitgefühl und die Motivation: alle wollen die Befreiung bzw. die Erleuchtung erreichen. Bei Irritationen helfen mir die Zuflucht und das Lachen der Lamas!

Im Kontakt mit anderen Religionen gilt das gleiche, nur ist dort der Grundsatz, den mir auch Lama Ole mit auf den Weg gab: "Keine Religion ist größer als die Menschenrechte". Da muss man klar Stellung beziehen.

Dort, wo der Buddhismus noch für viele etwas sehr Exotisches ist, ist es sicher sinnvoll, zu zeigen, dass wir ganz normale, freundliche Menschen sind und dass wir niemandem etwas wegnehmen wollen. Wir sind ein Angebot für Menschen, die es wollen und dafür offen sind.

FRAGE: Eine Sache, für die die schöne Schweiz unter anderem bekannt ist, ist das Nebeneinander verschiedener Sprachen. Der "Rösti-Graben" trennt die deutschsprachigen und die französisch sprechenden Schweizer; in den südlichen Kantonen parliert man italienisch, und auch das alte Rätoromanische wird von einer kleinen Gemeinschaft gepflegt. In welcher Sprache werden die Treffen der SBU eigentlich abgehalten? Wie funktioniert die Zusammenarbeit über die Sprachgrenzen hinweg?

COLETTE BODMER: Die meisten Treffen der SBU werden in Deutsch gehalten. Es gibt tatsächlich mehr aktive Leute in der deutschen Schweiz. Aber die Französisch sprechenden Buddhisten sind im Vorstand vertreten und die Flyers und die Protokolle werden ins Französische übersetzt. Das ist uns wichtig. Ich habe den Vorteil, dass ich beide Sprachen gut kenne! Es gibt wenige Kontakte mit dem Tessin (den Italienisch Sprechenden, die aber alle eine der beiden Sprachen lernen). Und Rätoromanisch ist ein zwar schöner Dialekt, wird aber nur in wenigen Regionen untereinander gesprochen und ist keine allgemeine Umgangssprache.

FRAGE: Vielen Dank! Wir wünschen dir bei deiner Arbeit viel Freude und Erfolg!


Colette Bodmer-Cachard Französin/Schweizerin, Psychotherapeutin in Gemeinschaftspraxis, Mutter von 3 erwachsenen Kindern, Zuflucht in Zürich 1991 bei Lama Ole Nydahl, Übersetzerin und Koordinatorin der französischen Übersetzungen (Meditationen, Artikeln, Bücher), Reiselehrerin seit 2002 (zunächst für franz. sprechende Länder), lebt im Buddhistischen Zentrum Zürich.


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Quelle:
Buddhismus heute 43, Sommer 2007, Seite 88-89
Herausgeber:
Buddhistischer Dachverband Diamantweg der Karma Kagyü
Linie e.V. (BDD) für Diamantweg-Buddhismus in Deutschland
Büro Schwarzenberg, Hinterschwarzenberg 8
87466 Oy-Mittelberg
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Internet: www.diamantweg.de, www.diamondway-buddhism.org
Redaktion: Detlev Göbel und Claudia Knoll
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E-Mail: redaktion@buddhismus-heute.de

"Buddhismus heute" erscheint dreimal im Jahr.
Es gibt die Zeitschrift auch in weiteren Sprachen.
Einzelheft: 8,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2007