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PRESSE/673: Leben nach dem Tod ist in Rußland möglich (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2008, Januar-März
Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.

Leben nach dem Tod ist in Russland möglich

Von Olga Sasuchina


Burjatien zieht Pilger aus aller Welt an. 2002 haben russische Buddhisten den unverwesten Leib von Lama Itigelow ausgegraben, der vor 75 Jahren beerdigt wurde. Seitdem thront der Lama in der Lotospose im buddhistischen Kloster "Iwolginskij Datsan". Dahin strömen tausende Gläubige und Interessierte auf der Suche nach Glück und Wunscherfüllung.

Für Buddhisten ist Lama Itigelow ein Heiligtum. Für andere ein Weltwunder. Schon seit fünf Jahren sitzt er ruhig in Iwolginskij Datsan und gibt viele Rätsel auf, die keiner beantworten kann. Als Lama Itigelow am Leben war, hat er das Amt des obersten Chefs aller buddhistischen Geistlichen in Russland ausgeübt. 1911 wurde er zu diesem Posten beim Zar Nikolai II. gewählt. Nachdem die Kommunisten 1917 an die Macht gekommen waren, hat er Krankheit vorgeschützt und sich zur Ruhe gesetzt. 1927 ist Itigelow gestorben und hat seinen Schülern versprochen zurückzukommen.

Bis jetzt haben Wissenschaftler es noch nicht geschafft, das Phänomen von Itigelow aufzulösen. Die Lamas glauben, dass Buddha vom Himmel auf die Erde gekommen ist. Glauben, aber schweigen. Sogar der amtierende Leiter russischer Buddhisten Pandito Damba Ajuscheew kann keine konkrete Meinung über seinen großen Vorgänger ausdrücken. "Keiner getraut sich zu sagen, worin das Phänomen von Khambo Lama Itigelow besteht. Alle normalen Buddhisten denken daran, aber verstehen, dass Itigelows Weg für uns nicht zu begreifen ist", so Damba Ajuscheew. Rätsel sind immer sehr verführerisch und interessant. Itegelow lockt nach seinem Tod mehr Leute an, als zuvor. Die Lamas erlauben es nicht jeden Tag, Itigelow zu besuchen. Das würde Stille und Ruhe im Kloster zerstören. Nur an den großen buddhistischen Feiertagen darf man das burjatische Phänomen bewundern, und das beschränkt sich dann auf sieben Mal. Am letzten Feiertag Meidari Khural (Tag des Buddha der Zukunft) am 18. Juli 2007 haben Datsan über 80.000 Menschen besucht, die zu 90 Prozent daran glauben, dass Lama Itigelow noch am Leben ist. Ihrer Logik nach ist er zu noch mehr befähigt, wenn er es geschafft hat, nach dem Tod am Leben zu bleiben.


Das Leben nach dem Tod ist möglich.

Buddhisten aus aller Welt beten Itigelow an, als ein Heiligtum. Die Rentnerin Dabaghit Podaewa ist eine überzeugte Buddhistin. Sie wohnt im Nebendorf Iwolga, hat aber auch lediglich an den großen Feiertagen Zugang zum Lama Itigelow. Dabaghit versäumt buddhistische Feiertage nie, trotz der großen Pilgermenge. In der Gebetszeit ist es besonders wichtig zum Gott zu kommen. "Wir Buddhisten beten für die Wohlergehen aller Wesen auf dieser Welt, aber nicht für das persönliche Glück", so die 61-jährige. Die Welt muss in der Harmonie sein. Dann wird jeder einzelne Mensch in seiner Gesamtheit mit der ganzen Welt glücklich sein. Itigelow war ein großer Lama. Dafür haben buddhistische Götter ihm einen ewigen Körper beschert, damit er mit allen Gläubigen mitleiden und die Kranken heilen kann. "Leben nach dem Tod ist möglich" - daran zweifelt Dabaghit nicht.

Beim Fest Meidari Khural waren nicht nur buddhistische Burjaten oder Mongolen, sondern auch Russen anwesend. Sergei Serebrow ist Arzt aus Krasnojarsk. Und nicht nur aus reiner Neugier. Dieser typische russische Mann ist selbst Buddhist. Als er zum ersten Mal von Lama Itigelow gehört hat, entschied er sofort, dieses "burjatische Wunder" selbst anzuschauen. Russen unterscheiden sich von Burjaten dadurch, dass sie skeptischer sind. "Itigelow war Pharmakologe. Deswegen konnte er sich selbst balsamieren, als er noch am Leben war", vermutet der 31-jährige.

Menschen die zu Itigelow kommen, glauben, dass er Wunder verwirklichen kann. Es ist noch ungewiss, ob dies stimmt. Aber mindestens ein Wunder ist schon in Datsan passiert. Anatoli Tschubeis, Vorsitzender des halbstaatlichen russischen Stromkonzerns "EES Rossii", hat Itigelow 2003 besucht. Er war von dem heiligen Lama so stark beeindruckt, dass er Datsan für zwei Jahre von den Energierechnungen befreien ließ. Tschubeis hat daran geglaubt, dass der Lama lebendig ist. Dann brauchte er auch Strom. Aber diese These stimmt leider nicht. Das Geschenk vom Energiekönig hat die Lamas von Iwolginskij Datsan viel mehr gefreut, als Itigelow selbst.


Sind Sie ganz verrückt? Natürlich ist er schon tot.

Ärzte schütteln mit dem Kopf, wenn sie etwas über den großen Lama hören. Professor Wiktor Swjagin, Doktor der Medizin, arbeitet beim russischen Zentrum der Gerichtsmedizin des Ministeriums für Gesundheitswesen Russlands. Er behauptet, dass Lama Itigelow eindeutig tot ist. Der Professor hat den Körper vom Khambo Lama untersucht und auch Analysen der Fingernägel, Haare und Haut durchgeführt. Obwohl er bei der Prozedur nicht anwesend war, als Proben für die Analysen genommen wurden, ist er ganz sicher, dass es Itigelows Proben sind und nicht seiner lebendigen Verwandten. Die Frage, ob Khambo Lama am Leben sein kann, beantwortet Professor Swjagin mit einem Lächeln: "Sind Sie ganz verrückt? Natürlich ist er schon tot. Wir haben es aber noch nicht geschafft, festzustellen, warum das Körpergewebe noch nicht verwest ist. Das ist ein Rätsel auf Weltniveau". Der Lama kann nicht mehr am Leben sein, weil seine Körpertemperatur unter 20 Grad liegt.

Die moderne Wissenschaft kennt drei Methoden der Leichenerhaltung: Mumifizierung, Torfmoorgerben und Adipocire. Keine dieser Methoden entspricht dem Phänomen von Itigelow. Auf seinem Körper sind Obduktionsspuren nicht nachgewiesen. Sein Blut ist im Geleezustand, aber es ist im Körper vorhanden. Auf der hellen dehnbaren Haut gibt es keinen einzigen Leichenfleck. Itigelows Körper ist außergewöhnlich warm und hält sich in der Lotospose ohne Stütze. Fünf Jahre lang befand sich der Leib unter Zimmertemperatur, was keinen bedeutenden Wandel verursacht hat. Das Erstaunlichste besteht aber darin, dass Itigelow noch vor seinem Tod wusste, dass sein Körper nicht verwest und deshalb verfügte, ihn 75 Jahre nach seinem Tod auszugraben. Solche Fälle kennt die Wissenschaft noch nicht. Das ist ein echtes Weltwunder. Um den Grund der Unverweslichkeit herauszufinden, müsste man weitere Untersuchungen organisieren. Nicht nur des Körpers, sondern auch der Sarg, in der Itigelow sich befand. Das erlauben die Mönche von Iwolginskij Datsan aber nicht. Eine Obduktion schon gar nicht. Für Buddhisten ist Itigelow noch am Leben.


Erscheinen von Buddha.

Janghima Wassiljewa vergöttlicht Lama Itigelow. Kein Wunder. Sie ist eine Verwandte des großen Lamas. Sie sieht es so, als ob auf ihrer Familie Gottes Gnade liegen würde. Die Großnichte von Itigelow hat 2002 das "Pandito Khambo Lama Itigelow-Institut" in der Hauptstadt Burjatien Ulan-Ude gegründet. Sie ist der Meinung, dass sie damit einen wesentlichen Beitrag für ihren berühmten Verwandten leisten kann. Viele glauben, dass der Lama das ganze Leben in Burjatien geändert hat. Manche sagen "bevor Itigelow" und "nach Itigelow". "Für uns Burjaten ist unser Gott gekommen", bekennt Janghima. Sie teilt auch die Meinung der meisten Buddhisten, dass Lama Itigelow immer noch am Leben ist. Nach den Aussagen der Klosterbewohner finden in seinem Körper Lebensvorgänge statt. Er schwitzt, seine Fingernägel und Haare wachsen weiter. An den Pilgertagen nimmt er sogar ein wenig zu, so seine Großnichte. Normalerweise wiegt er 41 Kilo, aber an den buddhistischen Festen ein Kilo mehr. "Das ist die Liebe der Gläubigen", meint Janghima Wasiljewa.

Eines der wichtigsten Postulate des Buddhismus ist der Glaube an Reinkarnation. Die Großenkelin vermutet, dass das Phänomen von Itigelow ein Beispiel dieser Erscheinung ist. Nach dieser Auffassung sollte die Seele vom Gründer des Buddhismus in Russland, Pandito Khambo Lama Sajaew, in Itigelows Körper einfließen. Sajaew hat 75 Jahre gelebt. 1777 ist er aus der Zeitlichkeit geschieden. Seinen Schülern hat er versprochen, zurückzukommen. Nach 75 Jahren, im Jahre 1852, wurde Itigelow geboren, der, wie auch sein Vorgänger, im Alter von 75 Jahren gestorben ist. Er hat ebenso versprochen, zurück auf diese Erde zu kommen. Das ist nach 75 Jahren passiert, als er 2002 von den Mönchen ausgegraben wurde. Nach Auffassung von Janghima zeugt die mystische Zahl 75 von der Reinkarnation der Seele von Lama Sajaew.

Meinungen gibt es viele. Keine ist aber richtig bewiesen. Die russische Seele ist immer auf der Suche nach einem Wunder. Die Möglichkeit, einen Wunsch erfüllt zu bekommen, zieht tausende Pilger an. Itigelow gibt den Leuten Glauben. Damit einher geht Zuversicht, die Russland so braucht. Russland hat sich vor mehreren Jahrhunderten vom Heidentum zur Orthodoxie gewandelt. Aber der Drang nach Mystik ist immer noch stark ausgeprägt.


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2008, Januar-März , Seite 13-17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2008